Essen-Überruhr. Mangelndes Sicherheitskonzept und blinde Zerstörungswut beklagen Fahrgäste am Bahnhof in Essen-Überruhr. Und fordern Auswertung der Kamerabilder.
Fehlende oder uneffektive Videoüberwachung, kein Sicherheitskonzept und immer wieder Vandalismus: Diese Zustände beklagen Fahrgäste wie Anne Schoonhoven-Häffner (64) nicht nur am Bahnhof Überruhr-Holthausen, sondern regelmäßig auch etwa in Kray oder Kupferdreh. In Überruhr aber sei es in den vergangenen sechs Monaten besonders schlimm geworden. Dabei gebe es dort sogar Kameras.
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„Nach über sechs Monaten wurde immerhin der zerstörte Aufzug in Richtung Wuppertal endlich repariert“, beschreibt die 64-Jährige die Situation. Für die vielen älteren und gehbehinderten Menschen im Stadtteil, die in Altenwohnungen, behindertengerechten Wohnungen oder im Altenheim am Bahnhof Holthausen lebten, ein Festtag. „Leider mischt sich darin auch ganz viel Wut, weil in der Nacht zuvor an dem bisher funktionierenden Aufzug Richtung Hauptbahnhof wieder zwei Türen eingeschlagen wurden, zum zweiten Mal“, sagt sie. „Das kann doch so nicht weitergehen.“
Folgen der Zerstörungswut treffen Menschen im Rollstuhl besonders hart
Neben Anne Schoonhoven-Häffner ist Anke Schniederjahn am Bahnhof. Sie sitzt im Rollstuhl, die Zerstörungswut trifft sie daher besonders, wenn die Aufzüge ausfallen. Gleiches gelte für Mütter oder Väter mit Kinderwagen oder diejenigen, die auf einen Rollator angewiesen seien, hat eine weitere Bahnkundin die Hilflosigkeit der Personen oberhalb des Bahnsteigs beobachtet.
Den Schaden schätzen die Fahrgäste auf Tausende. Die Folgen, die alle spürten: Bahnkunden hätten keine Wartehäuser mit Schutzglas für Regen, keine Infotafeln mit Zugplänen, keine Aufzüge. „Es wird anfangs versucht, alles wieder zu erneuern, aber es scheint kein funktionierendes Sicherheitskonzept zu geben, obwohl am Bahnhof vor jedem Aufzug und auf jedes Gleis eine Kamera gerichtet ist.
Immer wieder hörten Anwohner nachts, wie Glasscheiben eingeschlagen würden
Die 64-Jährige selbst hatte bereits Anfang des Jahres beobachtet, wie zwei junge Männer sich am Aufzug zu schaffen machten. Sie wandte sich damals an Bahn und Bundespolizei – erfolglos. Nun fragt sie sich, ob der Bahnhof überhaupt überwacht werde. Und möchte auch die Politik aufrütteln.
Dabei würde es doch reichen, wenn die Videoüberwachung in der Zeit von circa 22 Uhr bis 2 Uhr morgens stattfinden würde. „Es war meistens in der Zeit um Mitternacht, wenn Anwohner einen Knall hörten, den sie nicht zuordnen konnten und am nächsten Tag sah man am Bahnhof einen Glasschaden“, beschreibt sie, was die Anwohner erleben. Wenn dann jemand den Bahnhof im Blick halte, könnte doch die Polizei gerufen werden.
Defekte Aufzüge, beschädigte Anzeigetafeln für Zugpläne und zerschlagene Scheiben
An die Bahn habe sie bereits geschrieben, gleich an mehrere Stellen, habe darin Missstände wie defekte Aufzüge, beschädigte Anzeigetafeln für Zugpläne und zerschlagene Scheiben (allein etwa 18 zerstörte Glaswände hat sie notiert) geschildert, einen Ansprechpartner für das Problem der Bahnkunden in Holthausen jedoch nicht gefunden.
„Vandalismus ist bei der DB ein Schwerpunktthema“, antwortet eine Bahnsprecherin auf Anfrage der Redaktion. Allein im Jahr 2019 habe das Unternehmen rund 3,6 Millionen Euro in die Beseitigung von Vandalismus- und Graffitischäden an den Bahnhöfen in NRW investiert. „Geld, das wir lieber für unsere Kunden einsetzen würden“, ergänzt sie.
Für die Sicherheit arbeiten Deutsche Bahn und Bundespolizei zusammen
In Essen-Holthausen seien bereits im Frühjahr die Scheiben der Aufzüge, der Vitrinen und des Wetterschutzhauses durch Vandalismus zerstört worden. Diese Schäden seien in der Zwischenzeit beseitigt worden – „leider wurde der Aufzug Ende Juni erneut beschädigt“. Um diesen dann wieder instand zu setzen, hätten spezielle Ersatzteile bestellt werden müssen, erklärt sie die Verzögerung bei der Reparatur.
Service, Sicherheit, Sauberkeit: Das Konzept der Bahn
Zum Sicherheitskonzept der Bahn erklärt eine Sprecherin: „Jeder Bahnhof ist an eine 3-S-Zentrale angeschlossen.“ Dieses Konzept beinhalte Service, Sicherheit und Sauberkeit und stehe für den sicheren und kundenorientierten Betrieb des Bahnhofs.
„In der 3-S-Zentrale laufen rund um die Uhr alle wichtigen Informationen zum Betriebsablauf im Bahnhof zusammen“, erläutert sie weiter. An einigen Bahnhöfen könnten Kunden zudem über vorhandene Notruf- und Informationssäulen jederzeit direkt Kontakt zu der 3-S-Zentrale aufnehmen.
Zu erreichen sei die 3-S-Zentrale Essen telefonisch unter: 0201/1821055. Diese Nummer sei auch auf entsprechenden Plakaten am Bahnhof zu finden.
Der Kritik am fehlenden Sicherheitskonzept widerspricht sie: „Die Sicherheit von Kunden und Mitarbeitern hat für die DB höchste Priorität. Dafür arbeiten Bundespolizei und DB eng zusammen.“ Dabei stelle die Videoüberwachung neben der Präsenz von Sicherheitspersonal eine wichtige Säule des umfassenden Sicherheitskonzepts dar.
Für die Bahn diene die Videotechnik jedoch in erster Linie der Beobachtung und Überwachung betrieblicher Abläufe und zur Hausrechtswahrung. Abwehr von Gefahren und Strafverfolgung auf Bahnhöfen und in Zügen obliege der Bundespolizei. Ausschließlich diese habe Zugriff auf die gespeicherten Bilder.
Bundespolizei nutzt Kamerabilder regelmäßig für weitere Ermittlungen
Die werden auch ausgewertet, wenn es Hinweise auf Straftaten oder die Täter gebe: Dann würden die Aufnahmen laut Bundespolizei für weitere Ermittlungen genutzt, Bildabgleiche seien eine Option. Im weiteren Verlauf, wenn die Staatsanwaltschaft grünes Licht gebe, sei grundsätzlich auch eine Öffentlichkeitsfahndung möglich.
Für Essen-Holthausen gebe es in diesem Jahr Sachbeschädigungen im einstelligen Bereich, aktuell aber keine Anhaltspunkte, um die Kamerabilder auszuwerten. Stellten die Beamten eine Zunahme an Taten fest, folgten regelmäßig verstärkt Streifengänge. Einen Schwerpunkt stelle der Bahnhof für die Bundespolizei aber nicht dar.
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