Essen. OB Kufen hält am Ziel fest, den Autoverkehr bei der Wege-Quote langfristig auf 25 Prozent zu drücken. Dafür müsse Straßenraum umverteilt werden.

Oberbürgermeister Thomas Kufen will sich von Protesten und Bedenken gegen die Verkehrswende in Essen im Grundsatz nicht beirren lassen und schließt zur Durchsetzung dieses Ziels auch Restriktionen gegenüber dem Autoverkehr bewusst nicht aus. „Ich gehe davon aus, dass mehr Bürger ihr Auto stehenlassen, wenn wir den Radverkehr, den Öffentlichen Personennahverkehr und das Zufußgehen stärken“, so Kufen. Falls diese Erwartung sich als falsch herausstelle, „müssen wir restriktiver vorgehen“.

Bei der letzten Umfrage lag das Auto in Essen noch mit 55 Prozent unangefochten vorn

Grundlage bleibe der unter Beteiligung auch der CDU im Jahr 2019 herbeigeführte Ratsbeschluss, wonach der Anteil des Autoverkehrs an den in Essen zurückgelegten Verkehrswegen bis zum Jahr 2035 auf 25 Prozent sinken soll. Nach der letzten verfügbaren repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2018 ist Essen davon noch sehr weit entfernt: demnach legten die Bürger 55 Prozent aller Wege mit dem Auto zurück, 19 Prozent mit Bus und Bahn, ebenfalls 19 Prozent zu Fuß und nur sieben Prozent mit dem Fahrrad.

Der Anteil der Autofahrten hatte sich gegenüber der letzten Umfrage 2011 sogar noch leicht erhöht. Dass sich dies seit 2018 bis heute gravierend geändert hat, ist wenig wahrscheinlich, im Gegenteil. Im Zuge der Corona-Krise dürfte neben dem Fahrrad auch der Anteil des Autos weiter gestiegen sein, schon weil viele Menschen aus Sorge vor Ansteckung öffentliche Verkehrsmittel meiden.

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Das Auto scheint jedenfalls des Esseners liebstes Verkehrsmittel zu bleiben. Ein Grund, den Ratsbeschluss zu revidieren, sei diese Verhalten der Bürger indes nicht, betonte der Oberbürgermeister: „Aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes, aber auch weil es die Stadtqualität hebt, halten wir am Ziel des sinkenden Autoverkehrs fest.“

OB bedauert, dass Essen unter vergleichbaren Großstädten den höchsten Auto-Anteil hat

Diesen Weg gingen auch andere deutsche Großstädte, die schon jetzt deutlich weniger Autoverkehr als Essen haben. Kufen nannte als Beispiele Düsseldorf (40 Prozent), Stuttgart (45 Prozent), Frankfurt (35 Prozent) oder auch Dortmund (47 Prozent). „Von allen deutschen Großstädten hat Essen den höchsten Anteil am motorisierten Individualverkehr“, so der OB bedauernd.

„Wenn wir eine Entwicklung wie in anderen Städte ebenfalls wollen, der Straßenraum aber nicht größer wird, dann muss der Autoverkehr etwas abgeben“, so der OB. In einem Interview mit dem Leiter des Essener „Viel-Respekt-Zentrums“, Ali Can, wurde Kufen vor einigen Wochen sogar noch deutlicher: „Den Plan, bis 2035 vier mal 25 zu erreichen, also 75 Prozent der Verkehrswege aus dem Umweltverbund Bus/Bahn, Radverkehr und Fußgänger, werden wir am Ende nicht nur durch Überzeugung umsetzen können, sondern natürlich auch sehr viel stärker – wenn es nicht die erwünschten Erfolge bringt – über Einschnitte und Verbote.“

Wenn Angebote nicht angenommen werden, sollen Einschnitte und Verbote folgen

Einschnitte und Verbote - das klingt eher nach den Grünen als nach einem CDU-Politiker. Im Gespräch mit dieser Redaktion lässt Kufen seine Forderungen etwas freundlicher klingen: „Wenn ich die Diskussionen um die Rüttenscheider Straße verfolge, könnte man den Eindruck bekommen, Autofahren werde dort verboten.“ Das aber sei weder dort noch an anderen Stellen im Stadtgebiet vorgesehen. „Der Radverkehr bestimmt dort künftig lediglich das Tempo.“ Das, so Kufen, sei für Autofahrer zumutbar. „Es wird in Essen keinen Autokrieg geben.“

Gleichzeitig wolle er die Fußgänger von der Konkurrenz durch Radfahrer auf den Gehwegen befreien. „Für mich sind das die schwächsten Verkehrsteilnehmer, aber sie haben eine deutlich weniger laute Lobby als die Radfahrer.“ Mit dem früheren Leiter der Verkehrsdirektion der Essener Polizei, Wolfgang Packmohr, engagiere sich nun ein Fachmann für die Fußgänger. „Das begrüße ich sehr.“

Er nehme diejenigen Bürger beim Wort, die sagen, sie seien bereit das Auto stehen zu lassen, wenn die Alternativen ausreichend attraktiv sind. Bei aller Bereitschaft, sich notfalls mit Autofahrern anzulegen, sieht sich der OB allerdings selbst weiterhin als Pragmatiker und nicht als Ideologe einer Verkehrswende, sagt er. „Essen muss wirtschaftlich funktionieren, dazu gehört auch ein Anteil Autoverkehr.“ Auch dafür stehe er.