Essen. Alte Technik an den Schulen, zu viele Schüler ohne Anschluss: Ein neuer Eltern-Verein geht das Thema Digitalisierung an - auch ohne Corona.

Väter und Mütter aus dem gesamten Stadtgebiet haben sich zusammengetan und den Verein "Eltern der Essener Schulen e.V." gegründet. Man will mit dem Zusammenschluss viele Themen angehen, auch die Digitalisierung. Die Corona-Krise hat jetzt vielen Beteiligten gezeigt, wie dringend dieses Thema ist: "Wir brauchen bessere digitale Konzepte in den Schulen", sagt Merja Dworczak vom Vereinsvorstand.

Die Schließung der Schulen und die damit einhergehende Heimarbeit der Schüler in Essen hätten aus Sicht der Eltern gezeigt, "dass die Digitalisierung in den Schulen, insbesondere in den Grundschulen, viel zu sehr vernachlässigt wurde", heißt es in einer ersten Mitteilung des Vereins. Selbst dort, wo Lehrer engagiert mit den neuen Medien umgehen würden, bliebe unberücksichtigt, dass nicht alle Familien die passenden Geräte und Lernräume zu Hause anbieten könnten.

Schüler arbeiten mit dem Smartphone Aufgaben ab

Tatsächlich berichten Lehrer, Eltern und Jugendliche seit Wochen, dass Schüler häufig nur mit ihrem Smartphone die anstehenden Aufgaben zu lösen versuchen - ohne PC oder Laptop, ohne Drucker geschweige denn einem vernünftigen Arbeitsplatz zu Hause.

"Da seitens des Schulministeriums immer noch unklar ist, wie es im nächsten Schuljahr weiter gehen soll, fragen sich die Eltern, wie es um die digitalen Lehr- und Lernkonzepte für die Zeit ab August bestellt ist", kritisieren die Eltern. "Für das Wohl der Kinder wäre es von zentraler Bedeutung, hier zeitnah ganz konkrete Konzepte zu gestalten."

Merja Dworczak berichtet: Das Thema "Digitalisierung" habe vielen Eltern bei der Gründungsplanung vor Monaten unter den Nägeln gebrannt - da waren die Schulen aber noch geöffnet und niemand habe absehen können, wie dramatisch die Lage wirklich ist. Andere Themen, die die Eltern bewegen und vom Verein aufgegriffen werden sollen, sind unter anderem die baulichen Zustände der Gebäude und fehlende Ansprechpartner bei den Verantwortlichen.

Grüner Antrag zur Digitalisierung wurde gegenstandslos

Klar ist: Das Thema Digitalisierung treibt manche Akteure in Schul- und Bauverwaltung seit Jahren an. Der Ausbau des W-Lan-Netzes an Essener Schulen zieht sich seit Jahren, immer wieder gab es Phasen des Stillstands, und die 33 Millionen Euro aus dem Berliner Digitalpakt, vor einem Jahr beschlossen, lindern nicht mal die größte Not. Und erst in seiner letzten Sitzung Ende Mai hatte der Rat der Stadt das Thema "Digitalisierung der Schulen" auf der Tagesordnung - beschlossen und verabschiedet wurde ein gemeinsamer Antrag der CDU und SPD ("Große Koalition"), der die Stadt dazu auffordert, sich zu überlegen wie man möglichst viel aus dem neuen 500 Millionen-Euro-Paket der Bundesregierung für Essen herausholt. Berlin hatte angekündigt, dieses Geld zu verteilen an bedürftige Schüler, die zu Hause weder Drucker noch Laptop noch Tablet besitzen.

Außerdem beschloss der Rat, dass Essen die Schulen "bei der zeitnahen Einführung digitaler Lernplattformen unterstützen" soll.

Das, was da in der vergangenen Woche entschieden wurde, klingt hübsch, aber leider einigermaßen unkonkret - das ist deshalb besonders schade, weil die Politiker von SPD und CDU mit ihrem gemeinsamen Antrag einen Antrag der Grünen gegenstandslos machten, der sich wesentlich konkreter, detailfreudiger, kenntnisreicher und sogar pragmatischer mit der Materie befasst hatte. So forderten die Grünen zum Beispiel, eine zentrale Sammelstelle einzurichten, an der Bürger gebrauchte Laptops abgeben können, damit sie an bedürftige Schüler weitergereicht werden.

Fakt ist: Firmen wollen Laptops spenden

Dass das eine gute Idee ist, zeigt sich ja längst auch ohne politische Beschlüsse: Die Firma "Ista" spendete neulich 30 Firmen-Laptops an die Ehrenamt-Agentur - die verteilt sie derzeit, vor allem an Grundschulen im Essener Norden. Dass die Essener Grundschulen gar kein richtiges W-Lan haben, ist dabei tatsächlich nicht von großer Bedeutung: "Erstens könnte man auch ein Kabel einstecken für den Online-Zugang, und die Geräte können auch sehr gut offline genutzt werden", sagt eine Schulleiterin. Wer Erfahrung mit Schulcomputern gemacht hat, weiß: Einen Rechner mal eben in einer Schule an den Start zu bringen, funktioniert nicht - Stichwort Netzwerk, und trotzdem: Sie freue sich "sehr" über die Spende, denn der digitale Alltag an den Essener Schulen ist nicht nur für Kinder und Jugendliche oft beschwerlich. Die Schulleiterin selbst hat noch nicht mal einen eigenen Computer auf dem Schreibtisch, sondern muss sich das Gerät mit ihrer Stellvertreterin teilen. Solche Zustände sind wohl selbst in den kleinsten Firmen undenkbar.

Aber ist es immer fehlende Technik? Nein, häufig auch fehlendes Interesse: Der Verein "Eltern der Essener Schulen" kennt auch Geschichten über Lehrer, die sich erst nach der allgemeinen Schulschließung im März dazu durchringen konnten, sich überhaupt erst mal zu Hause Internet anzuschaffen. Der Verein "Eltern der Essener Schulen" hat bislang 20 aktive Mitglieder und sucht weitere Mitstreiter - jede Schulform ist willkommen.