Essen. Essens Kreuzeskirche ist als Auftrittsort zurück: Vor kleinem Publikum spielte Hansjörg Albrecht die Goldberg-Variationen – und zwar zweimal.

Andy v. Oppenkowski war spürbar glücklich. Zum ersten Mal seit Beginn der Corona-Pandemie konnte der künstlerische Leiter des Forum Kreuzeskirche wieder Besucher empfangen. Zwar nur 60 Personen, dafür wurde das Konzert aber zweimal gegeben. Eine Mammutaufgabe für Gastorganist Hansjörg Albrecht, denn er brachte im Rahmen des 6. Bach-Ateliers mit den „Goldberg-Variationen“ einen kompositorischen Meilenstein zu Gehör.

Ein Querdenker unter den Organisten

In seiner eigenen Orgelfassung, die er schon 2007 auf CD eingespielt hatte. Albrecht wird gern als musikalischer Grenzgänger und Querdenker apostrophiert, der kein Sakrileg darin sieht, der Königin der Instrumente auch mal Wagners „Tannhäuser“-Ouvertüre vorzusetzen oder in diesem Jahr die Bruckner-Sinfonien als Orgeltranskriptionen herauszubringen.

Spielte in Essen die Goldbergvariationen: Organist Hansjörg Albrecht (auf einem Bild von 2019).
Spielte in Essen die Goldbergvariationen: Organist Hansjörg Albrecht (auf einem Bild von 2019). © Heiko Kempken / FUNKE Foto Services

In der Regel machen Cembalisten und Pianisten die „Goldberg-Variationen“, von Bach als „Clavierübung“ betitelt, zu ihrem Glaubensbekenntnis. Doch auf der Schuke-Orgel eröffnete sich dem Zuhörer die Architektur des gut einstündigen Werkes deutlich transparenter. Nicht nur weil Albrecht die musikalische Struktur vorab erläuterte: die magische Zahl 32, die Tonarten, die 10 x 3 Variationen mit ihren Bravourstücken („Show pieces“), Elegien und Kanons, diese „prall gefüllte Barockmusik“, in der man Bläserjagd, Spieluhr und Vogelgezwitscher vernehmen mochte.

Eine musikalische Gipfelbesteigung

Bei allen plastisch herausgearbeiteten Kontrasten freilich – der weich getönten Aria, dem wirkmächtigen Prinzipal, der Schönheit der Soloregister – erging sich Albrecht nicht in klangfarblicher Effekthascherei, sondern nutzte die Registrierung, um Bachs musikalischen Kosmos greifbar zu machen. Eine „Gipfelbesteigung“, wie es der Organist beschrieb. Und ein erster Höhepunkt im wiederbegonnenen Orgelstudio der Kreuzeskirche.