Essen. In manchen Stadtteilen von Essen bezahlt fast jeder fünfte Bürger schon lange keine Rechnung mehr. Das liegt oft auch an teuren Handys.

Knapp 70.000 Bürger in Essen können dauerhaft ihre Rechnungen nicht bezahlen und gelten als überschuldet. Das geht aus aktuellen Daten der Wirtschaftsauskunft „Creditreform“ hervor. Die meisten Überschuldeten wohnen im Stadtkern (aktuelle Schuldner-Quote: 27,51 Prozent) sowie in den Stadtteilen Altendorf (24,81), Kray (20,38), Bergeborbeck (20,34) und Frohnhausen (18,74). Die niedrigste Schuldner-Quote im gesamten Ruhrgebiet hat der Stadtteil Heisingen (4,63).

Als Schuldner gilt für die Wirtschaftsauskunft „Creditreform“ ausdrücklich nicht, wer laufende Kredite pünktlich abbezahlt. Auch kurze Engpässe bei der Liquidität gelten nicht. „Sondern nur jene Bürger, die dauerhaft, nämlich mindestens ein halbes Jahr lang, ihre Verbindlichkeiten nicht bedienen können.“ So erklärt es Wolfgang Scharf, der Geschäftsführer der Creditreform Dortmund.

Schuldner-Quoten in Essen nach Postleitzahlen

Essens Schuldner-Quoten nach Postleitzahlen

Postleitzahl 45127 (Innenstadt): 27,51

Postleitzahl 45128 (Südviertel): 15,03

Postleitzahl 45130 (Rüttenscheid, Südviertel): 9,32

Postleitzahl 45131 (Rüttenscheid): 7,26

Postleitzahl 45133 (Bredeney, Schuir): 6,01

Postleitzahl 45134 (Rellinghausen, Stadtwald): 5,41

Postleitzahl 45136 (Bergerhausen): 8,22

Postleitzahl 45138 (Südostviertel, Huttrop): 12,56

Postleitzahl 45139 (Ostviertel, Frillendorf): 20,78

Postleitzahl 45141 (Nordviertel, Stoppenberg): 17,37

Postleitzahl 45143 (Altendorf): 24,81

Postleitzahl 45144 (Frohnhausen): 17,65

Postleitzahl 45145 (Frohnhausen): 18,74

Postleitzahl 45147 (Holsterhausen): 11,60

Postleitzahl 45149 (Fulerum, Haarzopf, Margarethenhöhe): 5,44

Postleitzahl 45219 (Kettwig): 7,65

Postleitzahl 45239 (Fischlaken, Werden, Heidhausen): 6,11

Postleitzahl 45257 (Kupferdreh, Byfang, Dilldorf): 8,92

Postleitzahl 45259 (Heisingen): 4,63

Postleitzahl 45276 (Steele): 14,58

Postleitzahl 45277 (Überruhr): 8,63

Postleitzahl 45279 (Freisenbruch, Horst): 13,56

Postleitzahl 45289 (Burgaltendorf): 6,30

Postleitzahl 45307 (Kray, Leithe): 20,38

Postleitzahl 45309 (Kray, Schonnebeck): 14,87

Postleitzahl 45326 (Altenessen): 21,74

Postleitzahl 45327 (Altenessen, Katernberg): 21,33

Postleitzahl 45329 (Altenessen, Karnap): 17,62

Postleitzahl 45355 (Borbeck, Bochold): 16,87

Postleitzahl 45356 (Bergeborbeck, Vogelheim): 20,34

Postleitzahl 45357 (Dellwig, Gerschede): 13,90

Postleitzahl 45359 (Bedingrade, Frintrop, Schönebeck): 10,51

Die Quote der überschuldeten Bürger steigt im gesamten Ruhrgebiet kontinuierlich an; in Essen lag die Zahl der Überschuldeten vor 15 Jahren noch bei rund 63.000; im Jahr 2019 ist sie angewachsen auf 69.526.

Problem: Handy-Lockangebote und „Revolving-Kreditkarten“

Das hat auch mit tückischen Handy-Verträgen zu tun, berichtet Andrea Grondstein, die bei der Verbraucherzentrale Essen als Schuldner- und Insolvenzberaterin arbeitet. „Viele Verbraucher schließen viel zu teure Handyverträge ab, weil sie mit Angeboten der neuesten Geräte gelockt werden.“ Ein weiteres Problem, das auch junge Bürger in dramatische Schuldenfallen treibt, seien „Revolving-Kreditkarten“. Wer beispielsweise Möbel auf Kredit kaufe, erhalte in verlockend klingenden Angeboten eine Kreditkarte, um damit die Verbindlichkeiten abzubezahlen. Die Raten seien extrem niedrig, die Zeit bis zur ersten Rate lang. Doch dass auf die unbezahlten Raten später hohe Soll-Zinsen kommen, übersehen viele Verbraucher.

Nicht nur junge und unerfahrene Konsumenten sind betroffen. Während Creditreform-Geschäftsführer Wolfgang Scharf eindringlich fordert, dass an Schulen mehr Finanz-Wissen unterrichtet werden müsse, erklärt Andrea Grondstein (Verbraucherzentrale Essen): „Auch der Eintritt ins Rentenalter birgt Schuldenrisiken.“ Wer Verträge und Kredite abbezahlen muss und nicht berücksichtigt, dass er als Rentner plötzlich oft mit weniger Geld auskommen muss, der ist schnell in der Falle.“

Allein im Kalenderjahr 2018 beriet die Essener Verbraucherzentrale mehr als 1500 Mal in Sachen Schulden und Verbraucherinsolvenz. Andrea Grondstein: „Wir haben lange Wartelisten bei diesem Thema.“

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Am Ende steht eine Eidesstattliche Versicherung

Was passiert, wenn man Rechnungen nicht bezahlt? Wer dauerhaft Mahnungen ignoriert, bekommt Post von einem Inkasso-Unternehmen. Wer auch die ignoriert, erhält einen Vollstreckungsbescheid vom Gericht. Das ist ein so genannter „Titel“, dessen Summe 30 Jahre lang zurückgefordert werden kann. Wer auch diese Post ignoriert, erhält bald Besuch vom Gerichtsvollzieher, der nachsieht, was in der Wohnung des Schuldners gepfändet werden kann.

Wird deutlich, dass es beim Schuldner gar nichts mehr zu holen gibt, muss der Betroffene jährlich eine Eidesstattliche Erklärung am Gericht abgeben, dass bei ihm eine „Unpfändbarkeit“ vorliegt. Diese muss jährlich erneuert werden - bis endlich etwas zu holen ist. „Doch die prekäre Situation auf dem Arbeitsmarkt“, sagt Wolfgang Scharf, „mit den vielen Mini-Jobs ist ein weiteres Problem.“

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