Essen. Eine Gruppe von Bastlern fertigt auf Bestellung kostenlos Corona-Schutzmaterial an. Damit unterstützen sie zum Beispiel Ärzte und Krankenhäuser.
"Maker", das ist der Begriff für Mitglieder einer Community, die mit Hilfe der neuesten Technik Dinge herstellen oder umbauen. Eine Technik-bezogene Variante des Heimwerkers also. Was sich nach etwas kauzigem Hobby-Basteln anhört, bekommt in der Corona-Krise eine ganz neue Bedeutung. Deutschlandweit haben sich Gruppen von Makern dem Netzwerk "Maker vs. Virus" angeschlossen, um mit 3D-Druckern ehrenamtlich Corona-Schutzmaterial zu fertigen.
Robert Rettenbacher ist der Mann für Essen. Der 42-Jährige besitzt schon seit einigen Jahren einen 3D-Drucker, mit dem er sich zum Beispiel die Ersatzteile für seine Drohne kurzerhand selbst ausdruckt. Nun koordiniert er die Aufträge, die bei der Essener "Hub" eingehen, und stellt seine Wohnung als Lager zur Verfügung. "Ich wollte in dieser schwierigen Zeit einfach helfen", sagt er.
70 Bastler arbeiten in Essen an der Produktion von Gesichtsvisieren
"Hub" – Englisch für "Knotenpunkt" – nennen sich die lokal organisierten Gruppen, die bei "Maker vs. Virus" mitmachen. Die Essener Gruppe zählt aktuell etwa 70 Mitglieder, darunter Privatpersonen und Firmen. Viele von ihnen haben 3D-Drucker und kümmern sich um die Produktion, einige helfen aber auch bei der Organisation oder zeichnen Baupläne.
Ganz oben auf der Produktionsliste stehen Gesichtsvisiere: Die bestehen aus einem Kunststoffgestell für den Kopf und einer daran befestigten Folie, die das Gesicht des Trägers schützt. Das Gestell wird auf Basis des schmelzfähigen Kunststoffs Filament mit dem 3D-Drucker ausgedruckt. Anschließend wird die Schutzfolie zurechtgeschnitten und befestigt.
Schutzmaterial wird nicht an Privatpersonen herausgegeben
Für ihre Visiere möchten die Bastler kein Geld – sie verschenken sie an medizinisches Personal, zum Beispiel in Arztpraxen und Krankenhäusern, oder Unternehmen, die damit ihre Mitarbeiter und Kunden schützen möchten.
Wer eine Bestellung aufgeben möchte, kann auf der Internetseite www.makervsvirus.org nachschauen, ob es in der Nähe eine Hub gibt und findet dort auch die entsprechenden Kontaktdaten.
An Privatpersonen wird das Schutzmaterial allerdings nicht ausgegeben. „Wir wollen einfach nicht das Risiko eingehen, dass wir unsere kostenlosen Fabrikate später für einen teuren Preis bei Ebay wiedersehen“, erklärt Rettenbacher.
Die Abwicklung von Großbestellungen übernehmen mittlerweile Firmen
Seit etwa zwei Monaten ist das Netzwerk nun aktiv. In den ersten zwei Wochen sei die Produktion eine ganz schöne Herausforderung gewesen, sagt Rettenbacher. Denn zu Beginn befanden sich unter den Makern quasi nur Amateure, die Drucker liefen gleichsam ohne Pause.
Zwei bis drei Stunden dauert es in der Regel, bis ein Visiergestell mit einem 3D-Drucker ausgedruckt ist. „Ich habe häufig nur fünf Stunden geschlafen“, sagt der 42-Jährige.
Die Produktion der Visiere kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld – denn einen 3D-Drucker so häufig und lange laufen zu lassen, verursacht hohe Energiekosten. Mittlerweile haben die Maker deshalb Kontakt zu großen Herstellerfirmen von Spritzgussteilen aufgenommen, die nun die Großbestellungen abwickeln: Zwar nicht mehr umsonst, aber für einen moderaten Preis von zwei bis fünf Euro pro Visier.
Türgriffhaken und "Earsaver" sind nun ebenfalls gefragt
Bestellungen von bis zu 50 Stück nimmt die Essener Hub aber noch auf. Immer mehr rücken außerdem andere kreative Fabrikate in den Fokus der Tüftler. Zum Beispiel kleine Haken, mit denen man Türklinken und Einkaufswagen bedienen kann, ohne sie zu berühren, und die damit das Risiko einer Schmierinfektion verringern. 200 Stück dieser kleinen Alltagshelfer hat die Hub gerade an einen Essener Supermarkt gespendet.
Ein weiterer origineller Einfall der Maker: Sogenannte „Earsaver.“ „Wenn man über zwei, drei Stunden eine Mund-Nasen-Maske trägt, tut das irgendwann hinter dem Ohr weh“, erklärt Rettenbacher. Der Earsaver trägt die Riemen der Maske und verhindert damit eine Belastung der Ohren. Türgriffhaken und Earsaver werden ebenfalls nicht an Privatpersonen ausgegeben.
Ehrenamtliche bitten vor allem um Materialspenden
Wer etwas an „Maker vs. Virus“ spenden möchte, findet alle nötigen Informationen auf der Internetseite. Noch mehr freuen sich die ehrenamtlichen Bastler allerdings über Materialspenden – vor allem von Filament. „Das ist gerade sehr schwer zu bekommen“, so Rettenbacher.
Außerdem ist das Netzwerk immer auf der Suche nach neuen Mitgliedern: Zum Beispiel Leuten, die 3D-Drucke fertigen, die einen Lasercutter zur Verfügung haben oder Schutzfolie manuell schneiden, die bei der Logistik und Organisation helfen – oder einfach kreative Ideen haben, welche hilfreichen Produkte man noch herstellen könnte.
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