Essen. Essens OB will den Autoverkehr in der Stadt deutlich zurückdrängen. Bürgerbündnis EBB wähnt Thomas Kufen nun in den Reihen von „Auto-Hassern“.
Spätestens 2035 sollen in Essen nur noch 25 Prozent aller Verkehrswege mit dem Auto zurückgelegt werden. So, zumindest sieht es der Verkehrsplan vor, der 2019 auch unter Beteiligung der CDU im Rat beschlossen wurde. Dass Oberbürgermeister Thomas Kufen nun im Gespräch mit unserer Redaktion noch einmal deutlich Stellung für diesen Plan bezogen und nötigenfalls sogar mit Restriktionen gegen Autofahrern gedroht hat, bringt dem Christdemokraten indes auch einige Kritik ein.
„Mit Entsetzen hat das Essener Bürger Bündnis (EBB) auf den Vorstoß von OB Kufen, reagiert, den Autoverkehr noch mehr aus dem Stadtgebiet zu verdrängen. Kufen reiht sich damit in die immer größer werdende Riege der Auto-Hasser ein,“ erklärt Fraktionsvorsitzender Kai Hemsteeg. Vom Oberbürgermeister hätte er mehr Weitsicht und eine Gesamtverantwortung für die Interessen aller Essener Bürger und weniger Beliebigkeit erwartet, schimpft Hemsteeg: „Es muss endlich Schluss sein mit der Stigmatisierung breiter Teile der Bevölkerung.“
OB Kufen will notfalls restriktiv gegen Autos vorgehen
Kufen hatte zuvor erklärt, dass es möglicherweise nur mit Einschnitten und Verboten gelingen werde, 75 Prozent der Verkehrswege aus dem Umweltverbund Bus/Bahn, Radverkehr und Fußgänger zu realisieren, „wenn am Ende die Überzeugung alleine nicht reicht.“
Hemsteeg sieht darin hingegen den Beweis dafür, dass sich Kufen inzwischen weit von der Realität entfernt habe, um die Gunst der Grünen für eine Koalition nach der Kommunalwahl am 13. September zu erlangen. „Dafür schwimmt der OB im populistischen Sog des Mainstreams mit. Das ist mehr als lausig“, schimpft Hemsteeg.
Der aktuelle Radfahrer-Hype ändere nach Einschätzung des EBB nichts daran, dass der überwiegende Teil der Essener Bevölkerung zu den Autofahrern zählt. Tatsächlich ist Essen nach der letzten verfügbaren repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2018 von den Vorstellungen des OB noch sehr weit entfernt: demnach legten die Bürger 55 Prozent aller Wege mit dem Auto zurück, 19 Prozent mit Bus und Bahn, ebenfalls 19 Prozent zu Fuß und nur sieben Prozent mit dem Fahrrad.
Kritik von den Grünen
Kritik für Kufen gibt es allerdings nicht nur von der EBB, sondern auch vom Grünen OB-Kandidaten Mehrdad Mostofizadeh: „Es ist erfreulich, dass sich der OB an Ratsbeschlüsse halten will und zumindest verbal die richtigen Schlüsse daraus zieht. Nur sieht die Realität in Essen völlig anders aus: 116 Millionen Euro Investitionen in den Straßenbau stehen weniger als zwei Millionen im Radwegebau gegenüber.“ Mostofizadeh wirft Kufen wahltaktisches Kalkül vor und spricht von einem „durchschaubarem Manöver einerseits den Beschluss zu betonen, aber für dessen Umsetzung nichts zu tun.“
„Wie wäre es“, fragt der Grünen-Politiker, wenn Essen sich mit der kurzfristigen Verwirklichung einer Radspur von Heidhausen bis Altenessen und sicheren Kreuzungen für Fuß- und Radverkehr an Straßen, an die Spitze im Ruhrgebiet setzen würde. „Dafür wäre es sicher hilfreich, auch selbst im Alltag Fuß- und Radwege und den ÖPNV zu benutzen“, stichelt Mostofizadeh
Reaktionen einiger Leser auf die Aussagen von OB Thomas Kufen
Für einigen Verdruss sorgt die Ankündigung des OB auch bei einigen Lesern dieser Zeitung. So kommentiert Hans Weckmüller beispielsweise: „Die Aussage des OB erinnert mich stark an die Worte ,und bist du nicht willig, dann brauch ich Gewalt’. Für ein gewähltes Stadtoberhaupt ist das der falsche Ansatz. Ich hoffe, die Wähler vergessen diese Aussagen nicht.“
Der Haarzopfer Ulrich Hölscher schreibt: „Danke, Herr Kufen! Endlich mal eine klare Ansage zur rechten Zeit. Das gibt genügend Zeit, mir bis zu den Kommunalwahlen darüber klar zu werden, ob ich einen (Verkehrs-)Erzieher brauche/möchte.“
Vom Betrug am Wähler, spricht gar Leserin Monika Berg und lässt ihrer Enttäuschung über Kufen freien Lauf: „Meine Stimme bekommen er und die CDU nicht mehr! Nun bekommt man schon eine Ökodiktatur, wenn man die CDU wählt. Herr Kufen, noch entscheide ich nach dem Grundgesetz wie ich mich fortbewege, nicht Sie. Seit wann wird hier eigentlich ständig in diesem Land nur noch Politik für Minderheiten gemacht?“
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