Essen. Zwei Essenerinnen rufen zur Mahnwache gegen Altersarmut auf. Sie sind Teil einer neuen, bundesweiten Bewegung, die derzeit auch Kritik erntet.

Zu einer ersten „Mahnwache gegen Altersarmut“ rufen die Essenerinnen Sylvia Stensbeck (64) und Beatrix von der Lippe (45) auf. Die Kundgebung soll am Freitag, 24. Januar, 14 Uhr, auf dem Willy-Brandt-Platz stattfinden. „An diesem Tag wird es deutschlandweit über 180 solcher Mahnwachen geben“, kündigen die Frauen an. In den vergangenen Monaten hat sich im Internet eine neue Bewegung formiert, die sich – in Anlehnung an die Schülerbewegung „Fridays for Future“ – „Fridays gegen Altersarmut“ nennt.

„Wir hoffen, dass es eine ruhige und friedliche Veranstaltung wird“, sagt Sylvia Stensbeck. Denn es steht zu befürchten, dass die Mahnwache, die bewusst ohne Reden und Parolen auskommen soll, auch von rechts- oder linksextremen Gruppen besucht werden wird.

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Warnung vor der Initiative „Fridays gegen Altersarmut“

Die Initiative „Fridays gegen Altersarmut“ fand in den vergangenen Monaten im Internet mehr als 300.000 Unterstützer. Wichtigste Plattform ist das Netzwerk „Facebook“. Schnell gab es erste Berichte, die Initiative werde von der rechtsextremen Partei AfD unterwandert, und der Gruppengründer Heinz Madsen habe eine zwielichtige Vergangenheit.

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„Bei 300.000 Aktiven ist wohl nicht auszuschließen, dass da mal dumme Sätze ins Internet geschrieben werden“, sagt Beatrix von der Lippe. Sie und ihre Mitstreiterin betonen: „Es geht uns um die Sache. Es geht uns nicht um Politik. Wir lassen uns nicht vor den Karren spannen, von niemandem.“ Aus rassistischen oder rechtsextremen Motiven zu handeln, weisen beide Frauen weit von sich: Sie selbst, Beatrix von der Lippe, habe osteuropäische Wurzeln, und Sylvia Stensbeck berichtet, Teil einer „Multi-Kulti-Familie“ zu sein.

Viele arme Alte gehen zur Tiertafel

Die gelernte Einzelhandelskauffrau Beatrix von der Lippe gehörte vor dreieinhalb Jahren zu den Gründern der „Essener Tiertafel“. Zweimal monatlich wird an einer zentralen Stelle an der Krayer Straße Tierfutter für Bedürftige ausgegeben. Auch Sylvia Stensbeck engagierte sich für die Tiertafel. „Nach jeder Ausgabe-Stunde war ich so klein mit Hut“, sagt sie und hält Daumen und Zeigefinger so eng zusammen, dass kaum ein Blatt Papier dazwischenpasst. „Es gibt so viele Senioren in unserer Stadt, die ab dem 20. eines Monats nur noch Nudeln ohne Soße essen, damit sie über die Runden kommen.“ Und sich im wahrsten Sinne teures Spezialfutter oder Medikamente für ihre Tiere, falls die krank sind, vom Mund absparen. „Die tun alles für ihren Hund oder ihre Katze, weil sie sonst keinen haben. Es gibt eine riesige Scham darüber.“

Erwartet werden rund 50 Teilnehmer

der Initiative „Fridays gegen Altersarmut“ findet am Freitag, 24. Januar, um 14 Uhr statt. Sie soll bis 17 Uhr andauern. Bei der Polizei ist die Veranstaltung offiziell angemeldet; gerechnet wird mit rund 50 Teilnehmern.

Eine zweite Mahnwache sei bereits in Arbeit, heißt es: Diese soll am Freitag, 14. Februar, in der Essener Innenstadt stattfinden. Grundsätzlich sei ein monatlicher Rhythmus der Mahnwachen geplant.

Beatrix von der Lippe ergänzt: „Wir haben es bei der Tiertafel oft mit Senioren zu tun, die noch der Kriegs-Generation angehören – die bitten nicht um Hilfe, die wollen niemandem zur Last fallen.“ Bewegende Schicksale stünden dort jedes Mal in Reih und Glied; „oft sind es Krankheiten, die die Leute im Alter mittellos machen.“

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Initiative fordert eine „Reichensteuer“

Die Bewegung „Fridays gegen Altersarmut“ will, dass jeder Rentner in Deutschland mit seiner Rente auskommt und nicht noch zusätzlich arbeiten oder gar betteln gehen muss. Eine der Forderungen: Rentenbeiträge dürften nicht länger besteuert werden. Stattdessen müsse eine „Reichensteuer“ her. Die Verschwendung öffentlicher Gelder müsse grundsätzlich bestraft und dem Lebensmittelhandel verboten werden, noch frische Waren wegzuschmeißen.

Die grassierende Altersarmut, finden die beiden Aktivistinnen, gehe eine tückische Verbindung mit der Einsamkeit vieler Senioren ein: „Früher hat die Familie die Alten aufgefangen. Das ist heute nicht mehr so. Und man konnte mal den Nachbarn nach einer Scheibe Brot fragen. Heute liegen manche drei Wochen tot in der Wohnung, und niemand bekommt es mit.“