Essen-Altenessen. Unrat, Ungeziefer und bauliche Mängel veranlassten das Ordnungsamt dazu, ein Haus in der Altenessener Wolbeckstraße zu räumen und zu versiegeln.

Müll, Ratten, Ruhestörung und Schlägereien – schon länger klagten Nachbarn über katastrophale Zustände in einem Mietshaus an der Wolbeckstraße. Nun wurde die Stadt endlich aktiv und hat die Schrottimmobilie in Altenessen am vergangenen Donnerstag, 4. Juni, geräumt und versiegelt.

Eine ganz normale Wohnstraße in Altenessen: Hoch gewachsene Platanen säumen den Bürgersteig, gut erhaltene Altbauten und schlichte Mehrfamilienhäuser aus der Nachkriegszeit wechseln sich ab, die Vorgärten sind gepflegt und sauber. Auch die Gärten hinter den Häusern – meist gemeinschaftlich genutzte Grünflächen – sind liebevoll gestaltet. Einzig das gelb gestrichene Haus mit der Nummer 8 sticht hervor: Zwei Einkaufswagen voller Müll warten vor der Haustür auf den Abtransport, ein vergammelter Kinderwagen steht in der Ecke, die Fenster, in denen graue Gardinen hängen, sind schmutzig, vom Dach baumeln mehrere Elektrokabel bis zur Mitte der Fassade.

Nächtelang hätten die Mieter vor der Haustüre gesessen und Krach gemacht, klagt ein Nachbar

Der Vorgarten verdient seinen Namen nicht – statt Blumen und Gras gibt es nur plattgetrampelte Erde. „Die Mieter haben Tag und Nacht draußen auf dem Bürgersteig gesessen, dort gegessen, getrunken, Musik gehört“, erzählt ein direkter Nachbar, „wir haben alle kein Auge mehr zugetan. Das waren in den letzten Wochen und Monaten wirklich unhaltbare Zustände“.

Vorne sieht man den baugleichen allerdings gut renovierten weiß-gelben Altbau, dahinter die Schrottimmobilie.
Vorne sieht man den baugleichen allerdings gut renovierten weiß-gelben Altbau, dahinter die Schrottimmobilie. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

19 Menschen waren zuletzt laut der Stadt in dem Altbau gemeldet, elf davon waren jünger als 18 Jahre. „Aber es waren wesentlich mehr Menschen dort“, erzählt ein anderer Nachbar, „da hat man irgendwann total den Überblick verloren“. Das bestätigt auch die Stadt: Tatsächlich habe man bei der Begehung noch weitere Personen angetroffen, die dort augenscheinlich lebten aber nicht gemeldet waren.https://www.waz.de/staedte/essen/stadt-essen-raeumt-problemimmobilien-ripshorster-strasse-id227858521.html

Nachbarn haben in den vergangenen Monaten ständig die Polizei alarmiert

Dass es sich bei diesem Haus um eine „problematische Immobilie“ handelt, war der Stadt schon länger bekannt. Die Beschwerdelage der Situation vor Ort reichte von wilden Müllablagerungen über häufige Mieterwechsel sowie bauliche Mängel, heißt es in der Mitteilung. „Wir haben in den vergangenen Monaten eigentlich ständig die Polizei rufen müssen“, sagt ein dritter unmittelbarer Nachbar, der ebenfalls seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will: „Ganz unerträglich wurde die Situation dann durch die Ratten, die vom Müll im Garten angezogen wurden. Und in der vergangenen Woche gab es hier eine schlimme Schlägerei.“

Das Haus, in dem der junge Mann lebt, ist baugleich mit der Schrottimmobilie – aber im Gegensatz dazu ein gepflegter Altbau mit schönen Holztüren und -treppen, einem im Jugendstil gehaltenen Flur mit originalen Fliesen. „Als ich hier vor 15 Jahren einzog, da wohnten nebenan noch unauffällige Familien“, erzählt er weiter. Doch dann habe sich die Situation nach und nach verändert, ständig zogen Leute ein und aus, „vor allen Dingen Menschen aus Rumänien“.

Eigentümer muss die Mängel komplett beheben, bevor das Haus wieder freigegeben wird

Wem das Haus gehört, weiß er nicht, „es heißt, der Besitzer lebt in Frankfurt und hat mehrere Häuser“, sagt er, „wissentlich gesehen oder getroffen habe ich ihn noch nie“. Tatsächlich gab es laut Stadt zunächst Schwierigkeiten, den Eigentümer ausfindig zu machen. Doch nun habe man ihn kontaktiert, von der Räumung in Kenntnis gesetzt und ihm eine lange Mängelliste zukommen lassen, die er beheben müsse, bevor das Haus wieder freigegeben und bewohnbar sei.

Das Haus wurde vom Ordnungsamt versiegelt – allerdings wirkte das Papiersiegel nur ein paar Tage später schon so, als hätte man es mehrfach abgezogen.
Das Haus wurde vom Ordnungsamt versiegelt – allerdings wirkte das Papiersiegel nur ein paar Tage später schon so, als hätte man es mehrfach abgezogen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Und diese Liste ist wirklich lang: Laut Stadt wies die Situation vor Ort teils schwere bauliche und hygienische Mängel auf. Die Stromleitung wurde beispielsweise über mehrere Verlängerungskabel aus einer anderen Wohnung am Haus entlang geführt. Daran angeschlossen waren weitere Elektrogeräte sowie einige Mehrfachsteckdosen.https://www.waz.de/staedte/essen/stadt-essen-raeumt-zwei-schrottimmmobilien-an-der-zinkstrasse-id213334591.html

Die Wände im Hausflur waren feucht, ebenso die Decke, die sich durch einen offenbar zurückliegenden Wasserschaden bereits abgesenkt hatte. Eine Flurfensterscheibe fehlte komplett. Hinter einem Sicherungskasten hatte es augenscheinlich irgendwann einmal gebrannt. Und eine Wohnung im Dachgeschoss ist gar nicht für Wohnzwecke genehmigt und hätte deshalb überhaupt nicht genutzt werden dürfen.

Ordnungsamt, Wohnungsaufsicht, Jugendamt und Feuerwehr räumten das Haus mit Unterstützung der Polizei

„Das waren wirklich unerträgliche Zustände“, bestätigt einer der Nachbarn, „aus dem Haus hat es furchtbar gestunken, wir alle haben einen großen Bogen darum gemacht“. Belästigt durch den Lärm, Müll und Gestank fühlten sich die direkten Nachbarn gleichwohl weiterhin. Selbst die Bewohner der Häuser eine Straße weiter, deren Gärten an das Grundstück des Problemhauses stoßen, waren von der Rattenplage und den stinkenden Müllbergen betroffen.https://www.waz.de/staedte/essen/schrottimmobilien-auf-der-gladbecker-strasse-saniert-id214426703.html

Und so waren schließlich alle Altenessener, die in mittelbarer und unmittelbarer Nähe wohnen, erleichtert, als endlich das Ordnungsamt, die Wohnungsaufsicht, das Jugendamt der Stadt sowie die Feuerwehr Essen anrückten und mit Amtshilfe der Polizei das Haus räumten. Die Bewohnerinnen und Bewohner wurden den Vorschriften entsprechend über die Räumung informiert, heißt es in der Mitteilung. Und dass in der Folge der Räumung keine Person, auch keine Minderjährigen, durch die Stadt Essen untergebracht werden mussten. „Dennoch hat sich das Jugendamt ein genaues Bild von der Familiensituation gemacht“, sagt Stadtsprecherin Silke Lenz. Es habe auch Sprachmittler vor Ort gegeben, die die Familien informiert und aufgeklärt haben.

Anschließend wurde das Haus verschlossen und versiegelt. Ein paar Tage später wirkt das aufgeklebte papierne Siegel allerdings schon mehrfach benutzt, brennt im Hausflur Dauerlicht. Das Problemhaus wird das Ordnungsamt wohl noch ein wenig länger beschäftigen.

Stadt geht konsequent gegen Missstände vor

Mit den Räumungen von Schrottimmobilien will die Stadt zeigen, dass sie konsequent gegen solche Missstände vorgeht.

So wurden in der Vergangenheit immer wieder Wohnhäuser in der Stadt wegen unhaltbarer hygienischer und baulicher Zustände leergeräumt und versiegelt.

Und sie geht noch weiter: So hat die Stadt erst im vergangenen Jahr tief in die Tasche gegriffen und drei Problemimmobilien – im Gewerbegebiet Ripshorster Straße 380, 381 und 382 – für 1,113 Millionen Euro aufgekauft, um sie anschließend zu räumen.