Essen. Rekord: Schon seit 55 Jahren ist Manfred Geldmacher Vorsitzender der Kupferdreher Karnevalsgesellschaft. Und öffnete den Verein für Schwule.

Er ist einer der dienstältesten leitenden Jecken in ganz Deutschland: Seit 55 Jahren steht Manfred Geldmacher der Kupferdreher Karnevalsgesellschaft Rot-Grün vor, als er den Vorsitz übernahm, war er gerade einmal 17 Jahre alt. Karnevalsorden hat der 72-Jährige mittlerweile „kistenweise“. 2019 kam eine ganz besondere Auszeichnung dazu.

„Vielleicht liegt mir der Karneval einfach in den Genen“, vermutet Geldmacher lachend. Denn gegründet haben seine Eltern Heinz und Käthe Geldmacher die KG Rot-Grün 1963. Er selbst hatte damals mit Karneval eigentlich gar nichts am Hut, erzählt Geldmacher: „Ich bin lieber in Discos gegangen und war beim Deutschen Amateurrundfunk aktiv.“

„Ich glaube, wir haben den Verein moderner gemacht“

Doch am Esstisch bekam der Jugendliche immer wieder mit, welche Schwierigkeiten die Eltern hatten. Der Verein machte Minus, fand keine Säle für die Veranstaltungen, hatte zu wenig Gäste. Kurzerhand entschloss sich Geldmacher, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Und obwohl die erste Zeit schwer war: Nachdem er den Vorsitz übernahm, ging es bergauf. Der Verein schrieb wieder grüne Zahlen.

Was damals sein Erfolgsrezept war? „Ich glaube, wir haben den Verein moderner gemacht“, sagt Geldmacher. So organisierten er und sein Team zum Beispiel ein Männerballett, bei dem Männer in Röckchen gekleidet eine Tanzshow hinlegten. „Das hatten die anderen Vereine damals nicht.“

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Heute ist bei Karnevalssitzungen hohe Professionalität gefragt

Mit den heutigen Karnevalssitzungen könne man das damalige Programm aber nicht vergleichen, sagt Geldmacher: „Das war Dorfkarneval.“ Zu Anfang stellte die KG Rot-Grün das gesamte Programm aus Auftritten ihrer eigenen Mitglieder zusammen. Heute sei hingegen ein ganz anderes Maß an Professionalität gefragt: Stargäste, professionelle Garden aus Köln und Düsseldorf. „Das erwarten die Leute auch – sonst kommen sie nicht“, so Geldmacher.

2019 ist der 72-Jährige für seine langjährige Mitgliedschaft mit dem Verdienstorden des Bund Deutscher Karnevals in Gold mit Brillanten ausgezeichnet. Das ist der höchste Verdienstorden, den es im deutschen Karneval gibt. Noch dazu verlieh man ihm im selben Jahr den Orden „Herz des Essener Karnevals“ für sein besonderes Engagement. „Da war ich zwei Stunden sprachlos – und das ist bei mir echt selten“, sagt Geldmacher lachend.

Mit der „Lila Sitzung“ etablierte Manfred Geldmacher eine Karnevalssitzung, bei der Homo- und Heterosexuelle gemeinsam feiern.
Mit der „Lila Sitzung“ etablierte Manfred Geldmacher eine Karnevalssitzung, bei der Homo- und Heterosexuelle gemeinsam feiern. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Lila Sitzung“ ins Leben gerufen: Karnevalssitzung für Schwule, Lesben und Heteros

Mit Blick auf seine karnevalistische Karriere ist Geldmacher auf eines besonders stolz: Die Etablierung der „Lila Sitzung“, die im Januar 2020 zum 14. Mal stattfand. Bei der Karnevalssitzung feiern Homo- und Heterosexuelle gemeinsam in der Weststadthalle. Die Idee kam Geldmacher, als vor 15 Jahren ein schwules Paar in den Verein eintrat.

Dabei lief es nicht von Anfang an rund. „Im ersten Jahr hatten wir 50 Gäste, im zweiten vielleicht 100. Wir haben tausende Euro Verluste gemacht“, erinnert sich Geldmacher. Doch der Verein habe geschlossen hinter ihm gestanden. Und wer da war, sei begeistert gewesen. Durch „Mund-zu-Mund-Propaganda“ kamen schließlich von Jahr zu Jahr mehr Leute. In diesem Jahr waren es rund 650.

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„Mit unserer Mannschaft schaffen wir alles“

Dass das ganze Engagement auch mit einem enorm hohen Zeitaufwand verbunden ist, rückt dabei fast schon in den Hintergrund. Dennoch: „Für uns ist Karneval das ganze Jahr“, sagt Geldmacher klar. Der Vorstand beschäftigt sich bereits mit der Planung für das Jahr 2021, und auch 2022 haben die Karnevalisten schon im Blick.

Und neben den „typischen“ Karnevalsverpflichtungen wie der Matinee „Ehre, wem Ehre gebührt“, der Herrensitzung und der Lila Sitzung stehen unter anderem ein Sommerfest, Auftritte in Seniorenheimen und die „Lila Bühne“ auf dem Rü-Fest auf dem Plan. „Wenn wir nicht alle mit so viel Leidenschaft dabei wären, würde das nicht gehen“, so Geldmacher. „Aber mit unserer Mannschaft schaffen wir alles.“

Königspaar der KG Rot-Grün wird beim Bogenschießen gekürt

1963 kamen Kupferdreher Bürger zusammen, um einen neuen Karnevalsverein zu gründen: die KG Rot-Grün. Das Königspaar des Vereins wird seitdem traditionell beim Bogenschießen gekürt. Wer mit Pfeil und Bogen die meisten Punkte erzielt, ist für ein Jahr Regent oder Regentin der Karnevalsgesellschaft.

Zu den wichtigsten karnevalistischen Veranstaltungen der KG Rot-Grün gehören die Matinee „Ehre, wem Ehre gebührt“, die Herrensitzung und die Lila Sitzung. Die Lila Sitzung ist die größte Karnevalssitzung des Vereins.