Essen-Überruhr. Die Krebsdiagnose war ein Schock, nun kommt noch die Sorge wegen Corona: Ein Ehepaar aus Essen schildert, wie es mit der Situation umgeht.

Die Diagnose, die ihr Mann kurz vor Weihnachten erhielt, schockte das Ehepaar Jäkel: Der 67-Jährige ist an Krebs erkrankt. Und nun die Corona-Epidemie. „Jetzt, da wir so alt geworden sind, erleben wir noch solch eine Situation. Ausgerechnet jetzt“, sagt seine Frau Jutta Jäkel, da ihr Mann nun als besonders gefährdet gilt. Wie sie den Alltag meistern, mit Mundschutz und ängstlichen Blicken - und trotzdem Hoffnung und Humor nicht verlieren.

„Wir sind gern zu Hause, und im Garten ist ja immer auch was zu tun“, beschreibt Jutta Jäkel ihren Alltag, der sich längst auf das Nötigste beschränkt, seit ihr Mann die Chemotherapie erhält. Ins Krankenhaus fahre dieser mit dem Taxi und auch seine Frau ist bemüht, den öffentlichen Nahverkehr zu meiden. Beim Einkaufen achtet sie besonders darauf, den entsprechenden Abstand einzuhalten. „Aber das ist ja kaum immer möglich“, sagt die Überruhrerin und denkt dabei auch an die Kassiererin.

In den Supermarkt nur mit Handschuhen

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Geht Heinrich Jäkel mal ausnahmsweise mit seiner Frau in den Supermarkt: „Dann ist er fast vermummt“, sagt diese. Denn zum Mundschutz trägt er dann zudem Lederhandschuhe, wenn er den Einkaufswagen schiebt. „Einmalhandschuhe habe ich in seiner Größe nicht bekommen“, sagt Jutta Jäkel, die unlängst auch ihre liebe Mühe hatte, Mundschutz zu kaufen.

„Diesen zu tragen, das haben wir bereits vor Corona beschlossen“, sagt sie zu dieser Schutzmaßnahme. Als sie aber kürzlich hat neue Masken kaufen wollen, sei sie gleich in mehreren Drogeriemärkten erfolglos geblieben. Erst in einer Apotheke sei sie fündig geworden, es habe orangefarbene Masken gegeben, nur noch wenige Großpackungen seien übrig gewesen.

Wo sind diese ganzen Masken geblieben?

Mundschutz spenden und anfertigen

Das Thema Mundschutz und vor allem der Bedarf an Masken beschäftigte kürzlich auch die Stadt Essen. Diese kündigte an, bis zu 16.000 der Atemmasken vorsorglich nähen zu lassen. Das erfolgt nun.

Die Tafel indes bittet aktuell auch bei den Spenden um Hygienespray und Mundschutz. Kontakt:

„Wenn die Bürger diese Masken aufgekauft haben, frage ich mich allerdings, wo diese geblieben sind“, formuliert Jutta Jäkel, da ihr draußen noch niemand mit Mundschutz begegnet sei. Wäre es nicht sinnvoller, die Masken für diejenigen zu belassen, die diese wirklich benötigen, appelliert sie an die Mitmenschen. Panik halte sie nach wie vor für unangebracht, aber manchmal frage sie sich, ob man hätte eher eingreifen sollen, um diese Ausbreitung zu verhindern.

Ein weiterer Appell richtet sich an diejenigen, die sich wie jüngst die Jugendlichen lustig bei ihrem Anblick machten. Diese Blicke treffen ihren Mann, der sei jedoch zumindest gegenüber dieser Gruppe nicht zimperlich gewesen, habe seine Situation offen geschildert.

Auch der Sohn trägt bei Besuchen Mundschutz

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Diese führt derzeit auch dazu, dass die Familie Rücksicht nehmen muss. Als der Sohn beim Sperrmüll schleppen half, „da habe ich ihm einen Mundschutz bereitgelegt“, sagt die 63-Jährige. Alles machbar, sagt sie. Viel schmerzlicher trifft es die Großeltern nun aber, sich an eine ganz andere Empfehlung zu halten – nicht nur, weil sie sonst eher kontaktfreudig gewesen seien: „Unseren Enkel haben wir seit Januar nicht mehr gesehen“, sagt Jutta Jäkel. Und bei allen technischen Möglichkeiten etwa übers Internet und Skype, „ein gemeinsames Spiel ersetzt das nicht.“

„Besonders hart trifft es aber ja die Berufstätigen mit Kindern, wenn sie nicht die Möglichkeit haben, zu Hause zu bleiben“, denkt die 63-Jährige mit Blick auf die Corona-Folgen an andere. „Da haben wir es gut, wir müssen nicht mehr unbedingt irgendwohin.“ Zu ihren kleinen Abwechslungen zählen Gartenarbeit, Fernsehen schauen („Ich mag Tanzsendungen, weil ich selbst gern tanze“) und auch miteinander zu lachen. Den Humor nicht zu verlieren, das ist ihnen wichtig – „auch wenn es manchmal schwarzer Humor ist“.

Begegnungen im Supermarkt ängstigen Kunden mitunter

Gehe sie in den Supermarkt, gebe es durchaus die ein oder andere Begegnung, die sie im Nachhinein nachdenklich mache und mit der sie derzeit leben muss. Es sind Situationen, wie die vor dem Kaffeeregal, als die ältere Dame mit ihrem Rollator auszuweichen versuchte. „Ich habe gemerkt, dass sie zur Seite geht und ihren ängstlichen Blick gesehen.“ Als sie ihr den Grund für den Mundschutz erklärt habe, sei die Kundin sichtbar erleichtert gewesen.

Ein anderer Gang, ein weiteres Zusammentreffen und wieder schildert Jutta Jäkel ihre Situation, um ihrem Gegenüber die Angst zu nehmen. „Und dann hat die Frau geantwortet, dass sie all das vor Jahren selbst durchgemacht habe“, hat Jutta Jäkel erfahren und zum Abschied ein wenig Trost mit auf den Weg bekommen. „Mein Mann ist noch da“, habe die Frau gesagt, „das wünsche ich ihnen auch.“