Essen. Abstand statt Umarmung: Verfügung der Stadt regelt in Corona-Krise auch Beerdigungen. Nur Verwandte 1. Grades und Geschwister dürfen teilnehmen.
Kein Abschied am offenen Sarg, die Zahl der Trauergäste eingeschränkt und Abstand statt tröstender Umarmung: Die Folgen der Corona-Krise treffen diejenigen besonders hart, die ohnehin eine schwere Zeit durchmachen, weil sie einen Angehörigen, Partner oder Freund verloren haben. Denn Einschränkungen gelten ab sofort auch für Beerdigungen. An diesen dürfen nur noch Verwandte ersten Grades und Geschwister teilnehmen.
In ihrer tiefen Trauer reagieren manche Angehörigen nun verzweifelt, wenn sie erfahren, dass es keine Trauerfeier gibt, die Kapelle geschlossen ist und sie einige der Trauergäste wieder ausladen müssen, schildert Bestatterin Barbara Baumgarten das, was sie bereits erlebt. Sie führt das Heisinger Beerdigungsinstitut Haltermann mit ihrer Tochter in fünfter Generation, ist gleichzeitig die zweite Vorsitzende im Stadtverband der Bestatter – und muss jetzt wie ihre Kollegen die Trauernden auch auf die geltenden Vorschriften hinweisen.
Manche Trauernde sagen Kaffeetrinken bereits selbst ab
Abgesehen von den erheblichen Einschränkung durch den Verwandtschaftsgrad, achtet die Bestatterin darauf, dass die Trauernden Abstand halten und stellt fest, dass sie das nun ohnehin tun. Manche hätten bereits in Eigeninitiative das Kaffeetrinken mit 30 Personen abgesagt, andere haben Einladungen zurückgenommen, so dass sie die 80 Totenbriefe nicht verschicken wird. Beerdigungen fänden nun mitunter mit zehn statt wie geplant mit 40 Trauergästen statt.
„Der Sarg oder die Urne stehen vor der Trauerhalle“, beschreibt Barbara Haltermann. Der Sarg bleibe geschlossen, „wer sich in dieser Zeit verabschieden muss, muss das zuvor im Krankenhaus oder im Altenheim tun“, nennt sie Situationen, die für manche nur schwer erträglich seien. „Die Menschen haben eine Vorstellung von einer Beerdigung, von diesem letzten Weg und dem Abschied“, weiß die Bestatterin aus Erfahrung. Für einen sehr gläubigen Angehörigen sei schon der Gedanke einer Bestattung ohne Messe derart unerträglich gewesen, dass er die Kirche habe mieten wollen.
Einschränkungen lösen auch Schock und Verzweiflung aus
Schock und Verzweiflung mischen sich derzeit bei manchen Trauernden unter den Schmerz, wenn sie von den Einschränkungen erfahren. Barbara Baumgarten muss aber nicht nur Angehörige aufklären, sondern ebenso auf den Schutz ihrer Mitarbeiter („auch sie sind Väter“) etwa bei der Überführung achten. Und sie hat weitere Konsequenzen gezogen: „Wir verzichten auf das Ankleiden der Toten“, sagt sie, da sie nicht wüssten, ob der Verstorbene möglicherweise mit dem Coronavirus infiziert sei.
Die Vorsichtsmaßnahmen bei Beerdigungen findet Gereon Alter, Pfarrer der Großpfarrei St. Josef auf der Ruhrhalbinsel, richtig. Die Bedenken der Angehörigen sind aber durchaus bei ihm angekommen. Es sei gar das Wort „unwürdig“ gefallen. Den Menschen, diese Sorge zu nehmen, sie in dem Moment aufzufangen, der für sie ohnehin eine emotionale Ausnahmesituation darstellt, das ist nun seine seelsorgerische Aufgabe.
Trauernde zeigen Eigenverantwortung
Bei den jetzt geltenden Vorgaben zähle aber ebenfalls die Eigenverantwortung der Menschen – und diese übernehmen die Trauernden durchaus. „Mich hat bereits eine Familie angerufen, die mit zwölf statt 40 Trauergästen kommt“, sagt Gereon Alter.
Dabei sei den Verantwortlichen der Stadt durchaus bewusst, dass die allgemeine Verfügung bei den Beerdigungen ein einschneidendes Erlebnis treffe, sagt Stadtsprecherin Jasmin Trilling. Das Ziel sei es, die Menschen zu schützen. Dafür müssen nun auch im Trauerfall die Gruppe der Anwesenden so klein wie möglich gehalten werden, bittet sie um Verständnis.
Geistliche und Bestatter sind auf die Stadt zugekommen
Bistum Essen informiert seine Gemeinden
Das Bistum Essen hat die Gemeinden über das Vorgehen bei Beerdigungen auf den katholischen Friedhöfen informiert: „Die städtischen Vorgaben sind zu beachten, das ist die Grundmaßgabe, die das Bistum an seine Gemeinden weitergegeben hat“, sagt Bistums-Sprecher Thomas Rünker.
Dazu zähle, Beerdigungsfeiern möglichst kleinzuhalten, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren. „Das sollte jeder schon mit Blick auf die schutzbedürftigen Gruppen berücksichtigen“, sagt Rünker.
Schon bevor der Beschluss gefasst wurde, Trauerhallen zu schließen und Trauerfeiern zu regeln, „sind Geistliche und Bestatter auf uns zugekommen“, sagt die Stadtsprecherin. Den Zuständigen vor Ort war schnell bewusst, dass die Enge, auf der die Menschen etwa in einer kleinen Kapelle sitzen, mit Blick auf Corona zu vermeiden ist.
Dass nun aber mit den strikten Vorgaben auch vermieden wird, dass sich etwa der Partner von seiner langjährigen Lebensgefährtin oder der Enkel von seiner Großmutter bei der Beerdigung verabschieden kann, das erscheint nicht jedem verständlich.
Angehörige sollen keine Auswahl treffen müssen
„Wir haben hochgerechnet, dass bei einer Trauergesellschaft schnell mehr 15 Personen zusammenkommen können“, sagt Jasmin Trilling. Mit der Verfügung habe man den Angehörigen ersparen wollen, eine Auswahl treffen zu müssen – „so traurig das ist.“
Nun sind die Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung durchaus angehalten, auf den Abstand der Anwesenden am Grab zu achten und ausdrücklich darauf hinzuweisen. Trauergäste sind aufgefordert, vom Händeschütteln, Beileidsbekundungen und Umarmungen abzusehen.
Keine Ausweiskontrollen am Grab
Gleichwohl, versichert Jasmin Trilling, werde es nicht Priorität des Ordnungsamtes sein, Beerdigungsfeiern zu überprüfen und etwa Verwandtschaftsgrade anhand von Ausweisen zu kontrollieren. Bei allen erforderlichen Maßnahmen und Verfügungen sichert sie mit Blick auf den Trauerfall und diese Ausnahmesituation ein „pietät- und wie rücksichtsvolles Vorgehen“ zu.
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