Essen. Demo mit Verdi: Bei einer besonderen Protestaktion im Essener Ratssaal stimmten Mitarbeiter der Theater und Philharmonie den „Gefangenenchor“ an.
Der Gefangenenchor aus „Nabucco“ ist im Aalto-Theater schon ein Evergreen. Am Samstag läuft die vorerst letzte und längst ausverkaufte Vorstellung der Oper, mit der Verdi seinen Ruf als Musiker der Revolution begründete. Revolution aber findet derzeit nicht nur auf der Bühne des Essener Musiktheaters statt, sondern auch hinter den Kulissen.
Mittlerweile ist der Protest der Mitarbeiter von Theater und Philharmonie (TuP) gegen Geschäftsführer Berger Bergmann sogar auf der Straße gelandet. Und so erklang der Gefangenenchor gestern einmal außerspielplanmäßig auf dem Porscheplatz und danach im Essener Ratssaal, wo mehr als 100 Mitarbeiter der Theater und Philharmonie im Vorfeld der Ratssitzung auf ihre Klagen aufmerksam machten.
Arbeitsgruppe „Wir handeln jetzt“ tritt erstmals aus der Anonymität
Mit dem öffentlichen Konzert tritt die Arbeitsgruppe „Wir handeln jetzt“ erstmals auch aus der Anonymität. Aus Angst vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen hält man die Namen der rund 400 Mitarbeiter, die den im Januar verfassten Brandbrief an Oberbürgermeister Thomas Kufen und die Mitglieder des TuP-Aufsichtsrates unterschrieben haben, bislang bei einem Notar unter Verschluss.
Dass man sich nun traue, dem Protest über den „unerträglichen Machtmissbrauch von Herrn Bergmann“ auch öffentlich eine Stimme und ein Gesicht zu geben, mache die Notlage der Belegschaft deutlich, hieß es gestern am Rande einer der wohl ungewöhnlichsten und musikalisch hochrangigsten Demo-Aktionen, die die Essener Kommunalpolitik bislang erlebt hat.
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Und so stimmten sie alle ein in Verdis Gänsehaut-Gassenhauer, der ja eigentlich ein Chor der unterdrückten Hebräer ist: Chorsänger, Techniker und Orchester-Musiker, von denen sich manche zwischen „Don Carlo“-Probe am Morgen und „Dornröschen“-Vorstellung am Abend noch Zeit für diesen denkwürdigen Auftritt auf der Rathaus-Empore abgezwackt hatten.
TuP-Belegschaft fordert einen unabhängigen Vermittler
Das Lied, findet mancher, sei passend ausgewählt: Schließlich fühle man sich auch „gefangen zwischen der Politik und der Geschäftsführung“, formulieren es die Theatermitarbeiter, deren zentrale Forderung gestern noch einmal auf Flugblättern nachzulesen war. Eine völlig unabhängige, externe Person müsse her, um „zur Aufklärung der prekären Situation an unserem Theater beizutragen“.
Nur einem neutralen Vermittler könnten die Mitarbeiter anvertrauen, „was ihnen persönlich bei der TuP durch Herrn Bergmann widerfahren ist“.
Dem Protest folgte keine politische Debatte
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Dem unerwarteten Kurz-Konzert im Ratssaal folgte allerdings keine politische Debatte, wie sich mancher vielleicht erhofft hatte. „Wir nehmen Ihre Anliegen ernst“, ließ Oberbürgermeister Thomas Kufen wissen und lobte einmal mehr „die anerkannt gute Arbeit“ der TuP-Belegschaft.
Der OB bleibt aber dabei, dass der von ihm eingesetzte Arbeitskreis – bestehend aus Mitgliedern des TuP-Aufsichtsrates und dem vorsitzenden Kulturdezernenten Muchtar Al Ghusain – seine Arbeit fortsetzen und schnellstmöglich Ergebnisse vorlegen soll. „Bitte haben Sie Vertrauen in die Arbeit“, lautete sein Appell, bevor die kurze Revolution vom nächsten Tagesordnungspunkt abgelöst wurde.
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