Essen-Ruhrhalbinsel. Grauenvolle Szenen, Frechheiten gegenüber Personal, ausverkaufte Artikel beklagt Essener Geschäftsführer. Heisinger tragen Schutzmasken.

Die Hamsterkäufe reißen nicht ab. Noch immer bunkern viele Menschen Toilettenpapier, Mehl und Nudeln. Andere gehen trotz regelmäßiger Nachlieferungen in den Geschäften leer aus. Wie ein Kampf gegen Windmühlen gestaltet sich derzeit für manchen Lebensmitteleinzelhandel auf der Ruhrhalbinsel die Nachbestellung bestimmter Waren. Als Schutzmaßnahmen für Mitarbeiter gibt es Abstandslinien, Plexiglasscheiben und Atemschutzmaske.

Vor allem im Stadtteil Burgaltendorf reißt der Ansturm nach Toilettenpapier, Mehl und Trockenhefe nicht ab. Gibt es im Dorf an der Grenze zu Hattingen wirklich Menschen, die mit dem Fernglas beobachten, wann die Lastwagen der Handelsketten neue Ware bringen, um dann gleich in die Läden zu stürmen? Edeka-Geschäftsführer Volker Knödgen hält es für nicht ausgeschlossen. Andere Kunden gehen dann regelmäßig leer aus.

Stark erhöhte Nachfrage bei Toilettenpapier, Mehl und Trockenhefe

Schutz durch die Plexiglasscheibe erhält Azubi Dai-Neng Ye an der Kasse bei Edeka in Burgaltendorf.
Schutz durch die Plexiglasscheibe erhält Azubi Dai-Neng Ye an der Kasse bei Edeka in Burgaltendorf. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

„Seit einer Woche gibt es in Burgaltendorf weder bei Aldi, Rewe oder Edeka Mehl, Toilettenpapier, Trockenhefe. Ist das die immer erwähnte Versorgungssicherheit? An Hamsterkäufen kann es nicht liegen, denn es wird den Geschäften nicht angeliefert!“, teilte Leser Alfred Büscher der Redaktion mit.

An der Alten Hauptstraße berichtet Knödgen von „grauenvollen“ Szenen in seinem Frischemarkt. Der Ladeninhaber ist entsetzt über das unsolidarische Verhalten einiger Kunden. So komme es dazu, dass trotz regelmäßiger Belieferung bestimmte Artikel fast ständig ausverkauft seien. Wie vielerorts bestehe seit der Corona-Krise eine stark erhöhte Nachfrage nach Toilettenpapier, Mehl und Trockenhefe. Was seine 28 Mitarbeiter eben in die Regale geräumt haben, ist kurz darauf schon wieder vergriffen.

Kassierinnen müssen ungewöhnlichem Ansturm gerecht werden

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Mit Sorge beobachtet er „die Frechheiten gegenüber seinem Personal.“ In Schichten arbeiten die Verkäufer und Kassiererinnen, um dem ungewöhnlichen Ansturm gerecht zu werden. Oft würden sie von Kunden beschimpft und müssten Streitigkeiten um bestimmte Waren schlichten. „Ich bin froh, dass meine Leute die Nerven behalten“, fügt der 58-jährige Geschäftsführer hinzu.

Bei Toilettenpapier, Mehl, Hefe und Nudeln habe man den Verkauf inzwischen sogar auf ein Paket pro Verbraucher rationieren müssen. Nur so ließe sich übertriebenes Hamstern unterbinden. Leider stoße diese Maßnahme bei einigen Burgaltendorfern auf Unverständnis.

Aufruf zu Solidarität und Rücksichtnahme

Schützt seine Kunden, Mitarbeiterinnen und sich mit Atemschutzmasken: Peter Rotthaus in seiner Heisinger Postfiliale.
Schützt seine Kunden, Mitarbeiterinnen und sich mit Atemschutzmasken: Peter Rotthaus in seiner Heisinger Postfiliale. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Knödgen ruft zu Solidarität und Rücksichtnahme auf, damit alle etwas bekommen. Es gebe keine Lieferengpässe zu befürchten. „Meine Leute leisten Großartiges, um die Versorgung sicherzustellen“, lobt der Kaufmann die Belegschaft. Am Sonntag sollen sich seine Mitarbeiter ausruhen dürfen. „Der Laden bleibt geschlossen!“

Tagtäglich seien sie der Gefahr der Ansteckung ausgesetzt. Gedränge vor den Kassen sollen Linien auf dem Fußboden vermeiden. Sie gewähren anderthalb Meter Abstand zwischen dem Vor- und Hintermann. Mit Plexiglasscheiben sollen die Kassiererinnen vor einer Tröpfcheninfektion bewahrt werden.

Auch bei Rewe kein Toilettenpapier und keine Trockenhefe

Auch die Rewe-Filiale an der Dumberger Straße kann den Wunsch nach Paletten voller Toilettenpapier derzeit nicht erfüllen. Trockenhefe war am Freitagvormittag ebenfalls ausverkauft. Aber: „Die Warenversorgung ist unverändert stabil“, unterstreicht Kristina Schütz von der Rewe Group in Dortmund. „Unsere Kolleginnen und Kollegen in den Märkten, Lagern und Zentralen arbeiten mit äußerstem Einsatz, um die Voraussetzungen zu schaffen, damit alle Regale immer so kurzfristig wie möglich wieder aufgefüllt werden können.“

Und bei Aldi an der Alten Hauptstraße? „Der Warenfluss ist gesichert“, sagt Pressesprecherin Verena Lissek auf Anfrage. Bei der momentanen Situation könne es aber zu Verzögerungen kommen.

In Heisinger Postfiliale nutzen Mitarbeiter Atemschutzmasken

Heisinger Buchhandel bietet Bringservice an

Die Heisinger Buchhandlung bietet einen Bringservice an: allerdings ausschließlich im Stadtteil. Für den Einzelhandel wie eine Buchhandlung ist das in der Corona-Krise eine Chance, die Existenz zu retten.

Wird eine Ausgangssperre verhängt, würden Bücher direkt an Endkunden verschickt. Zusätzliche Kosten betrügen dann 3,50 Euro.

Bücherbestellung: telefonisch unter 46 65 25 oder schulte-bockholt@gmx.de

Entspannter beschreibt Peter Rotthaus die Situation in seiner Heisinger Postfiliale, in der er und seine beiden Mitarbeiterinnen seit Freitagmorgen Atemschutzmasken tragen. „Die habe ich im Vorfeld besorgt und die Nutzung mit den Mitarbeiterinnen besprochen, sie waren dafür“, sagt Peter Rotthaus. Immerhin hätten sie tagtäglich zahlreiche, direkte Kontakte.

In Burgaltendorf arbeiten Marktleiterin Sabrina Ehlers (li.) und Dorothea Hackmann (Abteilungsleitung Tiefkühl und Frische) bei Edeka Knödgen.
In Burgaltendorf arbeiten Marktleiterin Sabrina Ehlers (li.) und Dorothea Hackmann (Abteilungsleitung Tiefkühl und Frische) bei Edeka Knödgen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Sie wollen sich schützen, „wir können aber auch nicht riskieren, den Virus zu verbreiten“, sagt der Inhaber zu seiner Verantwortung. Dass die Kunden bei dem Anblick der Atemschutzmasken kaum reagierten, das habe ihn dann aber doch überrascht. Ein, zwei Kommentare, ein Scherz in Richtung Karneval, das war’s. Nun müssten sie mit diesen Exemplaren auskommen, Nachschub gebe es ja nicht, weiß der Chef inzwischen.

Apotheken-Kunden warten vor der Eingangstür

Überhaupt beschreibt Peter Rotthaus die Situation in seinem Stadtteil als eher entspannt, die Kunden seien durchaus diszipliniert, hielten den nötigen Abstand ein, beschreibt er, während wenige Ladenlokale weiter der Verkauf aus der Apotheke durch die halb geschlossene Eingangstür vonstatten geht. Die Kunden warten geduldig auf dem Gehsteig – in gebührendem Abstand.

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