Essen-Kettwig. In der Corona-Krise arbeitet die Bezirksvertretung IX digital und vergibt per Videokonferenz fast 200.000 Euro für Schule und Kultur.
Kein Stillstand bei der Politik im Essener Süden: Mit einer Videokonferenz bewiesen die Fraktionsvorsitzenden der Bezirksvertretung IX und Bezirksbürgermeister Benjamin Brenk demokratische Handlungsfähigkeit trotz Corona.
Eigentlich wollten sie sich am 31. März im Sitzungssaal des Rathauses Kettwig treffen. Eigentlich. Doch die 19 Mitglieder der Bezirksvertretung blieben daheim. Die Kommunalpolitik kann aufgrund der Corona-Pandemie momentan nicht tagen und dementsprechend auch keine Beschlüsse in öffentlichen Sitzungen fassen.
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Den Bezirksvertretern lag aber die zweite Haushaltsmittelvergabe des Jahres 2020 sehr am Herzen. Da die Verwaltung einen gewissen Vorlauf brauche, sei hier eine schnelle Entscheidung notwendig. Nur so könne die Umsetzung beschlossener Maßnahmen für Spielplätze, Schulen und die Kulturarbeit noch in diesem Jahr erfolgen.
Zwei Stunden lang berieten die Bezirksvertreter per Videokonferenz
Doch dieses Vorhaben erforderte eine alternative Umsetzung mit Hilfe technischer Unterstützung: Eine Videokonferenz musste her. Dort berieten die Vorsitzenden der Fraktionen, Stephan Sülzer (CDU), Daniel Behmenburg (SPD), Anna Leipprand (Grüne) und Holger Ackermann (Bürgerlich Liberale Fraktion) sowie die Einzelvertreterin Ursula Lötzer (Linke) zwei Stunden lang über den Bezirkshaushalt und beschlossen, Haushaltsmittel in Höhe von 191.597,99 Euro freizugeben.
Die Verwaltungsbeauftragte Brigitte Harti war zugeschaltet und auch Bezirksbürgermeister Benjamin Brenk (SPD): „Ich war positiv überrascht. Es herrscht die Gefahr, dass alle durcheinander reden. Aber der Kreis war nicht zu groß und sehr gut arbeitsfähig. Alle zeigten sich sehr diszipliniert. Wir konnten beweisen, dass selbst solch eine Krise keinen Stillstand der Politik bedeutet.“ Man habe fraktionsübergreifend und verantwortungsbewusst gehandelt, ohne Parteiinteressen in den Vordergrund zu stellen. Das sei nur ein halbes Jahr vor einer Kommunalwahl keine Selbstverständlichkeit.
Vielen Lokalpolitikern fehlt dennoch der persönliche Kontakt
CDU-Sprecher Stephan Sülzer empfindet Videokonferenzen als ungewohnt: „Das kam alles ziemlich plötzlich für uns in der Politik, genauso wie in unserem Berufsleben. Der persönliche Kontakt ist mir schon sehr wichtig. Aber in jetziger Zeit geht es nicht anders. Solche Videochats sind anstrengend, aber wir wollten mit der Mittelgabe Sicherheit schaffen. Umso schöner, dass wir unseren den Konsens suchenden Stil der Vergangenheit aufrecht erhalten haben.“
Daniel Behmenburg von der SPD betont: „Ich bin ein digitaler Mensch. Von daher war das eine total spannende Sache. Wir haben da Neuland betreten. Es war sehr effektiv. Uns war wirklich wichtig, dass unser demokratisches System weiterläuft. Dennoch sind reguläre BV-Sitzungen besser. Es fehlte schon der persönliche Kontakt. Videokonferenzen also nur solange, wie Präsenzveranstaltungen nicht möglich sind.“
Auch die Bürgersprechstunden könnten digital angeboten werden
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Für Bezirskbürgermeister Benjamin Brenk hat diese digitale Sitzung einen nicht zu unterschätzenden Nebeneffekt: „Wir haben auch gezeigt, dass wir ein modernes Stadtteilparlament sind.“ So könnte sich der Bezirksbürgermeister durchaus vorstellen, während der Corona-Krise auch seine Bürgersprechstunden digital anzubieten: „Beruflich sitze ich zurzeit ohnehin täglich in Videokonferenzen.“
Doch wie soll man den Kontakt gerade zu den älteren Mitbürgern aufrecht erhalten? Brenk möchte da über Ostern nachdenken: „Mir ist schon wichtig, weiterhin präsent und ansprechbar zu sein.“ Auch die nächste BV-Sitzung am 28. April stehe unter Vorbehalt: „Uns wurde empfohlen, Sitzungstermine zu schieben.“ Brenk hat die Hoffnung, zumindest am 26. Mai wieder in großer Runde tagen zu können: „Ich möchte ungern weiter mit Dringlichkeitsbeschlüssen arbeiten.“
Die BV IX vergibt fast 200.000 Euro für Spielplätze, Schulen und Kulturarbeit
Wie in der Gemeindeordnung für Ausnahmesituationen vorgesehen, zeichneten Bezirksbürgermeister Benjamin Brenk und Stephan Sülzer als Vertreter der CDU-Mehrheitsfraktion in der Videokonferenz eine Dringlichkeitsentscheidung zur Vergabe der fast 200.000 Euro an Haushaltsmitteln gegen. Der Schwerpunkt lag auf der Unterstützung für die Schulen und die Spielplätze im Bezirk. Für Brenk eminent wichtig: „So zeigen wir auch deutlich, dass es ein Leben nach der Corona-Krise geben wird. Das ist für mich ein wichtiges Signal an die Menschen hier im Essener Süden.“
In Kettwig soll an der Jakob-Muth-Schule angestrichen und die Sanitärausstattung des Toilettenpavillons ausgetauscht werden. Am Spielplatz Alte Fähre soll für 10.000 Euro der Kleinkinderbereich überarbeitet werden. Die Fischlaker Schule bekommt neues Spielgerät für 25.000 Euro, die Werdener Heckschule erhält insgesamt Zuschüsse in Höhe von 14.500 Euro für einen Niedrigseilgarten und ein Projekt zur Prävention.
Kultureinrichtungen in den Stadtteilen werden finanziell unterstützt
Am Spielplatz Wintgenstraße wird der Kleinkinderbereich für 15.000 Euro neu gestaltet, auch Am Volkswald soll mit 10.000 Euro ein Teilbereich überarbeitet werden. Das Ehrenamt im Bezirk wird ebenfalls unterstützt: Für das Konzept „Nette Toilette“ in Kettwig werden 4800 Euro bereitgestellt, für die Skulptur „Das Tuch“ am Kettwiger Unterwasser gibt die BV einen Zuschuss von 3800 Euro, der Bürgerfunksender „Welle Werden“ wird mit 506 Euro gefördert.
Vorschlag: Öffentliche Videokonferenz auf der Ruhrhalbinsel
Auch CDU-Politiker und Ratsherr Dirk Kalweit bringt nun in die politische Debatte den Vorschlag ein, erstmals und als Modellversuch die nächste Sitzung der Bezirksvertretung Ruhrhalbinsel als öffentliche Videokonferenz stattfinden zu lassen.
Ziel sei es, in einer Krisensituation in Form eines transparenten Verfahrens den parlamentarischen Regelbetrieb aufrechtzuhalten, um den überparteilichen beziehungsweise interfraktionellen politischen Austausch zu gewährleisten, wichtige Informationen weiterzugeben, aber auch den nicht krisenbedingten Themen Raum zur Beratung und zur Beschlusslage zu geben.
Eine öffentliche Videokonferenz der Bezirksvertretung Ruhrhalbinsel könnte auch als Modellversuch dienen, heißt es in seiner Mitteilung. Kalweit hat diesen Vorschlag bereits allen Mitgliedern der BV VIII unterbreitet, wünscht sich aber noch eine grundsätzliche Debatte dazu in der Öffentlichkeit.
Auch konnte man sich auf die Vergabe von 7694 Euro für die bezirkliche Kulturarbeit verständigen. Gerade für die Vereine ein wichtiger Beitrag, um ihre Veranstaltungen umsetzen zu können. Die Ehrenamtlichen vor Ort sollten finanzielle Planungssicherheit erhalten. So wurden Zuschüsse vergeben für förderwürdige Projekte der Interessengemeinschaft Bahnhof Kettwig, der Kettwiger Vokalmusik und des Kammerchors Kettwig; in Werden werden der ökumenische Arbeitskreis Serpaf, der Förderverein Evangelische Kirche, das Gymnasium Werden, die Kulturinitiative KIES im JuBB und die Künstlerin Scarlett Schauerte bezuschusst. Für eine dritte Vergabe verbleiben noch 159.202 Euro im Etat.