Essen. „Eine Stunde Ruhe“ im Essener Rathaus-Theater. TV-Liebling Timothy Peach steht im Mittelpunkt der turbulenten Komödie um einen unerfüllten Wunsch
Eine Stunde Ruhe wünscht sich Jazz-Liebhaber Michel: Gerade hat der Franzose um die 50 eine lang ersehnte Schallplatte erstanden. Die will er gleich in seinem Wohnzimmer hören, in Erinnerungen an seine Jugend schwelgend. „Me, myself and I“ lautet bezeichnenderweise der Titel der Scheibe. Doch an diesem Samstagnachmittag ist es mit Michels Egozentrismus vorbei: Nach etlichen Jahren Ehe und Vaterschaft zerbricht die heile Welt. Michel erfährt, dass sich längst schon nicht mehr alles nur um ihn dreht. Hört sich nach einem Drama an, ist aber eine Komödie.
Seitensprünge und ein defektes Wasserrohr sorgen für Chaos
Das gibt es nur in Frankreich, wie hier in Florian Zellers „Eine Stunde Ruhe“, 2013 in Paris uraufgeführt. Zum Stück: Die hübsche Ehefrau Nathalie (Alexa Wiegandt) und der 30-jährige Sohn Sébastien (Johannes Lukas) führen unter dem gemeinsamen Dach schon lange ihr Eigenleben. Aber auch Michels bester Freund Pierre (Benjamin Kernen) und Elsa (Saskia Valencia), beste Freundin der Gattin und Michels heimliche Geliebte, verhalten sich anders als Michel es erwartet. Ein Happy End gönnt der französische Autor, Literaturprofessor in Paris, den sieben Protagonisten nicht.
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Doch zu lachen bietet die Boulevard-Komödie reichlich. Mit dem wunderbar gespielten Michel (TV- und Filmliebling Timothy Peach) fiebert das Publikum ab der ersten Minute einem entgegen: die neue Platte zu hören. Doch es ist vertrackt - ständig kommt irgendwer, stört irgendetwas den Plan. Nathalie beichtet Michel einen Seitensprung. Ihr bekiffter Sohn, mit 30 erfolgloser Musiker und großmäuliger Weltverbesserer, hat auf dem Dachboden ungefragt Flüchtlinge und einen Tierschutzhund einquartiert. Und Elsa beendet die Affäre mit Michel.
Und dann trifft der Klempner auch noch eine Abwasserleitung
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Zur Krönung trifft der Klempner Leo, der in Schwarzarbeit das Arbeitszimmer renoviert, beim Bohren die Wasser- und Abwasserleitung. Der Haupthahn klemmt und alles gerät buchstäblich ins Schwimmen. Das alarmiert wiederum Pavel (Reinhard Froboess), den polnischen Nachbar aus der Wohnung darunter, der Wassereinbruch vermeldet. Bis zur Pause steigert sich das zwischenmenschliche Chaos auf der Bühne schrittweise.
Rasant gerät dann alles ins Rutschen, das scheinbar perfekte Leben der Protagonisten und die Ordnung im schicken Wohnzimmer. So hängen bald alle Bilder schief, stapeln sich leere Gläser auf dem Tisch. Und die ausgebaute Toilettenschüssel steht sinnbildlich für so viel Mist im Raum. Mit Baustaub bedeckt jammert Michel „Das ist nicht mein Tag.“ Immer noch will er allein sein, um endlich die Schallplatte zu hören. Ganz Franzose steckt er die Einschläge lässig weg. „C`est la vie“ – so ist das Leben. Das Publikum belohnt das pointenreiche Unterhaltungsspektakel mit kräftigem Applaus.
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