Frohnhausen/Holsterhausen. Die Fahrradstraße vom Südviertel über Holsterhausen nach Frohnhausen stößt bei vielen Händlern auf Ablehnung. Aber es gibt auch andere Stimmen.
„Wenn sie hier auch noch die Parkplätze wegnehmen“, sagt Alexandra Chmielewski, während sie einen Strauß Blumen bindet, „dann können sie die Bürgersteige gleich hochklappen.“ Die Floristin arbeitet bei „Blumen Strahl“. Der Laden liegt an der Frohnhauser Straße, an jenem kurzen Stück zwischen Breslauer Straße und Mommsenstraße, das zur Fahrradstraße werden soll. Das Ladenlokal nebenan steht leer. Auch das Lokal gegenüber. Die Commerzbank ist noch da. Eine Schnellrestaurant hat eröffnet und ein Laden für Sportwetten.
Der Einzelhandel an der Frohnhauser Straße hat schon bessere Zeiten erlebt. „Mit den Jahren ist es immer weniger geworden“, berichtet Alexandra Chmielewski. Nun fürchten Alteingesessene, dass sich dieser Trend noch beschleunigen wird, wenn die Fahrradstraße erst einmal da ist.
Im kommenden Jahr ist die „Detlef Schöne Goldschmiede“ 20 Jahre am Ort. „Mit Parkmöglichkeiten ist es heute schon sehr eng“, erzählt Waltraud Schöne. Und es dürfte noch enger werden, wenn mit Einrichtung der Fahrradstraße 18 Stellplätze wegfallen. Anhalten, einkaufen und wieder weg – das wird dann noch schwieriger. Dafür sollen es Radfahrer bald leichter haben.
Für Radfahrer gibt es schönere und sicherere Strecken als die Frohnhauser Straße
Fahrradfahren auf der Frohnhauser Straße? „Das ganze Jahr über sehe ich vielleicht zwei Fahrradfahrer“, hatte Blumenhändlerin Alexandra Chmielewski dem Reporter in den Block diktiert. Der viele Verkehr und dann auch noch die Straßenbahn. Und dazu Schienen, die bei Regen rutschig wie Schmierseife werden. „Für Radfahrer gibt es doch schönere Wege.“
Die Stadt möchte das Radfahren attraktiver machen. Und sicherer. Deshalb die Fahrradstraße. Bei vielen Einzelhändlern stößt dies jedoch auf große Vorbehalte. Nicht nur in Frohnhausen.
Brigitte Rust ist seit 1980 Juwelierin an der Gemarkenstraße in Holsterhausen. „Unsere Kunden kommen mit dem Auto, nicht mit dem Fahrrad“, sagt sie bestimmt. Gerade Ältere seien darauf angewiesen. „Wo sollen die Autos denn hin?“, fragt die Geschäftsfrau und denkt dabei auch an die Anwohner.
Stimmen wie diese überwiegen unter den Einzelhändlern an der Gemarkenstraße. Auch Holsterhausens Einkaufsstraße hat bessere Tage erlebt als diese. Ladenlokale stehen leer, die Dichte an Friseuren ist auffällig hoch. Aber alteingesessene Geschäfte bleiben, und es eröffnen aber auch immer wieder neue.
Auf der Gemarkenstraße in Holsterhausen lässt sich vergleichsweise sicher radeln
„Wir können hier noch ganz zufrieden sein“, sagt Kai Reuter. Der Hörakustikmeister hat Glück. Seine Branche leidet weniger stark unter dem Onlinehandel als andere. Wer ein Hörgerät braucht oder eine neue Brille schaut persönlich vorbei. Auch Kai Reuter ist skeptisch, was die Fahrradstraße angeht. Seine Sorge: „Die Leute können mit dem Begriff Fahrradstraße gar nichts anfangen“ – und bleiben weg, weil sie meinen, sie dürften in die Gemarkenstraße gar nicht mehr mit dem Auto reinfahren.
Das ist falsch. Radfahrer hätten auf der Fahrradstraße Vorrang, Autofahrer müssten sich ihrem Tempo anpassen. Anders als auf der vielbefahrenen Frohnhauser Straße lässt es sich auf der Gemarkenstraße vergleichsweise bequem radeln. Es gilt Tempo 30. Radfahrer dürfen trotz Einbahnstraße in beide Richtungen fahren. „Mittlerweile haben die Autofahrer das kapiert“, sagt Kai Reuter, was im Sprengel nicht jeder so wahrnimmt. Reuter meint: Was das Radfahren angeht, sollte es auf der Gemarkenstraße so bleiben, wie es ist.
Wer auf fußläufige Kundschaft setzt, tut sich leichter mit der Fahrradstraße
Unter den Einzelhändlern dürften die Kritiker der Fahrradstraße in der Mehrheit sein. Vor allem jene, deren Kunden auch von auswärts kommen, lehnen die Einrichtung der Fahrradstraße ab. Andere, die auf fußläufige Kundschaft setzen, tun sich leichter damit oder befürworten das Projekt sogar ausdrücklich.
Parken entlang der Fahrradstraße
Die Fahrradstraße verbindet das Südviertel, Holsterhausen und Frohnhausen. Sie führt von der Witteringstraße über die Kahrstraße und die Gemarkenstraße. Weiter geht es über die Menzelstraße, die Kepplerstraße und die Breslauer Straße bis zur Frohnhauser Straße. Über die Mommsenstraße führt die Strecke bis zur Kerkhoffstraße.
Nach Angaben der Verwaltung fallen in Frohnhausen 28 Stellplätze (12,7 %) weg, weitere 26 (10,4 %) in Holsterhausen und 16 (10,2 %) im Südviertel. In Holsterhausen entfallen zudem weitere Stellplätze, auf denen das Parken bislang geduldet wurde. Auf 48 illegalen Stellplätzen wird das Parken legalisiert. Im Südviertel fallen 30 illegale Stellplätze weg, auf 61 wird das Parken erlaubt.
So wie Natalie Stember. Sie hat im September an der Gemarkenstraße einen Buchladen eröffnet. Nach 20 Jahren Arbeit als Lerntherapeutin sollte es etwas Neues sein. Es wurde „Durchblick“. Nathalie Stember wohnt in der Nähe. „Ich habe ein Auto, überlege aber, ob ich es abgebe. Ich brauche es nicht mehr.“ Ihr Eindruck: „In Holsterhausen fahren immer mehr mit dem Rad. Auch ganz viele Kinder.“ Gleich gegenüber hat das „Fachgeschäft für Stadtwandel“ seine Adresse. Eine Nachbarschaftsinitiative bietet neben einem Café diverse Angebote zum Ausprobieren und Mitmachen an, ein Lastenrad ist nur eines von vielen. „Ein Fahrradstraße wäre eine Bereicherung für Holsterhausen“, davon ist Natalie Stember überzeugt.
Norman Bärenbrinker sieht das genauso. Seit November vergangenen Jahres betreibt er „Kommabei“, eine Boutique nebst Papeterie, fair gehandelte Produkte auch aus eigener Produktion. Wer ums Parken rund um die Gemarkenstraße weiß, der kommt zu Fuß oder mit dem Fahrrad, sagt Norman Bärenbrinker. Er hätte auch nichts gegen eine Fußgängerzone.