Essen. Wegen Corona verschieben viele ihre Arzttermine. Eine Kinderärztin hat Sorge, dass Eltern mit akut kranken Babys nicht mehr in die Praxis kommen.
Christiane Möhlmann ist alarmiert. Die Kinderärztin hatte bereits davor gewarnt, dass einige Eltern aus Angst vor dem Coronavirus wichtige Vorsorgeuntersuchungen oder Impfungen ihrer Säuglinge verschieben. Nun hat sie Sorge, dass Eltern mit ihren Kindern auch bei akuten Krankheitssymptomen nicht in die Praxis kommen, weil sie Angst vor einer Corona-Infektion haben.
Es klingt paradox: „Früher mussten wir Eltern manchmal davon abhalten, wegen Kleinigkeiten in die Praxis zu kommen. Jetzt müssen wir sie fast dazu überreden“, so Möhlmann. Aktuell hat sie 80 Prozent weniger Akutpatienten. Zum Teil liege das sicherlich daran, dass Kinder sich nun nicht mehr in der Kita oder Schule bei anderen Kindern mit Krankheiten ansteckten, sagt die Kinderärztin.
Eltern kamen mit fieberndem Baby erst nach drei Tagen in die Praxis
Immer wieder erlebten ihre medizinischen Fachangestellten jedoch am Telefon, dass Eltern verunsichert seien und den Wunsch äußerten, noch ein wenig abzuwarten, bevor sie in die Praxis kämen. Auch, wenn ihre Kinder Fieber oder Verletzungen hätten. Ein besonders drastischer Fall: Ein Elternpaar kam mit seinem unter drei Monate altem Baby in Möhlmanns Praxis.
Das Kind hatte schon drei Tage lang 39 Grad Fieber gehabt. Vor Ort diagnostizierte die Kinderärztin eine Nierenbeckenentzündung. Der Fall hat Möhlmann sehr zu denken gegeben: „Größere Kinder können sich gut bemerkbar machen, wenn ihnen etwas fehlt. Bei so kleinen Säuglingen muss man aber sehr vorsichtig sein.“
Kinderärzte sprechen von Verunsicherung und erhöhtem Beratungsbedarf
Möhlmann ruft deshalb dringend dazu auf, mit Kindern unter einem und insbesondere unter einem halben Jahr in die Praxis zu kommen, wenn etwas nicht stimmt. Das müsse nicht gleich Fieber, sondern könnten zum Beispiel auch Fütterungsstörungen sein: „Wenn Säuglinge nicht richtig zunehmen, kann das sehr schnell gefährlich werden.“
Andere Kinderärzte berichten ebenfalls von einem erhöhten Beratungsbedarf und großer Verunsicherung bei den Eltern. Jule Glad ist medizinische Fachangestellte in der Kinderarzt- und Lungenfachpraxis von Uwe Mellies in Bredeney. Sie bestätigt: „Die Eltern sind häufig unsicher, ob sie wirklich kommen sollen. Der Doktor klärt sie dann auf.“
Viele Notfallsprechstunden werden im Moment nicht genutzt
Die Notfallsprechstunde sei momentan komplett leer, es kämen auch viel weniger Leute ohne Termin. Und: Generell seien momentan mehr Auskünfte gefragt: „Viele Eltern sind zum Beispiel nicht sicher, ob die Impfungen ihrer Kinder wirklich stattfinden.“
Martin Elsner, Kinderarzt mit Praxis im Ostviertel, verzeichnet einen Patientenrückgang von 50 Prozent in seiner Praxis. Er beobachtet ebenfalls, dass weniger Eltern den Notdienst in Anspruch nehmen und dass der Beratungsbedarf am Telefon steigt.
Je jünger das Kind, desto wichtiger der Praxisbesuch
Auch er empfiehlt vor allem Eltern von Säuglingen, in die Praxis zu kommen, wenn sie Symptome irgendeiner Art zeigen – in den ersten drei Lebensmonaten noch am gleichen Tag: „Bei so kleinen Kinder ist das Immunsystem sehr empfindlich. Je jünger sie sind, desto wichtiger ist es, dass sie einem Arzt vorgestellt werden.“
Dabei sei es ganz wichtig, verunsicherten Eltern zu vermitteln, dass sie sich nicht vor einer Ansteckung fürchten müssten: „Wir sind auf die Situation vorbereitet, Sie können kommen.“ Das betont auch Möhlmann. Sie hat die Sprechstunde in ihrer Praxis zweigeteilt: Morgens kommen gesunde Kinder zur Vorsorgeuntersuchung oder Impfung, nachmittags die Kranken. Außerdem darf maximal ein Kind ins Wartezimmer.
Wie Covid-19 bei Kindern verläuft
Laut Robert-Koch-Institut (RKI) ist noch unklar, ob Kinder weniger häufig an Covid-19 erkranken als Erwachsene. Die Symptomatik der Erkrankung scheint bei Kindern jedoch häufig geringer ausgeprägt als bei Erwachsenen. Trotzdem können, insbesondere bei jüngeren Kindern, schwere Verläufe vorkommen.
Wer befürchtet, dass er oder sein Kind sich mit dem Virus angesteckt hat, sollte die zuständige Arztpraxis immer zuerst telefonisch kontaktieren. Außerdem sollte man in diesem Fall auch das Bürgertelefon der Stadt Essen unter 0201 123-8888 kontaktieren. Alternativ kann man sich auch unter 116117 beim ärztlichen Bereitschaftsdienst melden.
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