Essen. Beim Projekt „Empower Refugees“ haben Flüchtlinge in der Kraftwerksschule ihre Ausbildung absolviert. Aussichten auf eine Anstellung sind gut.

In seiner Heimat im Iran war Hossein Mowludi viele Jahre Schneider. Nadel und Faden hat er gegen Sicherheitshelm, Schraubenschlüssel und Messgerät getauscht. Vor 23 Monaten startete der Asylbewerber an der Essener Kraftwerkschule in eine neue Zukunft. Als einer von zwölf Flüchtlingen nahm er im Deilbachtal an einer Weiterbildung zum „Industrieelektriker Betriebstechnik (IHK) in der Windenergie“ teil. Mit Erfolg. „Jetzt muss ich nur noch eine Stelle finden“, sagt der 43-Jährige nach der Zeugnisübergabe.

Essen möchte Geflüchteten langfristig eine berufliche Perspektive geben

Stolz präsentiert Moustafa Al Saleh seine Urkunde, die ihm die Ausbildung in dem Kurs bescheinigt.
Stolz präsentiert Moustafa Al Saleh seine Urkunde, die ihm die Ausbildung in dem Kurs bescheinigt. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Die Aussichten auf eine Anstellung seien bestens, unterstrich Christian Jaffke, Projektleiter der Maßnahme mit dem Titel „Empower Refugees“ in einer Festrede. Auch Andreas Pinkwart (FDP), Minister für Wirtschaft und Innovation in Düsseldorf, gratulierte den Absolventen in einer Video-Botschaft. Man benötige für rund 30.000 Windkraftanlagen in Deutschland „bestqualifizierte Fachkräfte, die jetzt nach ihrem attraktiven Berufsabschluss richtig loslegen könnten,“ formulierte er.

Einwanderern langfristig eine berufliche Perspektive zu geben, sei der Stadt Essen wichtig, erklärte Oberbürgermeister Thomas Kufen und übergab den iranischen und syrischen Männern die IHK-Briefe sowie die Urkunden der Kraftwerksschule. „In Essen gibt es nicht ein Windrad, die rechnen sich hier nicht“, so der OB. Daher müssten die Bewerber örtlich flexibel und reisebereit sein. Einsätze in windreichen Gegenden Nordrhein-Westfalens oder in Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee erwarten sie.

Ein Syrer hat bereits einen Arbeitsvertrag in der Tasche

Oberbürgermeister Thomas Kufen überreichte den Absolventen der KWS die Urkunden.
Oberbürgermeister Thomas Kufen überreichte den Absolventen der KWS die Urkunden. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Anders als Mowludi hat Klassenkamerad Abdulbaset Alhmidi den Arbeitsvertrag schon in der Tasche. Für die Stelle bei einem Hammer Windenergie-Serviceunternehmen nimmt er die Trennung von der Familie – Frau und drei Kinder – in Kauf. In der Woche geht es demnächst im Dreier-Team auf Montage, um Windräder instand zu halten, Wartungen und Inspektionen durchzuführen. „Ein sicherer Job und eine gute Zukunft sind das Wichtigste“, sagt der Syrer.

KWS ist seit 60 Jahren Ausbildungs- und Schulungseinrichtung

Das Essener Weiterbildungsprojekt „Empower Refugees“ wurde 2018 gestartet. Es soll Zuwanderern eine Beschäftigung in der Windenergie sichern, die Integration fördern und einem Fachkräftemangel entgegenwirken.

Die Kraftwerksschule (KWS) in Kupferdreh ist seit über 60 Jahren Ausbildungs- und Schulungseinrichtung für Bereiche der Strom- und Wärmeerzeugung. Rund 3000 Teilnehmer jährlich nutzen die Bildungsangebote.

2016 kam der nunmehr 29-Jährige nach Essen. Vor der Flucht sei er medizinischer Labortechniker gewesen. Ein Beruf, den man hier nicht anerkannte. So sattelte er um und drückte in Kupferdreh 16 Monate täglich in der Geflüchteten-Klasse die Schulbank. Vor der eigentlichen Umschulung stand eine Basisqualifikation mit einem fünfwöchigen Praktikum in Windkraftunternehmen und Sicherheitstrainings, wie Ernst Michael Züfle, Geschäftsführer der Kraftwerksschule erläuterte. Vier Monate mussten die Teilnehmer in Sprachkursen der Neuen Arbeit und der Weststadtakademie Deutsch büffeln, um das B2-Level zu erreichen.

Keine Angst vor Arbeit in 140 Meter Höhe

Hossein Mowludi, der Schneider, ist ein sportlicher Typ. Im Iran war er nebenbei Rettungsschwimmer. „Viele zittern, wenn sie sich die Höhe nur vorstellen, in der ich arbeiten will. Aber ich habe keine Angst“, sagt er. Meist 140 Meter hoch sind moderne Windräder im Binnenland. Auf ihren Stahlrohrtürmen mit ein bis drei Rotoren sitzen drehbare Gondeln. Dort, im Maschinenhaus der Anlage, befinden sich mechanische und elektrische Komponenten, wie Generator und Getriebe.

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„Beim ersten Mal da oben waren wir alle leicht grün im Gesicht“, lacht Abdulbaset Alhmidi. Über steile Leitern im Turm klettern die Service-Techniker mit Steigsicherungen zur Spitze. Der Aufstieg erfordert körperliche Fitness. „Moderne Windräder haben Aufzüge.“ Manchmal geht es auch nach draußen für äußere Arbeiten am Maschinenhaus. Wenn man dann so nach unten schaut, eröffnen sich im wahrsten Sinne beste Aussichten.