Essen. Jeder fünfte Viertklässler in Essen sieht schlecht, ohne das zu wissen. Das ergaben aktuelle Tests der Verkehrswacht.

Jeder fünfte Viertklässler in Essen leidet an einer unentdeckten oder unbehandelten Sehschwäche. Das haben Tests der Verkehrswacht und des Automobilclubs Verkehr (ACV) ergeben. „Die Sehschwächen haben in den vergangenen fünf Jahren deutlich zugenommen“, sagt Karl-Heinz Webels, Vorsitzender der Verkehrswacht. „Das könnte am massiven Smartphone- und Tablet-Konsum liegen.“

Getestet wurden im Schuljahr 2018/19 3826 Viertklässler. 72 der 84 Essener Grundschulen machten bei den Sehtests mit. Die Überprüfung fand im Zuge der Fahrradprüfung statt, die Viertklässler ablegen. Wessen Sehleistung nur 70 oder weniger Prozent beträgt, der ist für den Straßenverkehr nicht tauglich. Mit einem solchen Ergebnis - Sehleistung unter 70 Prozent - schnitten genau 722 Kinder ab, da sind 18,9 Prozent, also nahezu jedes fünfte Kind. Die Zahl der Kinder, die schlecht sehen können, ist in Essen damit auf einem neuen Höchststand. 2015 lag die Quote noch bei 14,6 Prozent, nahm seitdem insgesamt zu.

Appell an Eltern: Besuchen Sie einen Augenarzt!

Kinder, die schlecht beim Sehtest abschnitten, bekamen einen Brief an die Eltern mit nach Hause – mit dem dringenden Appell, einen Augenarzt aufzusuchen. „Ob die Eltern das wirklich tun, liegt natürlich nicht in unserer Hand“, sagt Webels. Er geht nach Gesprächen mit Optikern und Augenärzten davon aus, dass die Sehleistung deutlich abnimmt, weil Smartphones und Tablets immer jüngere Kinder erreichen. „Mir hat erst kürzlich ein Kind erzählt, dass es dauernd Kopfschmerzen wegen zu langer Tablet-Benutzung hat“, berichtet Uwe Morgenstern (75). Der pensionierte Polizist führt die Sehtests an den Essener Schulen durch.

Repräsentative Ergebnisse

Eine „nicht ausreichende Sehstärke“ wiesen die Tests der Verkehrswacht mit folgenden Quoten nach:

Im Jahr 2015 waren das 14,6 Prozent, im Jahr 2017 waren es 16,0 Prozent, und im Jahr 2019 waren es 18,9 Prozent – ein neuer Höchststand.

In den Jahren dazwischen sanken die Werte jeweils leicht, um im Folgejahr wieder stark anzusteigen.

Angesichts der Vielzahl getesteter Kinder kann durchaus von einem repräsentativen Ergebnis gesprochen werden.

Die Sehtests der Verkehrswacht schließen eine wichtige Lücke in der Augenkontrolle: „Zur Schuleingangsuntersuchung findet ein obligatorischer Sehtest statt, da ist das Kind fünf Jahre alt“, sagt Karl-Heinz Webels. „Der nächste verpflichtende Termin ist dann erst wieder, bevor die Führerscheinprüfung beginnt.“ Dass sich in den Jahren, die dazwischen liegen, die Augen stark verändern können, liegt auf der Hand.

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Resultate mit deutlichem Nord-Süd-Gefälle

Die Ergebnisse der Sehtests sind in Essen von einem erwartbaren Nord-Süd-Gefälle geprägt: Die meisten Sehschwächen (29,9 Prozent der getesteten Kinder) wurden im Stadtbezirk VI gezählt (Schonnebeck, Stoppenberg, Katernberg); die wenigsten in Kettwig und Umgebung (Stadtbezirk IX, 12,2 Prozent).

Wer nicht gut sehen kann, gefährdet nicht nur sich und andere im Straßenverkehr. Auch die Schulleistung leidet. Eckart Görss, der Vorsitzende des Automobilclubs Verkehr (ACV) in Essen, weiß, wovon er spricht: „Meine Eltern stellten nicht fest, dass ich sehr kurzsichtig bin“, berichtet Görss. „Ich kam auf die Hauptschule – und erst dort, in der fünften Klasse, wurde mit mir ein Sehtest gemacht.“ Die Folge: Görss, er hat minus 4,25 Dioptrien, bekam erstens eine Brille und zweitens wurde er in der Schule so gut, dass er nach zwei Jahren auf der Hauptschule aufs Gymnasium machte - und dort sein Abi machte.