Essen. Ein Auto steht in der prallen Sonne vor der Essener Uniklinik. Darin: ein Hund, der bellt und hechelt - das Protokoll einer dramatischen Rettung.
Das Drama spielt sich direkt vor der Uniklinik in Essen ab. Ein Volkswagen steht am vergangenen Freitag in der prallen Mittagssonne auf dem Parkstreifen in der Virchowstraße. Darin: ein verzweifelter Hund, der laut bellt. So laut, dass Mitarbeiterinnen der Klinik hellhörig werden und aufspringen.
„Als ich ankam, hing seine Zunge bis zum Boden und er presste die Nase an die Scheibe“, berichtet Dana Dopadlik aus Essen-Frintrop. Wegen der Konfusion über die Zuständigkeiten von Feuerwehr und Polizei wird in diesem Notfall sehr viel kostbare Zeit verstreichen. Am Ende kann die leidende Kreatur zwar aus dem elenden Hitze-Gefängnis gerettet werden, aber die Krankenschwestern sind sauer: auf die Feuerwehr, auf die Polizei, auf die Hundbesitzerin. Das Protokoll einer Tierrettung.
Krankenschwester ruft schnell die 112
Es ist etwa 11.40 Uhr. Zuerst ruft Dana Dopadlik rasch die 112 an, den Notruf der Feuerwehr. Sie telefoniert noch vom Büro aus, bloß keine Zeit verlieren. Doch die Leitstelle wimmelt sie ab und verweist auf die Polizei, die zuständig sei. Nur: Der Wachhabende irrt, wie sich später auf Nachfrage dieser Zeitung herausstellt. „Natürlich ist die Feuerwehr für die Rettung von Mensch und Tier zuständig“, stellt Jörg Wackerhahn, der stellvertretende Chef der Essener Feuerwehr, klar. Er entschuldigt sich für den Fehler seines Kollegen in der Leitstelle.
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Ein Fehler, der die Qualen des Hundes unnötig verlängern und die Wut der Krankenschwestern steigern wird. Dana Dopadlik wählt jetzt wie befohlen den Polizeinotruf 110. Wie ein Polizeisprecher bestätigt, ging ihr Notruf um 11.45 Uhr ein.
Dass die beiden Fenster an der Fahrer- und an der Beifahrerseite jeweils einen Spalt breit heruntergelassen sind, hilft dem kleinen weißen Mischling offenbar wenig. Denn die Temperatur im Wageninneren steigt weiter an. Die Klinikmitarbeiterin fasst durch den Spalt. „Aber mein Arm ist zu kurz, ich konnte die Tür nicht öffnen.“ Sie begreift den Ernst der Lage, schlimmstenfalls droht dem Vierbeiner der qualvolle Hitzetod.
Klinik-Schwestern ziehen ihre Kittel aus und legen sie auf die Windschutzscheibe
„Wir haben unsere weißen Kittel ausgezogen und auf die Windschutzscheibe gelegt, um die Sonnenstrahlen abzuhalten“, berichtet Dopadlik, die selber Hundehalterin ist. Die Zeit, die vergeht, bis der Streifenwagen eintrifft, kommt ihr sehr lang vor. „Irgendwann kamen die Polizisten, aber sie wirkten sehr gemütlich.“
Die Krankenschwestern erwarten rasche Hilfe für das leidende Tier, doch die Polizisten hätten zunächst versucht den Halter bzw. die Halterin zu ermitteln. Die Ersthelferinnen finden dieses Vorgehen umständlich und zeitraubend: „Ist es denn nicht möglich, zuerst die Tür zu öffnen und dann den Halter festzustellen?“.
Als die Polizisten mit dem Latein am Ende sind, kommt die Feuerwehr doch
Als Dana Dopadlik die aktuelle Temperatur abfragt, zeigt ihr das Handy „Essen 33 Grad“ an. Zwischenzeitlich kommen auch Kolleginnen des Westdeutschen Protonenzentrums, um zu helfen. Passanten bleiben stehen, auch Handwerker von der nahen Klinik-Baustelle bieten ihre Hilfe. Die resoluten Frauen befeuchten jetzt die weißen Kittel auf dem Volkswagen, um die Innentemperatur zu drücken. „Mit einem Lineal oder einem Werkzeug hätten wir die Tür von innen bestimmt öffnen können, ohne sie zu beschädigen, aber das durften wir nicht.“
Minuten verrinnen, den Helferinnen kommt es vor wie eine kleine Ewigkeit. Eine Krankenschwester träufelt nun über ihre Hand frisches Wasser ins Wageninnere, um den Durst des weißen Mischlings zu stillen.
Als die Polizisten mit ihrem Latein am Ende sind, fordern sie schließlich die Unterstützung der Essener Feuerwehr an. Ihr Notruf bei der Feuerwehr geht um 12.29 Uhr ein. Erneut vergeht Zeit. „Es dauerte und dauerte“, sagt Dana Dopadlik. Als die Feuerwehrleute um 12.38 Uhr endlich eintreffen, geht es überraschend schnell. Im Einsatzbericht der Feuerwehr heißt es: Der Wagen wird zerstörungsfrei geöffnet und der Hund der Polizei übergeben. Ende des Einsatzes: kurz vor 13 Uhr.
„Dem jungen Feuerwehrmann ist es gelungen, mit dem Arm durch den Spalt zu kriegen und die Tür von innen zu öffnen.“ Eine erleichterte Klinik-Mitarbeiterin schließt den hechelnden Hund in ihre Arme. Seine Ohren sind heiß, aber Bello freut sich riesig. Er hat die Hitze-Hölle überlebt.
Als der Mischling längst gerettet ist, trifft endlich die Halterin ein
Die Klinik-Mitarbeiterinnen schauen auf die Uhr. „Zwischen erstem Notruf und Befreiung des Hundes sind mehr als 60 Minuten vergangen“, ärgert sich Dana Dopadlik. Ende gut, alles gut? „Nein, ich bin entsetzt darüber, dass die Polizei uns behindert hat.“
Die Essener Polizei weist die Vorwürfe entschieden zurück. „Ich verlasse mich auf das Urteilsvermögen der erfahrenen Kollegen, die vor Ort im Einsatz sind“, sagt Polizeisprecher Christoph Wickhorst. Die Streifenpolizisten hätten sich jederzeit besonnen und umsichtig verhalten. „Hätten sie den Eindruck gehabt, das Tier befinde sich in akuter Lebensgefahr, hätten sie es bestimmt selbst befreit.“
Das Ende des Dramas: Die Polizisten wollen den geretteten Hund dem Essener Tierheim anvertrauen, doch da trifft die Person ein, die diese dramatische Lage verursacht hat: Die Halterin ist eine junge Frau mit einem kleinen Kind. Sie nimmt ihren Hund und fährt von dannen. Eine Anzeige ist nicht erstattet worden.