Essen. Es ist der Versuch, zu retten, was zu retten ist. Doch die Demo für den Krankenhaus-Erhalt wird überlagert vom Frust am runden Tisch tags zuvor.
Für die „Schämt Euch!“-T-Shirts haben sie „Vampirblut“ aus der Flasche mitgebracht. Das passt, denn von den hunderten Demonstranten, die am späten Freitagnachmittag auf dem Marktplatz in Altenessen für den Erhalt der Krankenhaus-Landschaft im Norden der Stadt demonstrierten, würden nicht wenige liebend gern den Chefs des Klinikbetreibers Contilia an die Gurgel gehen. Gemeinsam will man nun „kämpfen“, um bei den Kliniken zu retten, was zu retten ist. Doch das, so zeigte der „runde Tisch“ am Tag zuvor, ist womöglich weniger als viele sich erhoffen.
Oder wie es einer der Teilnehmer am runden Tisch so schön sarkastisch formulierte: „Meine nicht vorhandenen Erwartungen wurden voll erfüllt.“ Die Contilia habe sich dem ganzen Frust, der Enttäuschung und Verärgerung gestellt, habe geduldig zugehört, als die unterschiedlichen Teilnehmer Dampf abließen – aber das sei auch schon das Positivste des gesamten Abends gewesen.
Keine Antwort auf die Frage, wie die drohende Lücke zu stopfen wäre
Es gibt absehbar kein Zurück von der Schließung zweier Krankenhäuser, kein Zurück von dem, was viele im Norden als gesundheitspolitischen „Kahlschlag“ empfinden. Und es gibt, was manchen eher ängstigte als wütend machte, noch keine Antwort auf die Frage, wie jene drohende Lücke zu stopfen wäre, die im Norden der Stadt klafft, wenn Marienhospital und St. Vincenz zum Jahresende dicht machen und die angekündigte bauliche Ertüchtigung am Borbecker Philippusstift noch Monate, womöglich Jahre auf sich warten lässt.
Oberbürgermeister Thomas Kufen, der in allen drei betroffenen Stadtteilen die Beteiligten an einen Tisch holen will, hat es sich zum Ziel gesetzt, „eine ambulante und stationäre Versorgung im Stadtteil zu gewährleisten“. Aber wie das gehen soll, wenn die Stadt einen Krankenhaus-Betrieb auf eigene Faust ablehnt und Contilia nur von ambulanten Netzwerken raunt, bleibt völlig offen.
Mancher sieht hinter der Unsicherheit für die Mitarbeiter ein Kalkül
Nicht einmal die Schließungstermine – Ende September für jene Fachabteilungen, die aus dem Norden endgültig abwandern (Urologie, Onkologie, Geburtshilfe), Ende Dezember für den kompletten Klinikbetrie
b in Altenessen und Stoppenberg – wurden im großen Kreis wasserdicht bestätigt.
Mancher vermutet dahinter Kalkül: Wenn die Unsicherheit des eigenen Jobs Ärzte wie Pflegekräfte zwingt, sich anderweitig umzuschauen, würden die Pflegeschlüssel zu irgendeinem Zeitpunkt unter die gesetzlichen Vorgaben fallen und man sozusagen „gezwungen“, den Laden dicht zu machen.
„Gestern noch Helden, heute der Arschtritt.“
Tatsächlich ist es intern bereits ein offenes Geheimnis, dass ganze Ärzteteams zu anderen Krankenhäusern, auch in Nachbarstädten, abwandern. Pflegekräfte orientieren sich um, und zurück blieben die 55-Jährigen und älteren, wie Demo-Organisator Karlheinz Endruschat beklagt. Das passende Transparent dazu mit deftigem Spruch war in der versammelten Demonstrantenschar zu finden: „Gestern noch Helden, heute der Arschtritt.“
Contilia, so der Eindruck vieler Teilnehmer, kümmert das nicht sonderlich. OB Kufen machte am runden Tisch deutlich, dass er vom Klinikbetreiber erwartet, in nächster Zeit wenigstens keine Fakten zu schaffen.
OB bringt offenbar den Allbau als Grundstückskäufer ins Spiel
Denn dem Stadtoberhaupt schwebt vor, die Standort von St. Vincenz-Hospital und Marienhospital nach der Aufgabe als Krankenhäuser unter städtischen Fittichen zu halten. Dazu könnte etwa die städtische Wohnungsbaugesellschaft Allbau die Grundstücke für eine geordnete Stadtentwicklung anzukaufen.
Auf diese Weise wäre es auch möglich, die Notfallversorgung im Norden der Stadt zu sichern oder Ärztehäuser zu etablieren. Dass dies ein Krankenhaus nicht ersetzt, ist gleichwohl allen Beteiligten klar.