Essen. Mia Misini verdient ihr Geld mit ihrem Plus-Size-Blog. Die gleichen Werbedeals wie dünnere Influencer-Kolleginnen bekommt sie aber nicht.

Wenn sich Mia Misini an ihr Bekleidungstechnik-Studium erinnert, dann fällt ihr dazu das Folgende ein: „Ich war das einzige dicke Mädchen, das Klamotten designen wollte.“ Die 35-jährige Altenessenerin mit marokkanischen Wurzeln war eine der ersten Plus-Size-Bloggerinnen Deutschlands.

Als sie vor neun Jahren ihren Blog „In Fat Style“ ins Leben rief, existierten in der deutschen Modebranche quasi keine fülligeren Stilikonen – und es gab kaum Kleidung für modebewusste Frauen jenseits der Standardgrößen.

Auf ihrem Mode- und Lifestyle-Blog schreibt die Mutter einer dreijährigen Tochter darüber, wie man sich als kurvige Frau modisch kleidet, welche Teile man wie kombinieren kann und was gerade im Trend liegt. Aber auch etwa darüber, wie sie mit der Bedrohung durch das Coronavirus oder ihrer Erkrankung am PCO-Syndrom umgeht und welche Yoga-Übungen sich am besten für Übergewichtige eignen. Die passenden Bilder dazu macht ihr Mann, „in 20 Minuten, das geht mittlerweile schnell.“

35-Jährige ist heute hauptberuflich Bloggerin und Influencerin

Misinis erste Schritte in der Modebranche waren nicht leicht. „Ich bekam Hass-Kommentare“, erinnert sich die 35-Jährige, „und damals gab es ja noch nicht mal Social Media.“ Von anonymen Nutzernamen habe sie sich sagen lassen müsse, dass sie ein schlechtes Vorbild sei.

Der Tenor: „Du propagierst, dass Dicksein normal ist, dabei ist es doch ungesund.“ Und obwohl der Zuspruch immer größer gewesen sei als das Negativ-Feedback: „Damals habe ich 15 Mal darüber nachgedacht, ob ich ein Bild hochladen soll. Nicht weil ich an mir selbst gezweifelt habe, sondern an der Menschheit.“

Heute verdient Misini ihr Geld als Bloggerin und Influencerin. Über 10.000 Menschen folgen ihr bei Instagram. Modefirmen bezahlen sie dafür, dass sie ihre Kleidung auf ihrem Blog und auf Instagram präsentiert. Außerdem schreibt sie auch Beiträge für andere Blogs. Sechs bis sieben Stunden sitzt sie an einem Artikel, von der ersten Konzeptidee über die Fotos bis hin zum Feinschliff.

"Mir wurde damals von anderen vermittelt, dass ich nicht gut bin, wie ich bin"

Misini geht selbstbewusst damit um, dass sie mit Kleidergröße 48 nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht. Das war aber nicht immer so. In der Schulzeit fühlte sie sich in ihrem Körper nicht wohl – obwohl sie, wie sie heute lachend erzählt, „gar nicht mehr weiß, wo da das Problem war.“ Damals sei sie gar nicht dick, sondern lediglich etwas pummelig gewesen.

„Aber mir wurde von anderen vermittelt, dass ich nicht gut bin, wie ich bin. In den Neunzigern und Zweitausendern war das Thema Figur omnipräsent, jeder wollte abnehmen.“ Das sei heute anders. Dank Plus-Size-Bloggerinnen, die es ihr gleichtaten, könne man sich mittlerweile bis Größe 56 modisch und dem eigenen Stil entsprechend kleiden.

Firmen stellen zwar Übergrößen her, separieren sie aber von der regulären Kollektion

Doch auch, wenn die 35-Jährige mittlerweile in vielerlei Hinsicht in der Modewelt angekommen ist – in manch anderer ist sie es doch nicht: Andere Werbedeals, andere Events, weniger Möglichkeiten: „Mit der normalen Influencer-Welt habe ich nichts zu tun." Es gebe eben die großen Firmen, die dünnere Frauen engagierten und – in wesentlich geringerer Anzahl – solche, die mit Plus-Size-Bloggerinnen und -Models arbeiteten.

Selbst, wenn ein großes Unternehmen Kleidung in größeren Größen herstelle, geschehe das meist im Rahmen einer extra als solche deklarierten Übergrößen-Kollektion. „Ich würde mir sehr wünschen, dass große Firmen mal eine Kollektion von Größe 34 bis 56 machen würden“, sagt Misini deshalb.

Den Unterschied merke man besonders in Zeiten der Corona-Pandemie. Wie viele andere stecken auch die Modeunternehmen aktuell in der Krise. "Mir sind viele Kooperationen gekündigt worden", erzählt Misini. "Da kämpft man natürlich umso mehr um die, die man noch hat. Im Gegensatz zu den anderen Influencern haben wir Plus-Sizer aber nur wenige Möglichkeiten."

Dafür steht der Begriff "Plus Size":

"Plus-Size" ist eine Bezeichnung für größere Konfektionsmaße. In der Modelbranche spricht man häufig sogar schon ab Größe 38 von "Plus-Size". Bekannte Plus-Size-Models sind die US-Amerikanerinnen Ashley Graham und Candice Huffine. Zu den bekanntesten deutschen Plus-Size-Models gehört Angelina Kirsch.

Eng verknüpft ist der Plus-Size-Begriff mit der Body-Positivity-Bewegung, die dafür wirbt, den eigenen Körper unabhängig von gesellschaftlichen Schönheitsidealen zu akzeptieren.