Essen-Altenessen. Für die Menschen in Essen-Altenessen wäre die Schließung des Marienhospitals eine Katastrophe. Sie fühlen sich wie Bürger 2. Klasse.
So grau wie der Himmel, so grau ist auch die allgemeine Stimmung in Altenessen: Schon lange haben die Bürger das Gefühl, dass der Essener Norden im Gegensatz zum Süden immer weiter abgehängt wird. Vernachlässigte, verdreckte und defekte U-Bahnhöfe und Straßen, fehlende Verkehrskonzepte, Clankriminalität und jetzt auch noch die angekündigte Schließung des Marienhospitals – all das werde den gesellschaftlichen Spaltungsprozess noch weiter befeuern, lautet die einhellige Meinung.
„Für uns ältere Menschen ist die Schließung des Marienhospitals eine Katastrophe. Ich habe drei Stents. Wenn mir was Ernstes passiert, dann habe ich große Angst, zukünftig zu spät in die Notaufnahme zu kommen“, sagt die Altenessenerin Helene Schmidt, die gerade vom Einkauf aus dem Allee-Center kommt und schüttelt dabei resigniert den Kopf.
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Zurzeit gebe es im Stadtteil und auch in ihrem Freundes- und Familienkreis kein anderes Thema als das bevorstehende Klinik-Aus. „Dabei hatten wir zunächst so viele Hoffnungen in einen Klinikneubau gesetzt. Das hätte Altenessen tatsächlich einen großen Aufwärtsschwung gegeben“, so die 76-Jährige. Nun gehe es nur noch weiter abwärts, ist sie überzeugt. Doch am meisten frustriert sie, „dass diese Entscheidung so mir nichts, dir nichts, über die Köpfe der Menschen hinweg getroffen wurde. Als wenn wir gar nicht zählen würden“.
Keiner von Contilia habe bislang mit dem Personal gesprochen, behaupten zwei Mitarbeiterinnen
Ein paar Meter nur sind es vom Einkaufscenter bis zum Krankenhaus. Auf dem Weg dorthin fällt natürlich sofort das Plakat auf, das am Karlsplatz hängt und ein Überbleibsel der ersten Demonstration am vergangenen Freitag, 3. Juli, gegen die Schließung ist: „Das Marienhospital muss erhalten bleiben!“ steht in großen Lettern darauf. Direkt vor dem katholischen Krankenhaus, das zur Contilia-Gruppe gehört, herrscht geschäftiges Treiben: Besucher kommen und gehen, Patienten stehen rauchend auf dem Bürgersteig davor, ein Krankenwagen fährt gerade die Notaufnahme an.
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Zwei Mitarbeiterinnen der Reinigungsfirma sind mit ihrer Frühschicht fertig und erzählen ein wenig über ihre Ängste und über die Stimmung im Hospital: „Keiner von Contilia hat bislang mit uns gesprochen. Wir haben übers Internet und durch die Presse über die bevorstehende Schließung und damit über den wahrscheinlichen Verlust unseres Arbeitsplatzes erfahren. So geht man doch nicht mit Mitarbeitern um!“, empören sich beide, die aus verständlichen Gründen nicht ihren Namen in der Zeitung lesen möchten. „Ich arbeite hier über zehn Jahre. Wir sind ein gutes Team, eine richtige Arbeitsfamilie, die jetzt auseinanderdriftet“, bedauert eine der beiden Mitarbeiterinnen, die sich auch große Sorgen um die älteren Kolleginnen und die Alleinerziehenden macht. „Ob die noch einmal eine neue Stelle finden? Ich bezweifel das.“ Auch die Atmosphäre im Haus sei schlimm und gereizt, „da macht sich Hoffnungslosigkeit breit“.
Viele sind überzeugt, dass das Marienhospital schon vor der Schließung Personal verlieren wird
Das bestätigt eine weitere Mitarbeiterin aus der Pflege, die ebenfalls anonym bleiben möchte. „Viele von uns sind schon dabei, sich einen neuen Job zu suchen.“ Schon vor der Schließung Ende des Jahres werde die Klinik viel Personal verlieren, davon sei sie überzeugt.
Der Altenessenerin Dagmar Lauffs fehlen die Worte, um ihre Enttäuschung und ihre Wut über die drohende Schließung auszudrücken. „Meine Kinder sind hier geboren. Das ist einfach unser Krankenhaus, das schnell zu erreichen ist. Das ist ja auch für uns ein Stück Sicherheit, diese schnelle und gute Versorgung“, sagt die ehemalige Krankenschwester. Sie könne sich nicht vorstellen, dass nur noch das Borbecker Philippusstift den gesamten Essener Norden versorgen kann. „Da stirbst du doch eher, als dass du ein Bett bekommst“, lautet ihre Angst.
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Immer noch hofft sie auf eine andere Lösung und setzt dabei auch auf die Vermittlung und das Engagement der lokalen Politiker, allen voran Oberbürgermeister Thomas Kufen. Der habe sich ja sehr ins Zeug gelegt und den Menschen in Altenessen versprochen, dass es auch in Zukunft eine medizinische Versorgung geben werde.
Die Schließung des Marienhospitals werde auch politische Folgen haben, prophezeit ein Altenessener
Denn die sei unverzichtbar, das sagen alle Befragten. Aber nicht alle trauen der Politik und den Politikern „Uns in Altenessen wurde schon so viel versprochen. Ich glaube diesen Sprüchen nicht mehr“, sagt Friedel Kubitza. Für ihn ist klar: „Altenessen wird abgehängt.“ Das werde langfristige Folgen haben – auch politisch, davon ist er überzeugt. „Leider“, sagt er.
„Erst hieß es, Altenessen bekommt ein hochmodernes Krankenhaus, dann sollte doch alles so bleiben wie es ist, und jetzt auf einmal kommt das Aus. Wir fühlen uns verschaukelt“, sagt auch Udo Zaycek. Und für Jürgen Skrzypek stellen sich ganz andere Fragen: „Wie kann man bloß auf die Idee kommen und in Corona-Zeiten Krankenhausbetten abbauen? Wir wissen doch noch gar nicht, ob es nicht eine zweite Welle geben wird?“
Nächste Demonstration auf dem Burgplatz
Am kommenden Montag, 13. Juli, gibt es um 17 Uhr erneut eine Demonstration gegen die Schließung der beiden Kliniken in Stoppenberg und Altenessen.
Das Motto der Demo lautet: Wir pfeifen auf die Contilia.
Da mehr als 150 Teilnehmer erwartet werden, findet die Demonstration nicht, wie zunächst geplant, auf dem Rathausvorplatz, sondern auf dem Burgplatz statt.
Auch Oberbürgermeister Thomas Kufen habe laut Veranstalter sein Kommen zugesagt und wolle zu den Teilnehmern reden.