Essen. Überfüllte Wartezimmer in den Praxen, Schlangen in den Ambulanzen: Der Sprecher der Essener Hausärzte sagt, was Patienten und Ärzte nun sollen.

Überfüllte Wartezimmer in den Arztpraxen, Schlangen in den Notfall-Ambulanzen der Krankenhäuser: Die Ausbreitung des Coronavirus und die Angst der Menschen vor einer Infektion stellt das Essener Gesundheitssystem auf eine harte Belastungsprobe. Um den Andrang besser in den Griff zu bekommen und das Gesundheitssystem nicht zu überfordern, appelliert der Essener Ärztesprecher Dr. med. Ralph-D. Köhn eindringlich an die Vernunft der Patienten: "Wer jetzt grippeähnliche Symptome an sich feststellt, sollte zuerst mit seinem Hausarzt telefonieren."
Als Vorsitzender der Kreisstelle Essen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein vertritt Dr. Köhn in dieser Stadt die Interessen von 850 Praxen mit mehr als 1200 Ärzten. Das vorrangige Ziel sei jetzt, "die Infektionsketten zu unterbrechen". Denn durch den Andrang in Wartezimmern und Ambulanzen erhöhe sich das Infektionsrisiko für Patienten und ärztliche Mitarbeiter.

Rückkehrer aus Risikogebieten sollen das Bürgertelefon anrufen

Mehrere Empfehlungen, so Köhn, seien in der gegenwärtigen Situation nun unbedingt zu beachten. "Patienten mit einem grippalen oder fieberhaften Infekt sollten nicht sofort die Arztpraxis oder sogar eigenständig eine Krankenhaus-Ambulanz aufsuchen, sondern in einem Telefonat mit dem Arzt zu einer ersten Risikoabschätzung kommen." Solche "Ferndiagnosen" seien für den verunsicherten Patienten sehr hilfreich.
Menschen, die aus den vom Robert-Koch-Institut ständig aktualisierten Risikogebieten wie in NRW dem Kreis Heinsberg heimkehrten oder Kontakt zu einem bestätigten Corona-Patienten hatten, seien wiederum gut beraten, bei Symptomen das Bürgertelefon der Stadt Essen anzurufen. Es ist täglich, auch an Wochenenden, von 8 bis 18 Uhr unter der Rufnummer 0201 123-8888 erreichbar.

Coronavirus, grippale Infekte, Allergie durch Frühblüher - ähnliche Symptome

Nicht nur das grassierende Coronavirus sorge momentan für Probleme. "Wir haben gerade auch die typische Zeit grippaler Infekte, hinzu kommen die Frühblüher, die Allergie-Patienten zu schaffen machen - alle drei weisen ähnliche Symptome auf", so Köhn.
Für eine spürbare Entspannung in den Essener Hausarzt-Praxen könne auch eine Trennung der Patientenströme sorgen. Falls möglich sollten jetzt getrennte Eingänge und separate Untersuchungsräume geschaffen werden. Patienten mit grippalen Symptomen oder gar einer möglichen Corona-Infektion könnten dann getrennt von den übrigen Patienten behandelt werden. Eine weitere Art der Trennung sei eine separate Sprechstunde – je nach Praxismöglichkeiten.

"Das Gespräch über den Kurantrag muss jetzt nicht sein"

"Die Praxen sind momentan sehr gefordert", berichtet der Ärztesprecher. Von Routinebesuchen beim Hausarzt bittet er deshalb Abstand zu nehmen. "Das Gespräch über den Kurantrag muss nicht in Zeiten der Corona-Pandemie stattfinden." Ein anderes Beispiel: Der ältere und mehrfach vorerkrankte Rentner, der zur Corona-Hochrisikogruppe gehöre und nun routinemäßig und berechtigt seinen Blutdruck gemessen haben möchte, möge sich mit seinem Hausarzt telefonisch vorab absprechen.
Dem Team von Dr. Köhn, der auch hausärztlich tätiger Internist ist, ist seit Ausbruch der Pandemie noch kein Fall einer Coronavirus-Infektion untergekommen, "wohl aber Fälle einer echten Virusgrippe".

Ärztesprecher wünscht sich umfangreichere Testungen

Allerdings hält Köhn die Dunkelziffer bislang nicht erkannter Patienten bzw. Virusüberträger für höher und würde sich Möglichkeiten umfangreicherer Testungen wünschen. Damit seien aber die niedergelassenen Praxen logistisch wie administrativ überfordert. Um drohende Praxisschließungen durch Quarantänemaßnahmen bei Kontakt zu Corona-Positiven zu verhindern, sei es besonders wichtig, Risikopatienten noch vor Betreten einer Praxis zu identifizieren.

Eine gute Nachricht in Zeiten wachsender Verunsicherung: Zum Glück gebe es in ganz Essen noch keinen einzigen Fall, in dem eine Arztpraxis wegen einer Quarantäne oder der Erkrankung eines ärztlichen Mitarbeiters geschlossen werden musste. Das zeige, wie eminent wichtig die Trennung der Patienten sei. Köhn im Namen seiner Kollegen: "Wir alle sind jetzt gemeinsam gefordert: mit vorausschauendem Mitdenken und verantwortungsvollem Handeln."