Die Mitarbeiter protestierten gegen Geschäftsführer Bergmann, Mittler sollen die verfahrene Lage klären: Alles über den Streit an Essens Bühnen.

Essen. „Monumentale Dramen“ und „zwischenmenschliche Tragödie“ sind angekündigt, wenn die Essener Theater und Philharmonie (TuP) Ende des Monats ihre traditionellen Festtage Kunst⁵ feiert, eine Art Leistungsschau aller Sparten. Die wahren Dramen aber finden in Essen derzeit hinter den Kulissen statt. Seit rund 400 der knapp 700 TuP-Mitarbeiter in einem Brief an Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen und den TuP-Aufsichtsrat Front gegen den Geschäftsführer Berger Bergmann gemacht haben und TuP-Betriebsratschef Adil Laraki unverhohlen Bergmanns Entlassung fordert, kommt das Haus nicht mehr zur Ruhe.

Belegschaft schreibt einen offenen Brief gegen den Geschäftsführer

Von einem Klima der Verunsicherung, der inneren Kündigung und Angst ist die Rede. Man sei, so heißt es in dem Mitarbeiter-Schreiben, „in großer und wachsender Sorge um unseren Betrieb“. Beklagt wird vor allem Bergmanns Sparkurs, der zu einer Einschränkung der künstlerischen Arbeit führe.

Vorläufiger Höhepunkt der Theaterkrise: Nach nur einer Sitzung hat der Arbeitnehmervertreter den zur Schlichtung eingesetzten Arbeitskreis bereits wieder verlassen. Mit Aufsichtsratsmitgliedern, die von den Missständen seit Jahren gewusst, aber nicht gehandelt hätten, sei keine Aufklärungsarbeit zu leisten, so die Begründung. Nur ein externes Spezialistenteam könne die Probleme lösen. Die Forderung wird auch von der Deutschen Orchestervereinigung, der Gewerkschaft Deutscher Bühnen -Angehöriger, der Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer und Verdi unterstützt. In einem Brief an die Stadtspitze bringt man als unvoreingenommene Mittler die Gewerkschafterin Monika Wulf-Mathies und den früheren Bundesarbeitsminister Norbert Blüm ins Gespräch.

Die Essener Lokalpolitik stärkt dem Geschäftsführer bislang den Rücken

Seitens der Essener Lokalpolitik stärkt man dem Geschäftsführer bislang den Rücken. Bergmann gilt als strategischer Rechner, der den Tanker TuP auch in finanziell schwierigen Zeiten immer auf Kurs gehalten hat. „Ohne Bergmann wäre die TuP schon längst zum Konkursrichter gegangen“, ließ sich Franz-Josef Britz, Chef des TuP-Aufsichtsrat, zuletzt zitieren. Zugute hält man dem Geschäftsführer zudem, dass er den Erhalt aller Sparten will. Das soll laut Bergmann auch so bleiben, wenn die Verträge der amtierenden Intendanten, Hein Mulders (Aalto/Philharmonie), Christian Tombeil (Schauspiel) und Ben Van Cauwenbergh (Aalto-Ballett) in der Spielzeit 2022/23 auslaufen. Hinter vorgehaltener Hand wird für die Zeit danach bereits über eine Umstellung der Führungsstruktur diskutiert, etwa auf das Modell Generalintendanz.

Aber schon weitaus weniger tiefgreifende Veränderungen sorgen in der Belegschaft derzeit für Aufruhr. Scharf kritisiert wird unter anderem die Versetzung eines technischen Mitarbeiters vom Aalto ins Grillo. Von willkürlichen und unbegründeten Entscheidungen ist die Rede. Vor allem im Aalto ist die Unzufriedenheit hoch. Nach Angaben des Orchesters werden an anderen Häusern übliche Zulagen nicht gezahlt, was die Anwerbung junger talentierter Musiker erschwere. Kritisiert wird das auch vor dem Hintergrund, dass zuletzt durch mehr Einnahmen und zusätzliche Zuschüsse des Landes ein Millionenbetrag liegengeblieben ist, der nun möglicherweise in die Rücklagen wandert statt in die Kunst.

An kaum einer anderen Bühne in Deutschland wird so viel geklagt wie in Essen

Berger Bergmann rechnet anders. Schon eine durchschnittliche Tariferhöhung würde der TuP bei gleichbleibender städtischer Finanzierung 2022/23 ein Defizit von drei Millionen Euro bescheren. Nicht unerhebliche Kosten sollen auch gerichtliche Auseinandersetzungen erzeugen, die Geschäftsführer Berger Bergmann und Betriebsrats-Vorsitzender Adil Laraki seit Jahren führen. Nach Titeln wie „Opernhaus des Jahres“ und „Orchester des Jahres“ belegt der städtische Bühnenbetrieb derzeit vor allem einen Spitzenplatz: An kaum einer anderen Bühne in Deutschland wird so viel geklagt wie in Essen.