Essen. Betriebe oder Gebäude, die sich zu Virus-Hotspots entwickeln könnten, sind derzeit in Essen nicht zu sehen, sagt Gesundheitsdezernent Renzel.

Seit fast vier Monaten dreht sich die Arbeit von Peter Renzel jetzt um das Coronavirus und die Folgen für Essen, am Wochenende hat sich der städtische Gesundheitsdezernent nun erstmals in einen Kurzurlaub verabschiedet. Renzels Zwischenbilanz der örtlichen Corona-Lage lässt sich so zusammenfassen: Man sei wachsam, aber zurzeit gelassen und verfüge über deutlich mehr Wissen als am 1. März, als bei einem Essener die erste Infektion nachgewiesen wurde. Mittlerweile haben die Krankheit fast 1000 Essener durchgemacht, die meisten ohne oder mit nur geringen Symptomen.

Personal im Gesundheitsamt wird dauerhaft aufgestockt

Mögliche Hotspots wie etwa Fleischfabriken oder auch Hochhauskomplexe mit problematischer Bewohnerstruktur gebe es in Essen nicht, sodass für den Moment eine gewisse Entspannung angebracht sei. „Allerdings blicken wir mit Spannung auf den Herbst, wenn die Erkältungssaison beginnt“, sagt Renzel. Es werde dann entscheidend sein, harmlose Schnupfenviren und potenziell tödliche Covid-19-Viren rasch zu unterscheiden.

Um gewappnet zu sein, bedürfe es auch ausreichend Personal. „Das Gesundheitsamt wird dauerhaft aufgestockt“, kündigte Renzel an. Der entscheidende Faktor bei der Kontrolle des Virus seien genügend Kapazitäten, um die Infektionsketten schnell nachzuvollziehen und mit Quarantäne zu durchbrechen.

Seit Mai hat sich die Zahl der an oder mit Corona Verstorbenen nicht mehr erhöht

Seit Mai hat sich die Zahl der mit oder an Corona verstorbenen Menschen nicht mehr erhöht, die Trauerkerze, die der 57-Jährige bei Todesfällen regelmäßig symbolisch in seinem Facebook-Blog entzündete, kam schon lange nicht mehr zum Einsatz. Damit es möglichst bei den bislang 41 Verstorbenen bleibt, ist Renzel zufolge eines entscheidend: dass in den Pflegeeinrichtungen, in Krankenhäusern und Seniorenheimen weiterhin alles getan wird, Patienten und Bewohner zu schützen.

Schwere und tödliche Krankheitsverläufe trafen in Essen fast immer betagte Menschen, viele lebten in Seniorenheimen. Als die enorme Gefahr klar wurde, besuchten die städtischen Experten in einem Kraftakt innerhalb weniger Tage alle Einrichtungen, empfahlen Schleusen und die Bildung so genannter Kohorten unter den Bewohnern. Es galt unmenschliche Vereinzelung zu vermeiden, aber auch unkontrollierbare Zusammenkünfte zu vieler Menschen.

Lockerungen in Betreuungseinrichtungen zum 1. Juli bereiten einige Sorgen

„Die Einrichtungen haben unsere Empfehlungen alle umgesetzt, das läuft wirklich gut“, lobt Renzel, der allerdings mit einiger Sorge auf den 1. Juli blickt. Die zeitliche Begrenzung bei Besuchen und die Begrenzung der Besucherzahl werden dann aufgehoben, auch können Bewohner wieder Verwandte und Freunde in ihrem Zimmer empfangen. „Ich hoffe sehr, dass alle vernünftig bleiben und es keine Übertreibungen gibt.“

In der ewigen Streitfrage um die Testungen bleibt Renzel bei seiner, nun seit Monaten vertretenen Haltung: Anlasslose Massen-Tests auf das Coronavirus ohne jede Symptomatik und ohne Hinweis auf riskante Kontakte seien Geldverschwendung, Aktionismus und vermittelten nur eine Scheinsicherheit. „Mehr als 99 Prozent der anlasslos Getesteten sind negativ“, wird Renzel nicht müde zu wiederholen.

Massentests machten nur Sinn, wenn man sie ständig wiederholt, was unmöglich sei

Andererseits könne der negativ getestete Mensch schon einen Tag später positiv sein, sodass der Massentest eigentlich alle zwei Wochen wiederholt werden müsste, um Sinn zu ergeben - für mehr als 80 Millionen Bundesbürger wohl ein unmögliches Unterfangen. Das Thema ist längst ein Politikum, das erneute Vorpreschen von Bayers Ministerpräsident Söder dürfte dies noch weiter befeuern.

Der Gesundheitsdezernent sieht sich im Einklang mit der Fachwelt, wenn er dies ablehnt und stützt sich in solchen Fragen auf den Direktor des Instituts für Virologie des Uniklinikums Essen, Prof. Ulf Dittmer. Die Zusammenarbeit mit der Stadt nennt Renzel „symbiotisch“, und er macht klar, wie froh er darüber ist, solche Kapazität in der eigenen Stadt zu wissen.

Kurze Entscheidungswege

In der internen Organisation zählt nach Ansicht von Peter Renzel zu den großen Vorteilen in Essen, dass der Verwaltungsvorstand unter Vorsitz des Oberbürgermeisters in Personalunion auch den Krisenstab zu Corona bildete. „Das war sehr wichtig, denn dadurch gab es immer kurze Entscheidungswege.“

Schließlich habe man sich bereits seit 2009 in der Essener Stadtverwaltung mit Pandemieplanung beschäftigt. „Das hat uns sehr geholfen, als es dann ernst wurde.“