Essen. Colosseum soll Startup-Schmiede nach Vorbild der „Berlin Factory“ werden. Damit ist das Ende des Industriedenkmals als Kulturadresse besiegelt.

Die RAG-Stiftung kauft zusammen mit dem Energieriesen Eon das Colosseum-Theater. Die Kohlestiftung und der Dax-Konzern erwerben die denkmalgeschützte Immobilie vom Hamburger Musical-Betreiber-Stage Entertainment. Das erfuhr diese Zeitung aus mit den Vorgängen vertrauten Kreisen. Über den Kaufpreis haben die Beteiligten Stillschweigen vereinbart.

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Das „Colosseum“-Theater am Berliner Platz zählt zu den schönsten Industriedenkmälern der Stadt. Noch ist unklar, wer hier künftig das Sagen hat.
Von Martina Schürmann und Wolfgang Kintscher,

Damit endet das wochenlange Rätselraten um die künftige Nutzung der historischen Backsteingebäudes, das seit dem Jahr 2010 im Besitz der Hamburger Veranstaltungs-Profis ist. Stage zieht sich ganz aus dem Ruhrgebiet zurück, verkauft das Colosseum und gibt auch das Metronom-Theater in Oberhausen auf, das Ende März geschlossen wird. In Essen reichten die Reaktionen gestern von Bedauern bis Begeisterung.

Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart

RAG-Stiftung und Eon wollen im Colosseum dem Vernehmen nach ein Innovationszentrum für das Ruhrgebiet aufbauen. Als Vorbild diene die „Factory Berlin“, wo unter anderem sogenannte Co-Working-Möglichkeiten aufgebaut worden sind, hieß es aus Unternehmenskreisen. Co-Working ist eine Arbeitsform, bei der sich mehrere Freiberufliche oder Start-Up-Unternehmen Räume teilen und voneinander profitieren.

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Die Musicals von Stage spielten nach Angaben des Unternehmen in den vergangenen Jahren größtenteils ihre Kosten nicht ein, deshalb verlässt der Hamburger Veranstalter das Ruhrgebiet. Man habe es einfach nicht geschafft, dieses Genre im Revier zu etablieren, erklärte Stage-Sprecher Stefan Jaekel nach der Bekanntgabe des Rückzugs im vergangenen Oktober.

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Mit dem Verkauf des Colosseum-Theaters macht die Stage allerdings auch die Türen für andere Veranstalter zu. Eine weitere Nutzung als Theater- oder Musicalbühne soll die Stage dem Vernehmen nach zumindest für eine Reihe von Jahren vertraglich ausgeschlossen haben – offenbar aus Sorge ums Geschäft andernorts.

Großes Bedauern bei Besuchern und innerhalb der Branche

Innerhalb der Branche herrscht deshalb großes Bedauern über das kulturelle Aus am Berliner Platz. „Der Verkauf des Colosseum Theaters ist für das Ruhrgebiet und besonders für die Stadt Essen und deren Kulturlandschaft ein großer Verlust“, erklärt beispielsweise der Kölner Entertainment-Spezialist Semmel Concerts. Als Veranstalter habe man das Theater „aufgrund seines einzigartigen Charmes, des besonderen Innendesigns sowie der guten Verkehrsanbindung“ gerne gebucht. Essen bleibe ein wichtiger Ort, heißt es: „Allerdings wird es schwieriger die passenden Locations für unsere Musicals und Shows zu finden.“ Für den Ruhrgebiets-Tourismus gilt das als herber Rückschlag.

Die „Berlin Factory“ ist das prominente Vorbild

Während die einen von einem Rückschlag für das kulturelle Angebot und die Innenstadtbelebung sprechen, loben andere das Engagement von RAG und Eon als Signal für eine positive Stadtentwicklung. „Die Metropole Ruhr und Essen werden immer attraktiver für Investoren und Innovatoren … Wir empfangen die Factory Berlin mit offenen Armen“, sagt beispielsweise André Boschem, Geschäftsführer der Essener Wirtschaftsförderung.

Nicht nur programmatisch wird sich in der ehemaligen Krupp-Werkshalle mit ihrem besonderen Ambiente dabei einiges ändern. Auch baulich dürfte die Neu-Nutzung eines der schönsten Industriedenkmäler der Stadt Veränderungen mit sich bringen. Die von RAG und Eon für die künftige Nutzung des Colosseums als Vorbild genannte „Berlin Factory“ gilt als bundesweites Vorzeigeprojekt, wenn es darum geht, auf engstem Raum beste Bedingungen für kreative Start-ups zu schaffen.

Junge Gründer versammeln sich unter einem Dach

Im Jahr 2014 gegründet, war es ein Vorreiter für Co-Working-Spaces mit jungen Gründern unter einem Dach. Neben den in das schicke Backsteingebäude integrierten Büros im modernsten Standard finden auf dem Campus der „Factory“ aber auch regelmäßig Veranstaltungen wie Tagungen, Seminare und Konzerte statt.

Während die Factory in einer alten Weizenbierbrauerei untergebracht ist, war das nicht minder schick hergerichtete Essener Colosseum eine Krupp-Werkshalle, in der einst Kurbelwellen für Schiffe und Lokomotivrahmen gefertigt wurden. Wie sich die künftige Nutzung mit der bisherigen Zweckbestimmung „kulturelle Einrichtung“ verträgt, dürfte noch eine politische Frage sein.

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