Essen. Zeynep K. aus Essen durchlebt die Hölle auf Erden: Ihr Mann hat ihre fünf Kinder in die Türkei verschleppt. Über die Todesängste einer Mutter.
Schmerzlich vermisst sie das Lachen ihrer fünf Kinder, und auch das Weinen, den Lärm, die Wärme, die Umarmungen und Küsse. Zeynep K . aus Essen kämpft gegen die Tränen an. Sie versucht tapfer zu sein. Doch als sie ein Bild ihrer fünf Kinder betrachtet, brechen die Emotionen aus ihr heraus. Ihr Ehemann hat die Kinder in die Türkei verschleppt und bedroht nun seine Frau mit dem Tode.
Die 33-Jährige streichelt sanft über das Foto ihrer Kinder auf ihrem Handy und beginnt ihre Geschichte zu erzählen. Mit leiser Stimme berichtet sie vom tragischen Leben einer Frau, die schon als Mädchen von ihren Eltern verheiratet wird und fortan ein Leben in Angst und ständiger Gewalt erträgt. Nicht irgendwo auf der Welt, sondern hier – mitten in Essen-Altendorf.
Zeynep ist vier Jahre alt, als ihre Eltern mit ihr und den Geschwistern aus dem Libanon nach Deutschland ziehen. In Essen soll das Leben einfacher und besser sein, hofft die Familie.
Junge Libanesin in Deutschland glücklich
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Zumindest für Zeynep trifft das zunächst auch zu. „Ich war glücklich, habe mich als Jugendliche wie meine Freundinnen geschminkt und auch mal kurze Röcke getragen“, erzählt die 33-Jährige. Gleichwohl sei die Erziehung ihrer Eltern auch konservativ und traditionell gewesen, weshalb sie es als 17-Jährige auch nicht weiter hinterfragt, dass sie den elf Jahre älteren Ali K. – einem Verwandten ihrer Mutter – heiraten soll. „Ich war noch ein Teenager“, sagt Zeynep fast schon entschuldigend.
Nach der Heirat musste Essenerin Kopftuch tragen
Nach der Heirat ändert sich ihr Leben radikal. „Ich durfte nicht mehr ausgehen, nicht mit anderen Menschen sprechen, musste ein Kopftuch tragen, und tun, was immer er verlangte. Wenn ich mich geweigert habe, hat er mich geschlagen. Auch vor den Augen unserer Kinder“, berichtet Zeynep und richtet ihren traurigen Blick zu Boden.
Die Sehnsucht nach ihren Kindern treibe sie noch in den Wahnsinn, sagt die fünffache Mutter. „Ich kann nachts nicht schlafen, ich bin am Ende“, sagt sie.
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Von den Behörden fühlt sie sich im Stich gelassen. Gleich nachdem ihr Mann ihre Kinder „entführt“ hat, wie sie sagt, hat sie Anzeige erstattet. „Bis heute habe ich nichts mehr von der Polizei gehört.“ Das war am 27. November. An jenem Tag bricht die Welt der 33-Jährigen in einem einzigen Moment zusammen.
Kinder nicht nach Hause gebracht – Foto von Flug in die Türkei
Anders als zunächst berichtet, hat ihr Mann die Kinder nicht heimlich von der Schule und der Kita abgeholt und ist mit ihnen verschwunden, sondern hat sie nach einem verabredeten Treffen nicht mehr zurück nach Hause gebracht. Stattdessen schickt er ihr ein Foto mit den Kindern aus einem Flugzeug und folgende Nachricht: „Wir sind weg aus scheiß Deutschland und kommen nie wieder. Und wenn du nicht nachkommst, dann lasse ich dich töten“.
„Ali ist ein gefährlicher Mann. Ich habe Angst, dass er seine Drohung wahr werden lässt. Ich traue ihm das zu. Aber wenn ich in die Türkei fliege, dann habe ich keine Chance, dort mit meinen Kindern wieder herauszukommen“, ist sich Zeynep sicher.
Entführung der Kinder als Rache für Trennung
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Die „Entziehung“ der Kinder – wie es im Behördendeutsch heißt – sei die Rache ihres Mannes dafür gewesen, dass sie sich nach 16 Jahren Ehe von ihrem brutalem Partner getrennt hat. Einem Mann, der 2013 nach einem Streit seine Schwägerin überfahren und schwer verletzt hat. Dafür wurde er zu fast drei Jahren Gefängnis verurteilt, die er im Oktober 2017 antrat. Im Mai 2019 wurde Ali K. auf Bewährung entlassen. „Und dann wurde alles noch schlimmer“, sagt Zeynep. Der 44-Jährige habe seine Familie immer stärker terrorisiert, bis Zeynep in ihrer Verzweiflung im September die Flucht zu ihren Eltern wagt. Ihre beiden vier- und siebenjährigen Töchter nimmt sie mit, die drei Jungen (13, 15, 16) bleiben beim Vater.
Foto zeigt Kinder mit Waffen
Zeynep zeigt der Redaktion ein Foto, das Ali K. ihr kürzlich geschickt hat. Es zeigt ihre fünf Kinder, die alle jeweils eine Waffe in der Hand halten. Es handelt sich um Attrappen, aber der 33-Jährigen jagt das Bild dennoch Angst ein. „Was macht er nun mit meinen Kindern“, fragt sie verzweifelt. Wieder kämpft sie gegen die Tränen an.
Zeynep K. wird erst wieder lachen können, wenn sie ihre Kinder in den Armen hält – hoffentlich hier zuhause in Essen – und sie nicht mehr in ständiger Todesangst vor ihrem Ehemann leben muss.