Essen. Wut treibt die Mitarbeiter der zur Schließung anstehenden Krankenhäuser im Norden auf die Straße. Ein Privater Käufer hätte den Neubau umgesetzt.
Die massive Kritik, die Klinik-Betreiber Contilia von Politikern und Bürgern für seine Schließungs-Pläne einstecken musste, reißt nicht ab. Jetzt machen auch die Mitarbeiter der beiden betroffenen Krankenhäuser Marienhospital und St. Vincenz mobil: Sie wollen am Freitag bei einer Demonstration in Altenessen ihrer „Enttäuschung, Trauer, Wut und Fassungslosigkeit“ freie Bahn lassen. Nach der „Achterbahn der Gefühle“, die ihnen das Klinik-Management in den vergangenen zwei Jahren zugemutet habe, kommen sie zu einer bitteren Erkenntnis: „Viele hätten lieber einen Verkauf gesehen, als den nächsten Lügen entgegenzugehen!“ Dabei war die Chance auf den Neubau mitten in Altenessen offenbar greifbar nah.
Dies jedenfalls legt ein erst wenige Tage altes Schreiben der Contilia-Chefetage ans NRW-Gesundheitsministerium nahe, das dieser Redaktion vorliegt. Dort heißt es wörtlich, „der potenzielle Erwerber“ des katholischen Klinikverbundes KKE habe „eindeutig schriftlich erklärt, dass er einen Plan für die Umsetzung eines 725-Betten-Krankenhauses im Essener Norden verfolgen wird“.
Schon heute suchen 55 Prozent der Nord-Essener eine Klinik im Süden auf
Dennoch signalisierte Contilia schon ein paar Zeilen weiter, man habe sich die Sache mit dem Verkauf doch nochmal anders überlegt: Und sei abgerückt von der Grundannahme, dass es da nördlich der A40 diesen einen großen Krankenhaus-Standort als Anlaufstelle in nahezu allen gesundheitlichen Fragen geben müsse. Dass es auch anders gehe, bilde die Versorgungsrealität doch schon ab: „Bereits heute verlassen 55 % der Bürger der nördlichen Stadtteile Essens den Essener Norden, um sich einer stationären Behandlung zu unterziehen.“
Schlussfolgerung für den Klinikbetreiber: Es reicht, für Patienten mit Herzinfarkt, Schlaganfall oder akuten Bauchbeschwerden die stationäre Notfall-Versorgung im Borbecker Philippusstift zu konzentrieren und
dort auch sonst die wohnortnahen OPs und Therapien abzuwickeln. Alles andere lasse sich in anderen Krankenhäusern abwickeln, im Zweifel südlich der A40.
Klinik-Betreiber Contilia wirbt im Zweifel für die Angebote der Konkurrenz
Klare Ansage: Wer in den Bereichen Gynäkologie und Geburtsheilkunde, Urologie und internistische Onkologie eine Klinik aufsuchen muss oder will, der wird im Norden der Stadt künftig nicht mehr fündig. Nach Ansicht der Contilia kein Problem: „Hier existieren in anderen Essener Krankenhäusern qualitativ hochwertige Alternativen, um betroffene Patienten bestmöglich zu behandeln.“
Wer Beschwerden mit Bauchspeicheldrüse und Speiseröhre hat, den schickt man fortan also ins Elisabeth-Krankenhaus, Turmor-Erkrankte werden ans Uni-Klinikum weitergereicht, und für Entbindungen stünden neben Elisabeth und Uni-Klinik ja auch Kliniken in Gelsenkirchen oder Oberhausen parat.
540 Betten weniger zum Jahresende – doch der Ausbau lässt auf sich warten
Alles in allem stünde unterm Strich ein Abbau von 540 der zur Zeit noch 1090 Krankenhaus-Betten im Essener Norden: Es verblieben nur das Philippusstift mit 450 und Haus Berge mit 98 Betten. Letzteres sei „weitestgehend auf dem Stand moderner Technik“, der Klinik in der Mitte Borbecks stehe allerdings „in nahezu allen Bereichen eine baulich-technische Erweiterung, Umstrukturierung und Modernisierung“ ins Haus. So soll etwa die Notaufnahme an anderer Stelle neu entstehen.
Entsprechende Bauanträge aber liegen im städtischen Planungsamt überhaupt noch nicht vor, wie auch: Contilia hat ja selbst signalisiert, dass man jetzt erst in die Planung einsteigt. Folge: Zwischen der angepeilten Schließung der beiden Krankenhäuser in Altenessen und Stoppenberg zum Jahresende und der baulichen Fertigstellung in Borbeck dürften Monate, wenn nicht gar Jahre vergehen.
Aus Angst vor Repressalien meldet ein Ratsherr die Mitarbeiter-Demo an
Für viele Betroffene ist auch dies Hinweis darauf, dass das Konzept mit heißer Nadel gestrickt ist – wie so oft in der Vergangenheit: Immer wieder, so heißt es, habe es von der Contilia-Spitze Pläne und Zusagen gegeben, mit denen sogar ganze Ärzte-Teams abgeworben wurden. Nur um später alles wieder einzukassieren. Darum der „Lügen“-Vorwurf, darum auch die Angst, als Kritiker am eigenen Haus aufzutreten.
Aus Angst vor Repressalien hat man den ehemaligen SPD- und heutigen SLB-Ratsherrn Karlheinz Endruschat aus Altenessen gebeten, die Demo am Freitag zu organisieren. Das Echo ist größer als gedacht, berichtet dieser, wohl auch, weil Covid-19 einem arbeitsrechtlichen Folgen erspart: einfach den Mund-Nasen-Schutz überziehen.