Essen. In Zeiten von Corona sind viele alte Menschen einsam. Mit der Aktion „Herz am Telefon“ baut die Caritas Essen ihnen eine Brücke in den Alltag.

Sie gelten als Risikopatienten und sollen in diesen Tagen gut auf sich aufpassen: Alte Menschen werden allenthalben ermuntert, zu Hause zu bleiben und auch auf die Besuche von Verwandten zu verzichten. Doch damit gehen sie ein weiteres Risiko ein: zu vereinsamen. „Viele waren sogar zu Ostern ganz allein und erlebten traurige Feiertage“, sagt Roswitha Paas, Projektreferentin für Caritas und Pastoral bei der Caritas Essen. Darum biete man Senioren nun einen telefonischen Besuchsdienst an.

Fast 100 Ehrenamtliche meldeten sich für die Aktion „Herz am Telefon“

Die Idee ist einfach: Ehrenamtliche rufen ein- bis zweimal wöchentlich bei den alten Menschen an, widmen ihnen eine halbe bis eine Stunde Zeit und hören zu: ein telefonischer Besuch. Die Aktion „Herz am Telefon“ habe man sich schon vor Wochen ausgedacht: Da wurde bereits klar, dass der coronabedingte Verzicht auf soziale Kontakte vor allem diejenigen treffen würde, die älter und allein lebend sind.

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„Wir haben darum Flyer gedruckt und diese an Pflegedienste und Seniorenheime gegeben und außerdem an vielen anderen Stellen verteilt“, erzählt Roswitha Paas. Die Resonanz sei überwältigend gewesen: So hätten sich fast 100 Ehrenamtliche gemeldet, die gern Telefonbesuche bei älteren Menschen machen möchten; selbst aus anderen Städten meldeten sich Interessenten. 45 von ihnen habe man bereits in einem intensiven Aufnahmegespräch auf ihre Aufgabe vorbereitet. Noch einmal genauso viele stehen noch auf der Warteliste.

Ein Anruf von der Caritas soll älteren Menschen in Zeiten von Corona eine Brücke zur Außenwelt bauen.
Ein Anruf von der Caritas soll älteren Menschen in Zeiten von Corona eine Brücke zur Außenwelt bauen. © dpa | Sebastian Gollnow

Bloß: Von Seiten der Senioren sei der Zuspruch recht verhalten, lediglich acht haben sich bisher gemeldet. Dass es einfach keinen Bedarf für das neue Angebot gibt, glaubt Roswitha Paas indes nicht. „Wir vermuten, dass wir damit einfach zu früh waren. Da standen für die Betroffenen noch ganz andere Dinge im Vordergrund.“ Daher wolle man nun nochmal verstärkt auf „Herz am Telefon“ aufmerksam machen.

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Aus dem Seniorenarbeit der Caritas wisse man, dass vielen Betroffenen der Kontakt nach außen fehle, dass sie den Spaziergang oder den Besuch des Enkels vermissten. „Selbst wenn sie Kinder haben, die einmal am Tag anrufen, ist der Tag danach noch lang.“ Zumal die berufstätigen Söhne und Töchter sich manchmal eben auch unter Druck meldeten und keine Zeit für ein halbstündiges Telefonat hätten. „Die Telefonbesucher verabreden sich dagegen mit den älteren Menschen und planen die halbe Stunde fest für sie ein.“ Ein verlässlicher Termin, auf den man sich freuen könne.

Viele Senioren reagieren ängstlich, wenn sie ein Fremder anrufen will

Wichtig sei wohl auch noch, Vertrauen in die Aktion aufzubauen. Regelmäßig werde vor Trickbetrügern und unseriösen Verkäufern gewarnt, die bevorzugt Senioren anrufen. „Da reagieren viele jetzt ängstlich, wenn ein Fremder sie anrufen will“, sagt Roswitha Paas. Den wenigen, die schon um einen Telefonbesuch gebeten hätten, sei wichtig gewesen, dass es sich um ein Angebot der Caritas handle: „Unserer Arbeit vertrauen sie offenbar.“

Herz am Telefon: Telefonischer Besuchsdienst der Caritas

„Herz am Telefon“ ist eine Aktion des Caritasverbands Essen, um ältere Menschen, die sich einsam fühlen, und alle, denen in Zeiten von Corona die Decke auf den Kopf fällt, zu unterstützen. Da der soziale Austausch nun wegfällt, möchte die Caritas einen telefonischen Besuchsdienst ermöglichen.

Wer mitmachen möchte, erhält einen festen Gesprächspartner, der ihn am Telefon für etwa 30 bis 60 Minuten besucht. Das Angebot ist kostenlos. Ältere Menschen, die Interesse an einem Telefonbesuch haben, melden sich unter: 0201 31 93 75 404 (Montag bis Freitag 9 bis 16 Uhr) oder per E-Mail: Die Mitarbeiter der Caritas geben Ihre Telefonnummer und je nach Vereinbarung weitere Kontaktdaten an den ehrenamtlichen Telefonbesucher weiter. Infos: https://www.caritas-e.de/caritas-vor-ort/aktuelles/herz-am-telefon-telefonbesuch-in-zeiten-von-corona.html

Wer bei der Roswitha Paas und ihrer Kollegin Beate Kaltenbach (Referentin Gemeindecaritas und Caritaskonferenzen) anruft, wird noch am selben Tag an einen Ehrenamtlichen vermittelt. Der hat zuvor ein paar Kommunikationstipps bekommen, etwa dass die Frage „Wie waren die letzten Tage für Sie?“ meist ein guter Gesprächseinstieg ist. Dann können die Angerufenen berichten, ob sie etwas Besonderes erlebt haben oder ob es etwas gibt, das sie belastet. „Corona ist dabei noch immer ein Riesenthema“, sagt Roswitha Paas.

Per Telefon eine Brücke zur Außenwelt bauen

Die Telefonbesucher bekommen von der Caritas übrigens eine Liste mit Adressen und Ansprechpartnern, an die sie die Senioren in besonderen Fragen weiterleiten können. Bei schwereren Sorgen sei es auch denkbar, an die Telefonseelsorge weiter zu vermitteln. Den meisten sei aber mit einem in Ruhe geführten, vertraulichen Gespräch wohl schon geholfen: „Mit dem Austausch über ganz alltägliche Dinge kann man eine Brücke zur Außenwelt bauen.“