Essen. Mit einer neuen Marketing-Konzept will EMG Richard Röhrhoff Essen nach außen und innen besser verkaufen. Es mangele oft an Großstadt-Bewusstsein.

„Grau, aber immerhin“ - so lautete die legendär-lakonische Charakterisierung, die der frühere Werbepapst Vilim Vasata der Stadt Essen Anfang der 1990er Jahre aufdrückte. Grau im wörtlichen Sinne war die spätere grüne Hauptstadt schon damals nicht, die Frage aber, wofür Essen „draußen“ eigentlich steht, welches Image die Stadt hat, ist heute kaum präziser auszumachen als damals. Mit einem neuen Marketing-Konzept, das besonders auf die Wandlungsfähigkeit der Stadt und ihre zentrale Funktion in der Region abhebt, will die Essen Marketing GmbH in den nächsten Jahren weiter an der Marke Essen arbeiten.

Essener wünschen sich „draußen“ mehr Anerkennung für ihre Stadt

Für Hinweise, wohin die Reise gehen könnte, griff EMG-Chef Richard Röhrhoff erneut auf die so genannte „Rheingold-Studie“ zurück. In ausführlichen Interviews mit Essener Bürgern und Besuchern hat ein Institut im Auftrag der EMG zu ergründen versucht. wo Essen vom Image her steht.

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Ein wichtiges Ergebnis: „Die Essener leben gern in ihrer Stadt und empfinden auch Stolz, sie wünschen sich aber mehr Anerkennung für die Stärken der Stadt außerhalb Essens.“ Essener, die zum Beispiel im Urlaub nach ihrem Herkunftsort gefragt werden, scheinen immer noch die Erfahrung zu machen, dass man mit Essen nicht viel Eindruck schinden kann oder in fragende Gesichter blickt.

Selbstdarstellung der Stadt sei bislang zu defensiv gewesen

Röhrhoff sieht in der falschen Bescheidenheit ein Grundproblem, hier habe es auch in der Vergangenheit Fehler gegeben: „Die Selbstdarstellung der Stadt Essen war bislang defensiv und wenig selbstbewusst.“ Essener seien zudem zerrissen, wenn es um Großstadt-Frage geht. „Es gibt das Selbstbild der heimeligen Großstadt.“

Der Essener nehme gerne mit, dass es quirlige Events und ein reiches Kulturleben gebe und schätze ansonsten das häufig recht idyllische Leben in seinem Stadtteil. Es gebe aber großen Unwillen, die Schattenseiten der Großstadt gelassen zu sehen, etwa höhere Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Vermüllung. Auch ein hoher Migrantenanteil bringe neben Bereicherung eben auch Herausforderungen in die Stadt.

Essener neigten dazu, die Schattenseiten der Großstadt zu sehr zu dramatisieren, glaubt Röhrhoff

„Andere Großstädte mit ähnlichen Themen leiden weniger unter einer negativ geprägten Wahrnehmung, vor allem im Binnenverhältnis“, so Röhrhoff. Im Klartext: Die Essener neigten dazu, normale Großstadtprobleme allzu sehr zu dramatisieren. Es gebe nur eine Art „halb-großstädtisches Bewusstsein“.

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„Die Marke Essen ist mit sich selbst offenbar nicht im Reinen, sodass sie nicht klar kommunizieren kann. Dies gilt es aufzulösen“, heißt es in dem schriftlichen Konzept, das Röhrhoff gestern der Ratspolitik vorlegte. Überraschungen oder vollkommen Neues findet sich dort allerdings erwartungsgemäß nicht. Stichworte, die das Thema „Wandel“ glaubwürdig machen sollen, sind die Transformation von Industrie zu Grün, die „hohe urbane Lebensqualität“, der Charakter als klassischer Zuwandererstadt und die „herzlich-zupackende Art“ der Bürger.

Kritik an der zu gering ausgeprägten Ambitioniertheit - Mittelmaß genüge vielen

Was die Innenstadt betrifft, sieht Röhrhoff ein Bedürfnis nach identitätsstiftenden Projekten oder Veranstaltungen. An einen generellen Niedergang mag die EMG nicht glauben: „Wenn wir Qualität bieten, sind die Menschen da und kommen gerne in die Innenstadt.“ Das habe man zuletzt beim Light Festival gesehen, das Hunderttausende gelockt habe. Zweifellos vermissten die Bürger aber Besonderheit und Klasse.

Ein Beispiel für mangelnde Ambition sieht EMG-Chef Richard Röhrhoff jeden Tag von seinem Büro aus: der Salzmarkt, eigentlich einer der schöneren Innenstadt-Plätze, hat derzeit und schon länger die Anmutung einer Müllhalde.
Ein Beispiel für mangelnde Ambition sieht EMG-Chef Richard Röhrhoff jeden Tag von seinem Büro aus: der Salzmarkt, eigentlich einer der schöneren Innenstadt-Plätze, hat derzeit und schon länger die Anmutung einer Müllhalde. © F.S.

Was den EMG-Chef in diesem Zusammenhang besorgt, ist die geringe Ambitioniertheit – nicht nur, aber auch bei der Stadtverwaltung. „Die Lust, etwas besonders Schönes zu machen, ist nicht sehr ausgeprägt.“ Mittelmaß genüge vielen, Neues umzusetzen dauere sehr lang oder passiere erst gar nicht. „Das große Ganze geht im Kleinklein unter.“ Lauten Minderheiten würde zuviel Verhinderungsmacht zugestanden.

Zusammenwirken mit dem Welterbe Zollverein könnte besser sein

Vieles, das es in Essen gibt, haben andere Städte auch. „Aber ein Weltkulturerbe, das haben nicht viele.“ Zollverein sei zwar mittlerweile im Bewusstsein der Stadt angekommen, doch das Potenzial ist Röhrhoff zufolge noch längst nicht ausgeschöpft - nicht zuletzt weil die Verknüpfung mit der Tourismuszentrale der EMG noch nicht optimal sei.

Um weiterarbeiten und die „Visitessen“-Kampagne fortsetzen zu können, dringt der EMG-Chef darauf, von der Stadt mehr Geld zu bekommen. 1,8 Millionen Euro Zuschuss pro Jahr sind es derzeit, 300.000 Euro mehr ab dem Jahr 2021 ist der Anspruch. Einen Teil des Budgets erwirtschaftet die EMG selbst, in erster Linie durch die Einnahmen des Weihnachtsmarkts. Allein 2,1 Millionen Euro benötigt Röhrhoff jährlich für die 24 EMG-Mitarbeiter. Das kleinere Bochum, so klagt er, habe ein Drittel mehr Personal für städtisches Marketing.