Die Corona-Krise treibt die Zahl der Bedarfsgemeinschaften beim Jobcenter Essen in die Höhe. Die Stadt muss mit Millionen Mehrausgaben rechnen.

Essen. Kurzarbeit, Entlassungen, kaum noch Neueinstellungen. Die Corona-Krise hat den Arbeitsmarkt in Essen voll getroffen. Das Jobcenter Essen rechnet deshalb damit, dass sich die Zahl der Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften in diesem Jahr deutlich nach oben entwickelt. Nach ersten vorsichtigen Schätzungen könnte es am Ende des Jahres 3500 Familien in Essen mehr geben, die auf Hartz IV angewiesen sind. Auf die Stadt würden damit 10,3 Millionen Euro an zusätzlichen Kosten zukommen.

Bewahrheitet sich diese Prognose, dann hätte Essen über 48.000 Bedarfsgemeinschaften und damit etwa so viele wie zur Hochzeit der Flüchtlingskrise, als es in der Spitze im Juli 2017 fast 47.800 gab. Zuletzt war die Zahl der Bedürftigen wieder deutlich gesunken. Ende vergangenen Jahres zählte Essen rund 44.600 Hartz-IV-Haushalte.

Essens Sozialdezernent Peter Renzel.
Essens Sozialdezernent Peter Renzel. © FUNKE Foto Services | Julia Tillmann

„Ein solcher Anstieg nun erfüllt uns mit Sorge“, sagte Sozialdezernent Peter Renzel, der allerdings zunächst sogar von einem noch schlimmeren Szenario ausgehen musste. Der Bund hatte mit Ausbruch der Pandemie geschätzt, dass bundesweit die Zahl der Bedarfsgemeinschaften dieses Jahr um 1,2 Millionen zunehmen könnte. Für Essen heruntergebrochen wären das 12.000 gewesen. „Das hätte alle unsere Erfolge der letzen Jahre mit einem Mal zunichte gemacht“, sagte Renzel.

Die Zahlen im März und April hätten jedoch gezeigt, dass es wohl doch nicht so dramatisch werden wird. So ist die Zahl der Bedarfsgemeinschaften in Essen seit Jahresbeginn um rund 1400 gestiegen. „Das ist trotzdem eine Menge Holz“, räumte Renzel ein.

Kurzarbeit verhindert schlimmeren Anstieg

Betroffen sind vor allem Frauen und Männer, die ihren Job in der Krise nach weniger als einem Jahr wieder verloren haben. Sie haben noch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I, müssen deshalb wieder Hartz IV beantragen. „Das sind die meisten Fälle, die nun zu uns kommen“, sagte Dietmar Gutschmidt, Leiter des Jobcenters. Selbstständige dagegen hätten bislang kaum Hartz IV beantragt. Auch gebe es nur sehr wenige Arbeitslose, die ihr Arbeitslosengeld noch mit Hartz IV aufstocken müssen.

Wie die Einschätzung zustande kommt

Diese Einschätzung des Jobcenters, dass die Bedarfsgemeinschaften um 3500 steigen könnten, basiert auf Erkenntnissen zum Stand 20. April. Danach haben sich die ersten Lockerungen ergeben und das Sozialschutz-Paket II wurde verabschiedet.

Es sieht u.a. eine Verlängerung der ALG I-Bezugsdauer um drei Monate vor. Zudem werden derzeit Sonderfonds für Künstler etc. aufgelegt. Diese Entwicklungen werden voraussichtlich den Anstieg der Bedarfsgemeinschaften abfedern, so das Jobcenter.

Dass die Zahlen der Arbeitslosen nicht so stark gestiegen sind, wie zunächst befürchtet, rechnet Renzel der massenhaften Kurzarbeit zu. Die Unternehmen versuchen, ihre Mitarbeiter zu halten. „Nur mit Hilfe der Kurzarbeit sind nicht noch mehr Menschen arbeitslos geworden“, betonte Renzel.

Dennoch stellen die Unternehmen neue Mitarbeiter derzeit nur sehr verhalten ein. Das ist auch der Hauptgrund, warum die Arbeitslosenzahlen im April in Essen trotz Kurzarbeit so stark gestiegen sind. Firmen meldeten der Arbeitsagentur gerade mal 257 offene Stellen und somit 494 weniger als noch im März vor dem Lockdown. Die Arbeitslosenzahlen für Mai veröffentlicht die Bundesagentur für Arbeit kommende Woche.

Jobcenter Essen fährt Betrieb wieder hoch

Allerdings gibt es laut Gutschmidt einige Branchen, die Arbeitskräfte weiter suchen. Dazu zählten das Handwerk, der Bau, die Logistik und Callcenter. Aktuell würden auch Friseure und die Sicherheitsbranche, die vom Wegfall vieler Veranstaltungen gebeutelt ist, wieder freie Stellen melden.

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Unterdessen fährt auch das Jobcenter seinen Betrieb seit Montag langsam wieder nach oben. Es war seit dem 18. März für den Publikumsverkehr geschlossen. Kunden müssen allerdings online feste Termine buchen. Damit sollen Warteschlangen in den Ämtern vermieden werden.