Essen. In Oefte und am Rodberg gehen uralte Buchenbestände ein, weil die Wurzeln nicht mehr genug Wasser finden. Förster sprechen von einer Katastrophe.
Es ist der dritte heiße Sommer in Folge und der Wald stirbt. Nicht nur im Sauerland, wo mit Fichten bewachsene Kuppen kahl werden, sondern auch in Essen. In Oefte und am Rodberg im Süden der Stadt kann man dabei zusehen. Uralte Buchen sind dort „abgängig“, wie es im Fachjargon der Förster heißt.
800 bis 1000 Bäume auf einer Fläche des Regionalverbandes Ruhr, die so groß ist wie 50 Fußballfelder. Jede einzelne Buche ist zwischen 140 und 200 Jahre alt. Es sind große und prächtige Bäume, die eingehen, weil die Wurzeln im ausgetrockneten Boden nicht mehr genügend Wasser finden. Und das ist nur ein Vorbote. „Es ist eine Katastrophe“, sagt RVR-Förster Matthias Klar.
Noch vor einem Jahr deutete nichts daraufhin, dass die Bäume sterben könnten
Am Rande des Wortberghofes lässt der RVR 18 alte Buchen fällen. Die Gefahr, dass schwere Äste abbrechen oder ganze Bäume umstürzen und auf die Gebäude oder den nahen Spazierweg krachen, sei zu groß. Bis zu 40 Meter ragen die Stämme mit ihren kahlen Ästen in die Höhe. Noch im vergangenen Sommer deutete nichts daraufhin, dass die Buchen eingehen könnten.
„Es geht rasend schnell“, wundert sich Stephan Breuker, einer der erfahrenen Waldarbeiter, die schweres Gerät im Unterholz bewegen. Über die Wintermonate drang Wasser in die Rinde ein, die bald darauf ablatzte. Nun sehen die glatten Baumstämme und blätterlosen Äste aus, als seien es Mahnmale, die vor den Folgen des Klimawandels warnen.
Pfingststurm „Ela“ hat den Trend beschleunigt und die Wälder geschwächt
Denn der ist längst angekommen in hiesigen Breiten. Daran besteht für Fachleute wie Matthias Klar nicht der geringste Zweifel. „Es hat mit der Fichte angefangen. Jetzt ist die Buche in Not. Die Eiche wird folgen“, ist sich der RVR-Förster sicher.
Pfingststurm „Ela“ habe diesen Trend nur beschleunigt, als er 2014 über das Revier hinweg fegte. Der verheerende Sturm riss dicht stehende Buchenbestände auf, so dass Bäume schutzlos dem Sonnenlicht ausgesetzt waren und sich einen Sonnenbrand einfingen: ein Todesurteil. Auch Schädlinge setzen den geschwächten Bäumen zu. Ahorne leiden unter der Rindenrußkrankheit, Eschen unter dem Eschentriebsterben – die Förster kämpfen gleichzeitig an mehreren Fronten.
Wo es die Verkehrssicherheitspflicht zulässt, bleiben die alten Bäume stehen
Was können sie tun? „Wir lassen die Alten stehen, wenn die Verkehrssicherheitspflicht es zulässt“, sagt Klar. Auch in der Hoffnung, dass sie noch einmal Samen abwerfen und sich der Wald von selbst verjüngen möge. Nicht immer schaffe er das aus eigener Kraft. Am Wortberghof sei der Humus „so dick wie eine Matratze“. Junge Triebe hätten keine Chance, diese aus eigener Kraft zu durchdringen, die Wurzeln würden im trocknen Boden verkümmern.
Am Rodberg wird der RVR auch Buchen fällen, die erst 40 bis 60 Jahre alt sind, um den Konkurrenzkampf ums Wasser zu mindern, damit einige Bäume überleben, wenn schon nicht alle. Die Förster nennen es „das Gesetz des Örtlichen“. Ein Schema F oder gar ein Patentrezept, gebe es in der Waldpflege nicht.
Die Förster hoffen, dass sich neue Generationen als widerstandsfähiger erweisen
Dass Bäume gefällt werden, um mit dem Holz Geld zu verdienen, weist Klar weit von sich. Das Gegenteil sei der Fall: „Wir zahlen drauf.“ Der Markt sei überschwemmt und die Bäume so geschädigt, dass sie allenfalls als Brennholz taugen.
Der RVR-Förster hofft, dass sich nachwachsende Generationen gegenüber dem Klimawandel als widerstandsfähiger erweisen. Eine Garantie dafür, dass es so kommen wird, gibt es nicht. „Der deutsche Wald wird nicht mehr der sein, wie wir ihn heute kennen“, ist sich Matthias Klar sicher. Der Blick geht hinüber auf die andere Seite des Tals. Noch ist der Hang dicht bewachsen, doch einige der Kronen tragen schon braune Blätter. Für die Förster sind es untrügliche Zeichen: Der Wald, er stirbt.