Essen-Kettwig. Im Alten Bahnhof wurde das Buch „Kettwig war für uns die Welt“ präsentiert. Eine Würdigung für die verstorbene Autorin Sabine Moseler-Worm.
Kindheitserlebnisse haben viele Facetten und einige von ihnen prägen sogar das ganze weitere Leben. Manchmal begleiten uns auch Gegenstände bis heute – wie der große Teddybär, der am Sonntagvormittag auf der Bühne im Alten Bahnhof Kettwig in einem Sessel seinen Platz fand. Was er seiner Besitzerin bedeutet, das ist im Buch „Kettwig war für uns die Welt“ zu erfahren. Auszüge aus diesen und weiteren Berichten über Kindheit in Kettwig präsentierten Reiner Worm und Julia Marx – im Gedenken an die Autorin Sabine Moseler-Worm, die das Erscheinen des Buches nicht mehr erleben konnte.
Geschichten abseits der journalistischen Chronistenpflicht
WAZ/NRZ-Redakteurin Sabine Moseler-Worm begleitete mehr als drei Jahrzehnte das Geschehen in Kettwig. Im Ruhestand, so hatte sie sich vorgenommen, wollte sie jene Geschichten aufzuschreiben, die abseits der Chronistenpflicht liegen. Geschichten aus den Kindertagen der älteren Mitbürger. Daraus geworden ist ein Buch, das ein breites Spektrum zeigt – von den 1920er bis 1950er Jahren.
Die Menschen haben erzählt, die Journalistin hat es aufgeschrieben. Als Gesprächspartner standen 14 Kettwiger zur Verfügung. „Es waren mehr geplant. Doch dann kamen Corona und letztlich Sabines Krankheit dazwischen“, sagt ihr Ehemann Reiner Worm, der anstatt einer üblichen Trauerfeier diese Lesung organisiert hat. Mehr als 80 Gäste sind gekommen, Freunde, Bekannte, Wegbegleiter – und einige der Interviewten.
Amüsantes von Lebertran-Gaben und Sand im Grünkohl-Topf
Die Stimmung im Alten Bahnhof ist nicht gedrückt. Im Gegenteil, viele der Anwesenden wissen, wovon die Rede ist, wenn einst bekannte Kettwiger Läden, Bäckereien oder Kneipen genannt werden. Sie nicken lächelnd, wenn das Freibad (heute Gelände der Kettwiger Rudergesellschaft) erwähnt wird. Und so manchen Lacher ernten Berichte über unangenehme Lebertran-Gaben und die Tatsache, dass der Berichtende beim Waschtag der Letzte war, der das für alle Familienmitglieder angesetzte heiße Badewasser nutzen durfte.
Oder es landet der auf der Straße verschüttete Grünkohl wieder im Topf – angereichert mit etwas Sand, wie die Oma später anmerkt. Neben diesen lustigen Anekdoten tauchen Kriegserlebnisse auf, die Sprengung der Ruhrbrücke, zerbombte Häuser, Armut, der Anblick Kriegsversehrter. Trotz allem aber empfanden alle ihre Kindheit als positiv.
Talkrunde mit dem Sohn des letzten Kettwiger Bürgermeisters
Bekräftigt wird dies in der kleinen Talkrunde, die sich der Lesung anschließt und von Verleger Peter Marx geleitet wird. Neben Martin Kryl (Heimat- und Verkehrsverein), Armin Rahmann (Museumsfreunde) und Teddy-Besitzerin Edith Briele ist es Klaus Fiedler, der noch einmal die Epoche der Nachkriegszeit lebendig werden lässt. Fiedlers Vater Albert war der letzte Bürgermeister von Kettwig vor der Eingemeindung 1975. Der Sozialdemokrat hatte zweimal das Amt inne und wurde als „Respektsperson“ sogar zum Karnevalsprinzen gekürt. „Ich durfte ihn dann im Opel Kapitän herumfahren“, erzählt Klaus Fiedler, der selbst doch lieber Motorrad fährt .
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„Kettwig war für uns die Welt“ – wer das Buch bislang noch nicht in der Hand hatte, wurde an diesem Sonntag auf jeden Fall auf eine nette Art zum Schmökern inspiriert.
Das Buch hat 84 Seiten und ist durchgehend bebildert mit aktuellen und historischen Aufnahmen (ISBN 978-3-943322-187). Erhältlich ist es für 12,80 Euro im örtlichen Buchhandel und beim Verlag Hummelshain (www.hummelshain.eu).