Essen. Viele Bürger meiden das Infektionsrisiko in der Praxis. Essener Ärzte loben das Verantwortungsbewusstsein. Doch finanzielle Einbußen drohen.
Verunsicherung und Angst angesichts der Corona-Pandemie wachsen, viele Menschen folgen der Empfehlung, zu Hause zu bleiben. Das zeigt sich auch in den Wartezimmern der niedergelassenen Ärzte in Essen: Patienten meiden offenbar das Risiko, sich beim Arztbesuch anzustecken.
„Die Arztpraxen sind leerer, obwohl Verunsicherung und Beratungsbedarf eher zunehmen“, bestätigt Ralph-Detlef Köhn, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Essen. Der Grund: Patienten folgten den Empfehlungen von Ärzten, vor einem geplanten Praxisbesuch erst einmal telefonisch Kontakt aufzunehmen. Dies bewertet Köhn positiv: „Wir sind sehr froh, dass die Patienten so vernünftig sind.“
Wo es möglich ist, werden Patienten telefonisch beraten
In den Praxen werden währenddessen Schutzmaßnahmen ergriffen, um die Ansteckungsgefahr so gering wie nur möglich zu halten. Köhn selbst ist Internist und führt gemeinsam mit seiner Frau eine internistisch-hausärztliche Praxis in Freisenbruch. Er hat seine Telefon-Sprechstunde ausgebaut, übergibt bestellte Rezepte außerhalb der Praxis und hat einen separaten Eingang und Untersuchungsraum für Patienten mit Grippesymptomen.
Ähnlich sieht es bei Michael Hill, Allgemeinmediziner mit Praxis in Borbeck, aus. Er hat eine Zugangsbegrenzung für sein Wartezimmer festgelegt: Jeweils nur ein Patient sitzt nun dort. Außerdem hat auch er seine Patienten gebeten, sich im Falle eines Infekts erst einmal telefonisch beraten zu lassen. Die Zeiträume zwischen Routineuntersuchungen werden gestreckt, wenn es medizinisch möglich ist.
Kinderärztin warnt: Vorsorge und Impfungen für Säuglinge nicht verschieben
Kinderärztin Christiane Möhlmann rät Eltern von größeren Kindern ebenfalls, nicht zwingend notwendige Routineuntersuchungen zu verschieben. In ihrer Praxis gibt es nun zwei verschiedene Sprechstunden: Morgens eine für gesunde Kinder, die zum Beispiel für eine Impfung kommen, nachmittags eine für Kranke.
„Die Leute sind sehr vorsichtig geworden. Es kommen viel weniger Leute mit Fällen, die nicht akut sind“, sagt die Kinderärztin. Dabei bereite ihr jedoch eines Sorgen: Einige Eltern würden auch die Vorsorgeuntersuchungen oder Impftermine ihrer Säuglinge verschieben. „Bei so kleinen Kindern ist es wirklich wichtig, diese Termine wahrzunehmen“, lautet Möhlmanns Appell.
Sinkende Patientenzahlen führen zu finanziellen Einbußen
Die fehlenden Patienten in der Praxis sind auf der anderen Seite zwangsläufig mit wirtschaftlichen Einbußen für Ärzte verbunden. „Das Honorarsystem ist auf den persönlichen Kontakt ausgelegt“, erklärt Köhn. „Natürlich bereiten uns, wie allen anderen, die finanziellen Folgen große Sorgen.“ Im Vordergrund stehe aber jetzt, die Pandemie zu stoppen.
Die finanziellen Einbußen treffen in besonderem Maße Fachärzte, deren Patienten in der Regel vom Hausarzt an sie verwiesen werden. Denn gehen aktuell weniger Menschen mit ihren Beschwerden zum Arzt, so gibt es auch weniger Überweisungen. „Wir haben 30 bis 50 Prozent weniger Patienten“, berichtet zum Beispiel Karlgeorg Krüger, Radiologe und Inhaber des Diagnosezentrums „Diavero“ Essen-Kupferdreh.
Radiologe: „Man macht sich Sorgen um die Zukunft“
„Einen solchen Einbruch haben wir noch nie erlebt“, so der Radiologe. „Und wir müssen schließlich die Gehälter unserer Mitarbeiter weiterbezahlen. Da macht man sich schon Sorgen um die Zukunft.“ Denn von Notfällen allein könne man nicht leben.
Um Patienten zu schützen, hat Krüger sein Wartezimmer komplett geschlossen. Stattdessen warten die Patienten auf Bänken mit dem nötigen Abstand. Die Befunde werden nicht mit Wartezeit vor Ort vergeben, sondern nach Hause geschickt: „Wir tun alles, um die Verweildauer in der Praxis zu reduzieren.“
Vorsitzender der KV: Bürger sollten in Arztpraxen Mundschutz tragen
In einem Punkt sind sich alle Ärzte einig: Sie benötigen dringend mehr Schutzkleidung, um das Ansteckungsrisiko in den Praxen noch weiter zu verringern. Köhn weist zusätzlich darauf hin, dass auch Bürger einen Beitrag dazu leisten könnten, die Infektionsgefahr zu senken.
„Toll wäre es, wenn möglichst viele Essener beim Einkaufen, aber gerade auch bei einem Praxisbesuch einen einfachen Mund-Nasen-Schutz tragen könnten“, so der Internist. Dieser schütze nicht vor Ansteckung, aber vor der Übertragung an andere. Denn man müsse von einer hohen Dunkelziffer an symptomarmen oder gar symptomfreien Virusüberträgern ausgehen.
Bei Corona-Symptomen immer erst telefonisch Kontakt aufnehmen
Vor allem bei Krankheitszeichen der Atemwege empfiehlt die Bundesregierung, eine Arztpraxis erst nach telefonischer Voranmeldung aufzusuchen. Das Coronavirus äußert sich insbesondere durch Husten, Fieber und Kurzatmigkeit.
Das Bürgertelefon der Stadt Essen ist täglich von 8 bis 18 Uhr unter der Rufnummer 0201 123-8888 für alle Fragen um das Thema Coronavirus erreichbar. Bei Symptomen kann man sich alternativ auch an den ärztlichen Bereitschaftsdienst wenden. Er ist bundesweit unter der Telefonnummer 116 117 zu erreichen.
Alle Entwicklungen zum Thema Coronavirus in Essen im Newsblog.