Essen. Die Stadt empfiehlt ab jetzt, bei Veranstaltungen mit mehr als 25 Personen Teilnahmelisten anzulegen. Das halten Organisatoren für unpraktikabel.

Die Stadt Essen rät den Organisatoren von Veranstaltungen ab sofort dazu, von sämtlichen Besuchern Teilnehmerlisten ausfüllen zu lassen. Das würde im Fall von Neu-Infektionen erheblich dabei helfen, eine weitere Verbreitung des Coronavirus zu verhindern. Die Stadt argumentiert: Solche Listen von Veranstaltungen mit mehr als 25 Gästen würden massiv Zeit und Personal sparen bei der Suche nach Kontaktpersonen von Infizierten. Die Listen müssten Namen, Adressen und Telefonnummern enthalten.

Bei Veranstaltern stößt die Empfehlung der Stadtverwaltung aber auf Skepsis: „Eine Anwesenheitsliste ist sicherlich praktikabel für die Jahreshauptversammlung eines Schützenvereins, aber nicht für ein Regionalliga-Heimspiel von Rot Weiss Essen mit 11.000 Zuschauern“, sagt zum Beispiel Marcus Uhlig, der Vorsitzende von Rot-Weiss Essen.

Grugahalle: Atze Schröder kommt – trotz Coronavirus

Rot-Weiss Essen hat sein nächstes Heimspiel erst am 14. März. Viel früher ist die Grugahalle ausverkauft – am Freitag, 6. März, tritt Komödiant Atze Schröder auf. „Wir werden die Veranstaltung wie geplant stattfinden lassen“, teilt eine Sprecherin der Veranstaltungsagentur Bucardo mit. „Unterschriftenlisten mit den Gästen sind überhaupt nicht machbar bei Veranstaltungen einer solchen Größenordnung.“ Immerhin: Die Grugahalle trifft Vorkehrungen, um die Infektionsgefahr für Gäste einzudämmen – an den Eingängen werden Spender mit Hand-Desinfektionsmittel aufgestellt.

In der Grugahalle sollten am Mittwoch, 4. März, mehrere tausend Bedienstete der Stadtverwaltung zur jährlichen Personalversammlung auftauchen – doch die Stadt hat die Versammlung abgesagt. Auch ein geplanter „Bürger-Dialog“ mit Oberbürgermeister Thomas Kufen in Altendorf fiel am Dienstagabend aus – alles wegen „Corona“.

Kinobetreiber fragt: Was ist mit dem Datenschutz?

Kritisch ist auch Bernhard Wilmer vom Kino Lichtburg – das Lichtspielhaus mit Deutschlands größtem Vorführsaal (1200 Sitze): „Wenn man plötzlich Namen und Handynummern abfragt – was ist denn dann mit dem Datenschutz?“, fragt Wilmer.

Das Bistum Essen hält Anmeldelisten bei Gottesdiensten für nicht realistisch, sagt Bistumssprecher Ulrich Lota. Grundsätzlich könne er aber die Initiative der Stadt „dick unterstreichen“. Bei kleineren Kirchen-Versammlungen wie etwa Seniorenkaffee oder Pfarrgemeinderats-Sitzung seien Teilnehmerlisten oftmals schon üblich. Priester und Kommunionhelfer, die in Messen Hostien ausgeben, seien angehalten, die Hände gründlich zu waschen. Gläubige werden gebeten, bei der Benutzung von Weihwasser zurückhaltend zu sein.

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Die Theater und Philharmonie hat sich trotz der angespannten Lage nach Rücksprache mit der Stadt Essen dafür entschieden, den Spielbetrieb in ihren Häusern Aalto-Theater, Grillo-Theater und Philharmonie sowie in den kleineren Spielstätten des Schauspiel Essen vorerst aufrecht zu erhalten. Karten für bis Ende März stattfindende Veranstaltungen können dennoch kurzfristig gegen Tickets für einen späteren Termin umgetauscht werden.

Die Empfehlungen könnten auch in Verordnungen umgewandelt werden

„Wir wissen, dass wir an die Veranstalter derzeit nur Empfehlungen abgeben können“, sagt Ordnungs-Dezernent Christian Kromberg. „Wenn unsere Empfehlungen nicht ernst genommen werden, nehmen wir das zur Kenntnis.“ Anders als früher, als Bürger auch nach Stürmen – trotz aller Warnhinweise – die Wälder betraten, habe Kromberg jedoch jetzt das Gefühl: „Die Bürger nehmen die Angelegenheit sehr ernst und sind dankbar für Handlungs-Empfehlungen. Das merken wir zum Beispiel an unserem Bürger-Telefon.“ Allein am Montag gingen bei der Corona-Hotline der Stadt (0201-1238888) mehr als 400 Anrufe ein. Das Bürger-Telefon ist täglich, auch am Wochenende, von 8 bis 18 Uhr geschaltet.

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Die Stadt kann aus den Empfehlungen auch amtliche Verordnungen machen, denen Folge geleistet werden muss: „Wann das so weit wäre, ist derzeit nicht absehbar“, sagt Kromberg. Dazu müsste die Zahl der positiven Coronavirus-Tests in Essen erheblich ansteigen – und das Gefühl bei den Verantwortlichen vorherrschen, dass die Bürger die Sache nicht ernst nähmen. „Dieses Gefühl“, sagt Kromberg, „habe ich derzeit überhaupt nicht.“

Kromberg folgt bei seiner Argumentation den Bitten der Mediziner: „Jede Veranstaltung, deren Gäste dokumentiert sind, hilft.“ Dass man nicht alle Situationen erfassen könne, in den sich Bürger einem Infektionsrisiko aussetzen – zum Beispiel auch in Bus und Bahn –, sei klar.

Geno-Bank führte Risikoanalyse vor Veranstaltung durch

Während Veranstaltungen in der Stadt schon abgesagt wurden oder auf der Kippe stehen, hat sich die Geno-Bank dafür entschieden, ihre Vertreterversammlung am Mittwoch in der Philharmonie stattfinden zu lassen. Rund 600 Personen werden dort erwartet. Vorausgegangen sei eine Risikoanalyse, die das Robert-Koch-Institut empfiehlt, sagte eine Sprecherin. „Nach dieser Abwägung sind wir zu der Entscheidung gekommen, dass das Risiko vertretbar ist.“ Außerdem seien alle Personen, die zu der Versammlung kommen, namentlich bekannt. „Wir könnten also nachvollziehen, wer im Saal war – so wie es auch die Stadt empfiehlt“, betonte die Sprecherin der Bank.

Keine neuen bestätigten Fälle in Essen bis Dienstag, 15.10 Uhr

Unterdessen ist die Zahl der Verdachtsfälle in Essen am Dienstag auf 62 gestiegen – von zwölf Proben fehlten am Dienstagmittag noch die Ergebnisse. Alle anderen – bis auf den einen bekannten Fall in Kettwig – seien negativ ausgefallen. Das berichtete Gesundheits-Dezernent Peter Renzel auf Nachfrage. Er lobt das Zusammenspiel der Beteiligten von Stadt, Feuerwehr und anderen Einrichtungen: „Das Engagement aller in dieser Situation ist großartig.“

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