Essen-Karnap. Sigrid Hajos hat die Initiative „Carnap Tip Top“ gegründet: Die will den grünen Stadtteil im Norden von Müll zu befreien und verschönern.

In jedem Stadtteil braucht es Menschen wie Sigrid Hajos: Die Karnaperin setzt alles daran, ihr Viertel zu verschönern – mit grünen Ideen und Aufräumaktionen.

Als Sigrid Hajos vor zehn Jahren aus Bayern nach Karnap in das Haus ihrer Mutter zog, da kannte sie keinen Nachbarn, keinen Mitbürger, „und ich tat mich auch irgendwie schwer damit, Kontakte zu knüpfen“. Zwar nutzte die pensionierte Beamtin ihre Freizeit, um den Stadtteil am Rhein-Herne-Kanal zu erkunden, verfolgte auch die unterschiedlichen Gruppen auf Facebook, doch erst vor drei Jahren entschloss sie sich selber aktiv zu werden. „Auslöser waren die dauernden Beschwerden darüber, wie dreckig und vermüllt es hier sei“, sagt sie, „da dachte ich, statt immer nur zu meckern sollte man einfach was tun“.

Und so startete sie einen Aufruf, suchte und fand erstaunlich schnell Gleichgesinnte und begann mit den Karnaper Müllspaziergängen. „Jeden zweiten Samstag laufen wir seitdem durch Karnap und sammeln den Unrat auf“, erzählt sie. Der immer größer werdenden Gruppe gab sie den Namen „Carnap Tip Top“. Um die 30 Engagierte haben sich ihr angeschlossen, „und auf einmal kannte mich halb Karnap“.

Sie möchte ein Zeichen gegen die Teilnahmslosigkeit setzen

Natürlich trifft sie immer wieder mal auf die Meckerer, die ihr Tun kopfschüttelnd missbilligen und sie mit Sprüchen wie „da laufen die Verrückten“ bedenken. „Aber ich glaube fest daran, dass bürgerschaftliches Engagement wichtig ist und unserem Stadtteil und dem Zusammenhalt der Menschen guttut“. Außerdem wolle sie ein Zeichen gegen die Teilnahmslosigkeit setzen.

Aus einem öden Kreisel wurde eine Wildblumenwiese: Rolf Gleißner, Sigrid Hajos und Michael Schwamborn (.l.) von Carnap Tip Top haben dafür gesorgt.
Aus einem öden Kreisel wurde eine Wildblumenwiese: Rolf Gleißner, Sigrid Hajos und Michael Schwamborn (.l.) von Carnap Tip Top haben dafür gesorgt. © Dietmar Mauer | Dietmar Mauer

Deswegen startete die 62-Jährige kurz nach den ersten Müllspaziergängen die zweite größere Aktion: „Wir wollten auch gestalterisch, bienenfreundlich und naturnah agieren. Daraus erwuchs eine Patenschaft für den Verkehrskreisel in der Ahrenbergstraße.“ Der war hässlich, öde und ein beliebter Müllabladeplatz, den die Gruppe bei ihren Touren regelmäßig säuberte. Doch seit dem vergangenen Sommer ist alles anders: Mit viel Liebe wurde der Kreisel in eine zwar kleine, aber blühende Oase verwandelt – mit dem positiven Effekt, dass er seitdem sauber bleibt. „Wo es schön ist, landet eben kein Müll“, lautet Sigrid Hajos einfache, aber richtige Erkenntnis.

Die schönen Seiten Karnaps entdeckt

Seitdem brennt sie für ihren Stadtteil, der ihr, die lange Zeit in Hamburg und dann in Bayern gelebt hatte, in den vergangenen drei Jahren richtig ans Herz gewachsen ist. „Karnap hat auch viele schöne Seiten, die man erst findet, wenn man die Karnaper Straße nach rechts oder links verlässt.“ Wie den hübschen begrünten Thusneldaplatz, der umgeben ist von schönen alten Bürgerhäusern. Den hat bereits der Karnaper Bürgerverein mit einem blühenden Kistengarten verschönert: An der Pflege und Bepflanzung beteiligt sich auch Carnap Tip Top.

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Oder die denkmalgeschützte Mathias-Stinnes-Siedlung: Die Bergbaukolonie mit ihren roten Ziegelhäusern und baumgesäumten Straßen ist ein echtes Schmuckstück. Dort hat Sigrid Hajos gemeinsam mit ihren Mitstreitern die vier Stahldrahtfiguren, im Volksmund Ali und Selma, Otto und Ottilie genannt, von Efeu und Müll befreit und sie aus dem Dornröschenschlaf geweckt.

Nächstes Projekt ist die Verschönerung des Marktplatzes

Neuestes Projekt der Initiative ist der Karnaper Marktplatz: „Hier war ja mal früher ein blühender Wochenmarkt. Das zumindest erzählen mir die Karnaper“, sagt Sigrid Hajos. Sie selbst kennt den Markt als große, leere und traurige Fläche, auf der sich an Markttagen nur noch zwei, höchstens drei Verkaufsstände verlieren. „Ich würde unglaublich gerne diesen Platz irgendwie beleben.“ Das haben bislang schon andere versucht – und sind gescheitert. So wurde der Feierabendmarkt von den Karnapern nicht angenommen, hat das kleine Café an der Ecke längst wieder geschlossen.

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Doch Sigrid Hajos gibt so schnell nicht auf: „Ich kann zwar kein Café eröffnen, aber wenigstens den Platz verschönern.“ So will die Initiative jetzt die insgesamt sieben Baumbeete auf dem Karnaper Markt blühend gestalten, „Grün und Gruga hat uns dafür bereits die Patenschaft erteilt“. Die Pflanzen sind schon gekauft, doch die Pflanzaktion muss wegen Corona noch ein wenig vertagt werden.

Das wird sicherlich nicht die letzte Aktion sein, die die Karnaperin mitinitiiert: Wenn sie durch den Stadtteil läuft, der längst zur Heimat geworden ist, dann immer mit einem wachen Blick. „Ich kann gar nicht anders“, sagt sie und lacht.

Initiative will das Gemeinschaftsgefühl stärken

In Nicht-Corona-Zeiten treffen sich die Teilnehmer von Carnap Tip Top jeden zweiten Samstag um 11 Uhr am Gemeindehaus in der Hattramstraße. Von dort aus geht es in den Stadtteil, um Müll zu sammeln. Die Touren dauern zwischen zwei und zweieinhalb Stunden.

Die Aktionen haben einen praktischen Zweck, sollen aber auch das Gemeinschaftsgefühl in Essens nördlichstem Stadtteil stärken.

Mehr Infos zu der Initiative unter https://www.facebook.com/pg/CarnapTIPTOP/events/