Essen-Kupferdreh. Neuer Motor für alte Lok: Mitglieder des Vereins Hespertalbahn in Essen-Kupferdreh retten in ihrer Freizeit die Eisenbahn-Schätzchen.
Rund zehn Jahre wartete die rote Rangierlok V2, Baujahr 1937, im Kupferdreher Museumsverein Hespertalbahn auf ihr neues „Herz“. Jetzt steht sie frisch lackiert auf den Gleisen in der Halle und soll ihren generalüberholten 50-PS-Motor wiederbekommen. Im Lokschuppen an der Prinz-Friedrich-Straße wird „Hochzeit“ gefeiert. Diesen Moment haben viele Vereinsmitglieder lang ersehnt.
Der Museumsverein Hespertalbahn
Die Museumsbahn wird vom Verein Hespertalbahn betrieben. Er wurde 1975 als „Verein zur Erhaltung der Hespertalbahn e.V.“ gegründet und 2008 umbenannt.
Der Verein zählt rund 130 Mitglieder. Davon arbeitet etwa ein Viertel aktiv mit. Aufgaben sind die Restauration, Instandsetzung und Wartung der Fahrzeuge und der Strecke. Der Verein betreibt die Hespertalbahn als öffentliche Eisenbahn. Info: www.hespertalbahn.de
Gespannt blicken Jürgen Bogler, Harald Engelskamp, Jan Hermann und Thomas Kiehne nach oben zum elektrischen Kran. An einem breiten Gurt schwebt das knapp eine Tonne schwere Aggregat von Deutz heran. „Hält das?“, fragt ein Zuschauer mit einem vorsichtigen Blick zur Decke und meint die elektrische Kranbahnanlage, die den Vereinsmitgliedern die Montage und Demontage solch schwerer Bauteile ermöglicht.
Münchener Lok fand neue Heimat bei Essener Eisenbahnfans
Anfang Februar 1976 war die Lok des Typs KÖ I 0281 in München ausgemustert worden. Dann fand sie eine neue Heimat bei den Essener Eisenbahnfreunden. Ihre Aufarbeitung hatte bereits vor Jahren begonnen. „Aber das Projekt wurde wegen anderer, wichtigerer Vorhaben zurückgestellt“, sagt Vereinssprecher Hans Hampel.
Per Knopfdruck senkt sich der generalüberholte Motorblock, bis er im aufgehübschten Blechkleid verschwindet. Alles ist gut gegangen, Lok und Motor sind glücklich vereint, die Männer sichtlich erleichtert. „Nun muss der Motor nur noch laufen“, fügt Jan Hermann hinzu. Der 19-jährige Essener ist Auszubildender in der Siemens-Waggonfabrik Krefeld-Uerdingen und Eisenbahn-Fan seit Kindesbeinen. An den Wochenenden schraubt er mit rund 30 anderen Aktiven an den alten Schätzchen herum, die der Kreis gesammelt hat. Das ist nicht wenig: Drei Dieselloks und drei Dampfloks – von denen am 1. Mai wieder eine in Betrieb gehen soll – sowie 15 bis 20 Wagen zählen zum Inventar des 1975 gegründeten Vereins.
Seit zwei Jahren investieren Vereinsmitglieder viele Stunden Freizeit-Einsatz
Was der Lok jetzt fehlt, ist eine funktionierende Elektrik. Umfangreiche Blecharbeiten waren im Vorfeld am Führerhaus von den eifrigen Helfern seit zwei Jahren in vielen Stunden Freizeit-Einsatz geleistet worden. „Zehn große Bleche mussten ganz ersetzt werden“, so Hampel. Originalgetreu wurden sie angenietet, ein aufwändiges und zeitraubendes Verfahren. Nicht alles konnten die technisch und handwerklich interessierten Laien allein bewerkstelligen: So kam das Führerhaus zum Sandstrahlen zu einer Fremdfirma. Rost und Schmutz hatten der Oberfläche der ölbetriebenen Rangierlokomotive im Laufe der Jahrzehnte arg zugesetzt und wurden mit Druckluft und Sand entfernt.
Rost ist der größte Feind der alten Eisenbahn-Schätzchen. Viele Jahre war der Kampf dagegen kaum zu gewinnen. Am Bahnhof „Zementfabrik“ in Kupferdreh, bis zur Fertigstellung der Halle Betriebsstandort, waren Loks und Waggons Wind und Wetter ausgesetzt. „Seit wir den Lokschuppen haben, gehen die Arbeiten wesentlich schneller voran“, betont Hampel.
Bei großen und teuren Projekten helfen Sponsoren und Spenden
Das dunkelrote Werkstattgebäude unweit der Gaststätte „Lukas“ bietet den historischen Fahrzeugen seit 2015 guten Schutz. Auch die ehrenamtlichen Eisenbahner genießen die Vorteile, im Trockenen zu arbeiten. „Große und teure Projekte können wir allein nicht stemmen“, hebt Hampel hervor. So lassen seit Jahren Sponsoren wie die Sparkasse, die „NRW-Stiftung Natur Heimat und Kultur“, aber auch die Sparda-Bank West der Hespertalbahn finanzielle Unterstützung zukommen. Von der gab es zuletzt zwei Mal 3000 Euro.
Bis die kleine Rote wieder Fahrt aufnehmen kann, wird noch eine Weile vergehen. „Im Sommer“, schätzt Thomas Kiehne „könnte sie wieder in Dienst gehen“. Dann soll sie ihrer schwarzen Schwester, der Dampflok D8 (Baujahr 1961) an den Betriebstagen aus dem Schuppen helfen. Die hat 400 PS und ist um einiges größer. Doch wenn man die Krupp-Lok in der Halle startet, vernebelt ihr Dampf aus dem mächtigen Schornstein das Gebäude. „Mit der Rangierlok können wir das vermeiden“, freut sich Hampel.
Keine Zeit für die Hochzeitsfeier nach der Vereinigung von Lok und Motor
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Bis zum Saisonbeginn am 1. Mai haben die Schrauber der Hespertalbahn reichlich zu tun. „Die Arbeit geht hier eigentlich nie aus“, sagt Kiehne. Der Rechtsanwalt und Steuerberater verbringt gern seine Freizeit bei den alten Eisenbahnen. Zur Hochzeitsfeier nach der Vereinigung von Lok und Motor bleibt erstmal keine Zeit: Gerade wurden zwei Paletten mit 100 neuen Schwellen für die Strecke angeliefert. „Wenn der Motor wieder läuft, holen wir das nach“, verspricht Hampel.