Essen-Altenessen. 15 Gymnasiasten besuchen die Sommerschule der Essener Chancen. Sie wünschen sich endlich wieder ein Stück Normalität zurück.

Sie sind keine Streber: Die 15 Jugendlichen, die am Lernort Seumannstraße in den letzten zwei Ferienwochen freiwillig die Sommerschule besuchen, genießen einfach beim gemeinsamen Lernen ein Stück wiedergewonnene Normalität. Normalität, die sie in den vergangenen Monaten stark vermisst haben.

Die Sonne knallt schon am Vormittag auf die Terrasse des Pavillons: eigentlich bestes Schwimmbadwetter. Doch die 15 Schüler und Schülerinnen des Nord-Ost- und des Leibniz-Gymnasiums sitzen unter Sonnenschirmen konzentriert an ihren Aufgaben. Sie nehmen an der Sommerschule teil, die der Verein Essener Chancen – eine Sozialinitiative von Rot-Weiss-Essen – auf dem RWE-Trainingsgelände an der Seumannstraße in Altenessen anbietet.

Der zwölfjährige Oguz wartet sehnsüchtig auf den Schulanfang

Statt den Sommertag im Schwimmbad zu verbringen, lernen die 15 Schüler aus dem Nord-Ost- und dem Leibniz-Gymnasium lieber gemeinsam. Sie genießen die entspannte Atmosphäre der Sommerschule, die die Essener Chancen zum zweiten Mal anbietet.
Statt den Sommertag im Schwimmbad zu verbringen, lernen die 15 Schüler aus dem Nord-Ost- und dem Leibniz-Gymnasium lieber gemeinsam. Sie genießen die entspannte Atmosphäre der Sommerschule, die die Essener Chancen zum zweiten Mal anbietet. © FUNKE Foto Service | André Hirtz

Der zwölfjährige Oguz Yatman ist zum ersten Mal hier: Sein Englisch will er mit Hilfe der studentischen Lehrkräfte aufbessern, die als Honorarkräfte in der Sommerschule arbeiten. Alleine zu Hause lernen – das hat Oguz, der in die achte Klasse kommt, nicht gefallen und besonders bei der Fremdsprache nicht weitergebracht. Er kann es kaum erwarten, endlich wieder ganz normal in die Schule zu gehen: „Früher habe ich sehnsüchtig auf die Ferien hingefiebert. Heute warte ich sehnsüchtig auf die Schule“, sagt der Leibnizschüler.

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Die lange Pause habe ihn etwas träge gemacht, „neben meinen Freunden habe ich am meisten das Fußballtraining vermisst“. Mitzubekommen, wie sich die Eltern Sorgen wegen der Corona-Pandemie machen, auch das hat den ernsten Jungen beschäftigt.

Die spürbare Angst der Erwachsenen hat sie sehr belastet

Endlich wieder die Freundinnen treffen, einen geregelten Alltag haben und nicht den ganzen Tag zu Hause sein – das wünschen sich auch Iman Ouhaghi, Aina Hakimi und Charlie Pustolla. Die drei 14-Jährigen besuchen das Leibniz-Gymnasium und kommen nach den Ferien in die 10. Klasse. Die Pandemie hat ihnen die Leichtigkeit des Seins genommen und sie erwachsen werden lassen. „Wir konnten keinen Urlaub machen, ich konnte meine Freunde lange nicht treffen, alles ist irgendwie durcheinander und es ist ja noch lange nicht vorbei“, sagt Iman, die auch mit ihren Freundinnen über die Corona-Krise spricht.

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Gespenstisch fanden alle drei die ersten Wochen des Lockdowns, als sich jeder Tag wie ein Feiertag anfühlte. „Kaum Autos auf den Straßen, fast alle Geschäfte geschlossen, alle Spielplätze verriegelt und dann diese spürbare Angst der Erwachsenen“, zählt Aina Hakimi auf, „das hat mich sehr belastet.“

Alle Schüler kommen aus freiwilligen Stücken in die Sommerschule

Das Lernen ohne Schulbesuch fanden auch sie schwierig, gerade bei Mathe konnten die Eltern schlecht helfen. Nun lassen sie sich die Berechnung von Gleichungen von Niklas Cox erklären. Der ehemalige Basketballprofi ist der Projektkoordinator der Sommerschule. „Bei ihm verstehen wir alles und können so viel besser ins neue Schuljahr starten“, sagen die Mädchen unisono. Genau deshalb sind sie in die Sommerschule gekommen, die erst zum zweiten Mal stattfindet und von der Evonik-Stiftung gefördert wird.

Tani Capitain, Geschäftsführer der Essener Chancen, und Susanne Peitzmann von der Evonik-Stiftung haben gemeinsam das Projekt Sommerschule entwickelt.
Tani Capitain, Geschäftsführer der Essener Chancen, und Susanne Peitzmann von der Evonik-Stiftung haben gemeinsam das Projekt Sommerschule entwickelt. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

„Eigentlich wollen wir mit der Sommerschule Schüler auf die Nachprüfung vorbereiten. Doch durch Corona hat sich alles verändert“, sagt Tani Capitain. Der Geschäftsführer der Essener Chancen ist vom Lernwillen der Jugendlichen begeistert, „denn alle kommen aus freien Stücken zu uns und genießen regelrecht die entspannte Lernatmosphäre“.

Dem 14-jährigen Hjalte fehlte die Tagesstruktur

So wie Hjalte Berns: Der 14-jährige Schüler des Nord-Ost-Gymnasiums gehört zu den beiden Jugendlichen, die sich tatsächlich auf eine Nachprüfung vorbereiten müssen. „Mathe“, sagt Hjalte und seufzt. Gerade eine einzige Klassenarbeit habe er kurz vor Corona geschrieben und in den Sand gesetzt. Nun hilft ihm die Lehramtsstudentin Johanna Basner.

In den Wochen, die er zu Hause verbracht hat, sei er sehr faul gewesen, gibt er unumwunden zu. „Ich habe viel geschlafen, Netflix geguckt, am Computer gezockt und mich oft gelangweilt. Mir fehlte irgendwie die Tagesstruktur“, sagt er.

Nicht nur Hjalte, alle Teilnehmer der Sommerschule freuen sich schon auf den Schulanfang in knapp zwei Wochen. Aber sie befürchten auch, dass sich nach den steigenden Infektionszahlen wieder etwas daran ändern könnte. „Ich möchte eigentlich nur mein Leben wiederhaben, so wie es vor Corona war. Das wäre mein größter Wunsch“, sagt Aina Hakimi.

Hausaufgabenbetreuung, Bessermacher und Sommerschule

Der 2012 gegründete Verein Essener Chancen, ein Sozialprojekt von Rot-Weiss-Essen, will Kinder und Jugendliche aus allen sozialen Schichten und Kulturen ansprechen, sie involvieren und aktivieren, ihre Chancen für Schule, Ausbildung und Beruf zu ergreifen.

Als erstes wurde die Hausaufgabenbetreuung/Nachhilfe für Spieler des Nachwuchsleistungszentrums an der Seumannstraße organisiert. Dann kamen die „Bessermacher“ dazu: Zehn Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Essen-Nord-Ost büffeln dafür, den Sprung in die 10. Klasse und dann das Abitur zu schaffen.

Ein weiteres Projekt ist die Sommerschule, die von der Evonik-Stiftung unterstützt wird: Dort sollen bis zu 20 Jugendliche am Lernort Seumannstraße auf ihre Nachprüfungen vorbereitet werden.

Weitere Infos: https://www.essener-chancen.de/startseite

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