Essen. Essener Philharmonie startet wieder ins Konzertleben – mit Abstand, Mundschutz und mit noch lichten Reihen. Publikum ist dankbar für das Angebot.
Das erste Konzert der Essener Philharmoniker nach drei Monaten Corona-Zwangspause war ein Austarieren zwischen gebotener Vorsicht und neuer Zuversicht: Statt zwei abendfüllender Sinfoniekonzerte gab‘s vier Kurzprogramme in einem stark dezimierten Alfried-Krupp-Saal: Nur jede zweite Reihe war statt ansteigend auf Parkett-Ebene montiert – ein Raumgefühl wie damals im guten alten Saalbau. Die rund 350 Sitzplätze freilich blieben teilweise leer. Zurückhaltende Vorsicht herrscht wohl noch unter den Musikfreunden. Die gekommen waren, applaudierten aber voller Dankbarkeit über ein ambitioniertes, spontan aus dem Boden gestampftes Musikangebot in der Philharmonie.
Das Publikum freut sich: „Ein wunderbares Gefühl, wieder Livemusik hören zu können“
„Nach drei Monaten Abstinenz ist das ein wunderbares Gefühl, wieder Livemusik hören zu können “, befand beispielsweise Ludger Dohm. Nicht nur von ihm gab es viel Lob für das mit großen Aufwand entwickelte Schutz- und Hygienekonzept der Philharmonie und vor allem auch für das „intelligente Programm“, wie auch Gerd van Trien betonte: „Das ist kein 08/15-Konzept.“ Die Rückkehr in den Konzertsaal mit Mund-Nasen-Schutz fand der langjährige Abonnent „schon etwas befremdlich. Aber es ist schön, endlich wieder live dabei zu sein“. Auch Eva Bednark ließ sich die Rückkehr der Essener Philharmoniker in den Konzertsaal nicht entgehen und hatte gleich zwei Tickets gebucht – für die Auftritte am Donnerstag und am Freitag. „Ich habe mich sehr darauf gefreut. Das Klangerlebnis ist doch ganz anders als zu Hause mit Kopfhörern.“ Dank der luftigen Sitzverteilung fühle man sich auch extrem sicher, so Bednarek.
Die Blechbläser decken die Schalltrichter jetzt mit schwarzen Tüchern ab
Sicherheitsabstände und Maskenpflicht hatten aber nicht nur die Besucher einzuhalten. Auch die Musiker saßen weit auseinander, traten von rechts auf und links ab. Und – kurios-seltenes Bild – die Blechbläser als die potenziell größten Aerosol-Versprüher hatten die großen Schalltrichter ihrer Instrumente mit schwarzen Tüchern abgedeckt.
Und wie kriegt man nun ein ausgewachsenes Berufsorchester gemeinsam aufs Podium? Generalmusikdirektor Tomáš Netopil hat das Problem geschickt gelöst: nacheinander! Bruckners Siebte oder Straussens „Alpensinfonie“ werden noch eine Weile auf sich warten lassen. Aber durch wohlüberlegte Werkauswahl gelang es ihm, die Orchestergruppen einzeln zu präsentieren. Die beteiligten Musiker zeigten sich entsprechend erleichtert über den Neustart: „Alle sind glücklich, dass wieder etwas passiert. Wenn man wieder auf der Bühne steht, merkt man erst, was so lange gefehlt hat“, sagt beispielsweise Tubaspieler Alexander Kritikos.
Essener Philharmoniker: Alle sind glücklich, dass wieder etwas passiert
So erfreuten die Blechbläser in Quintettbesetzung zur Eröffnung mit festlicher Barockmusik von Giles Farnaby samt Trompetenglanz, Echowirkung und samtiger Rundung. Dvořáks Bläserserenade op. 44 (ohne Flöten, dafür aber mit drei schmelzenden Hornstimmen) verströmten im Dutzend volltönigen Holzbläserfarben, ebenso anmutig wie keck. Der reine Wohllaut.
Und wo Netopil schon mal bei „seinem“ Nationalkomponisten war, stellte er die wunderbare, an melodischen Eingebungen so reiche E-Dur-Streicherserenade in den Mittelpunkt – mit einem ansehnlichen, über 20-köpfigen Ensemble. Da war der GMD in seinem Element, gab dem Werk den ganzen Serenadenzauber in geschmeidigen Tempi, aufgelichtet, luftig leicht, kapriziös. Ein Klangerlebnis, das auch den Kulturdezernenten Muchtar Al Ghusain besonders berührte. Und nicht nur für den Beigeordneten war der erste Konzertabend nach Monaten ein bisschen „wie Nachhausekommen“.