Essen. Essens neue Radtrasse führt vom Südviertel nach Frohnhausen. Dafür gibt es Lob von der Fahrrad-Lobby. Wäre da nicht der Durchgangsverkehr.
Die Stadt Essen will mehr für den Radverkehr tun. Der Weg bis zum Ziel ist noch weit. Eine Etappe hat die Stadt erfolgreich hinter sich gebracht, sagte Oberbürgermeister Thomas Kufen, als er am Mittwoch an der Kahrstraße eines der neuen Straßenschilder symbolisch enthüllte.
Verkehrsteilnehmern zeigt es an, dass sie sich auf der frisch eingerichteten Fahrradstraße befinden. Diese führt von der Witteringstraße im Südviertel bis zur Kerckhoffstraße in Frohnhausen, insgesamt sind es rund vier Kilometer.
Beschilderung und große Piktogramme weisen daraufhin, dass Fahrradfahrer auf dieser Trasse Vorrang genießen. Sie dürfen sogar nebeneinander fahren. Autofahrer müssen sich anpassen und im Zweifel auch langsamer fahren als es die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h zulässt. „Die Radfahrer bestimmen das Tempo“, betonte der OB. So verlangt es die Straßenverkehrsordnung.
56 Kfz-Stellplätze fallen durch die Einrichtung der Fahrradstraße weg
Innerhalb von viereinhalb Wochen hat die Stadt Essen die Fahrradstraße eingerichtet. Die politische Debatte, die dem Beschluss des Bauausschusses vorangegangen war, verlief weniger flüssig. Wie so oft stand am Ende ein Kompromiss: Mit Rücksicht auf den Einzelhandel fielen entlang der Strecke nur 56 Pkw-Stellplätze weg statt wie ursprünglich geplant 147. Für OB Kufen ein Zeichen, dass es ums Miteinander geht und nicht ums Gegeneinander. Ob der Kompromiss auf Kosten der Sicherheit geht, weil Einmündungen und Kreuzungen weniger gut einsehbar sind, wird sich in der Praxis zeigen.
Aus Sicht der Stadt fördert die Fahrradstraße die Mobilität gerade auf der mittleren Distanz zwischen zwei und acht Kilometern. „Wer fährt schon aus Holsterhausen, wo er einen Parkplatz hat, zum Einkaufen auf den Markt nach Rüttenscheid, wo er keinen Parkplatz findet?“, fragte Rainer Wienke, der Leiter des Amtes für Straßen und Verkehr, und gab darauf selbst die Antwort: Wer das ein paar Mal gemacht hat, lässt es irgendwann sein. Die Fahrradstraße erlaube es, mit dem Rad schnell und sicher nach Rüttenscheid – oder Holsterhausen – zu kommen. „Während Sie noch überlegen, was sie alles einkaufen wollen, sind Sie auch schon da.“
Fahrrad-Initiativen kritisieren, dass Durchgangsverkehr auf der Fahrradstraße möglich ist
Vertreter der Fahrrad-Initiativen zeigten sich weitgehend zufrieden. Auch wenn es bedauerlich sei, dass der Durchgangsverkehr nicht aus der Fahrradstraße herausgehalten wird. Gerade auf der Keplerstraße könnte es deshalb eng werden für Radfahrer, merkte Björn Ahaus, Mitinitiator des Essener Radentscheids für einen Ausbau des Radverkehrs an. Was den Ausbaustandard angeht, sagte Ahaus aber auch: „So muss es weitergehen.“
Tatsächlich hat die Stadt bei der Ausweisung von Fahrradstraßen Nachholbedarf; ehrgeizige Pläne seien nach der Kommunalwahl 1999 in der Schublade verschwunden, so Jörg Brinkmann, Mitglied und lange Jahre auch Sprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC).
Zwei weitere Fahrradstraßen folgen - in Rüttenscheid und im Essener Osten
Nach Angaben der Stadt gibt es in Essen mittlerweile rund 50 Fahrradstraßen. Die nun eingerichtete „Fahrradachse“ vom Südviertel nach Frohnhausen wurde für 570.000 Euro mit finanzieller Unterstützung des Bundes realisiert. Aus dem Programm „Saubere Luft“ flossen dafür 98.000 Euro nach Essen. Zwei weitere Fahrradstraßen sollen folgen – in Rüttenscheid und im Essener Osten.
OB Kufen erinnerte daran, dass sich die Stadt Essen im Rechtsstreit mit der Deutschen Umwelthilfe dazu verpflichtet hat, den sogenannten Umweltverbund zu fördern, Mit dem Ziel, Fahrverbote für ältere Diesel und Benziner zu verhindern. Aktuelle Prognosen zur Luftqualität in Essen sprechen dafür, so Anita Breyer, Vertreterin des Bundesumweltministeriums, „dass wir keine Fahrverbote brauchen werden“.