Essen. Strategiewechsel der AfD in Essen: Ratsherr Guido Reil wird nicht als Oberbürgermeister kandidieren. Mit Thomas Kufen könne man doch gut leben.

Im Überschwang seiner politischen Gefühle hatte der Essener AfD-Politiker Guido Reil Großes vor. Zur Kommunalwahl 2020 seinen alten Genossen das Wasser abzugraben, noch vor kurzem reichte ihm das nicht: „Natürlich“ werde die örtliche AfD auch einen eigenen OB-Kandidaten präsentieren, kündigte der Karnaper Ratsherr und Europa-Abgeordnete an – und dachte da ohne sonderliche Zurückhaltung an sich. In die Stichwahl zu kommen, schien für ihn reine Formsache, „da kann die SPD einpacken“. Doch jetzt kommt alles ganz ganz anders.

Denn seine OB-Kandidatur? „Wird’s nicht geben“, verriet Reil auf Anfrage am Rande der jüngsten Ratssitzung. Und nein, es werde wohl auch kein anderer Kandidat aus eigenen Reihen aufgestellt: Strategiewechsel!

Guido Reil findet: „Der Oberbürgermeister macht seine Sache gut“

Hilfreich für den Kurswechsel in der Kandidatenfrage waren offenbar nicht zuletzt die Ergebnisse der Oberbürgermeister-Wahl Ende Oktober in Hannover, wie Reil betont: Dort holte der AfD-Kandidat gerade mal 4,6 Prozent der abgegebenen Stimmen – rund ein Drittel weniger, als die Partei zur Europawahl in der niedersächsischen Hauptstadt verbuchen konnte.

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Für Guido Reil das Signal, dass die „Alternative für Deutschland“ bei einer Persönlichkeitswahl wie der zum Stadtoberhaupt keinen Blumentopf gewinnen kann, ja, dass ihr eher der bisherige Gewinner-Nimbus abhanden kommt. Und überhaupt: In den eigenen Reihen genieße Amtsinhaber Thomas Kufen größtenteils einen tadellosen Ruf. Zu Recht, findet der Karnaper Ratsherr, der sich die „Entdämonisierung“ der AfD auf die Fahne geschrieben hat: „Der OB macht seine Sache gut.“

AfD-Verzicht ist eher schlechte Nachricht für die hiesige SPD

Dass die AfD ohne Bewerber ins Rennen geht – das ist, wenn es sich die Partei bis zur Nominierung für die Kommunalwahl Ende März nicht noch einmal anders überlegt, eine eher schlechte Nachricht für die hiesige SPD und ihren Kandidaten Oliver Kern. Denn es stärkt, da scheinen sich die politischen Beobachter einig, eher Kufen, dem es wohl gelingt, ein ausgesprochen breites Spektrum für sich zu gewinnen.

Und an diesem Freitag erweist sich ja, ob nicht schon ein gutes Ergebnis im ersten Wahlgang unterhalb der 50-Prozent-Marke ausreicht, um den OB-Posten zu erklimmen: Denn dann verkündet der Verfassungsgerichtshof des Landes in Münster seine Entscheidung in der Frage, ob die vom Landtag beschlossene Abschaffung der Stichwahl rechtens ist.

Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ plant Kampagne gegen die AfD

Hat die Klage von SPD und Grünen keinen Erfolg, dann ist schon neun Monate vor der Essener OB-Wahl aus selbiger ein bisschen die Luft raus. AfD-Frontmann Reil und die Seinen stört das nicht, denn zum Strategiewechsel gehört für sie noch mehr: Gegen die Sozialdemokraten Front zu machen, habe sich weitestgehend erledigt, jetzt nehme man die Grünen ins Visier.

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Die wissen von ihrem Glück noch nichts. Derweil erklärte das mittlerweile eigenständige Essener Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ die AfD zum Hauptgegner einer Kampagne bei der Kommunalwahl: Sie sei „die Partei, die permanent zündelt, in den Parlamenten ihren Rassismus verbreitet und mit Faschisten marschiert“. Dagegen werde man „Widerstand organisieren und uns ihrem Treiben mit aller Kraft in den Weg stellen“. Auch gegen die OB-Kandidatur Reils wollte man mobil machen.

Aber das hat sich dann ja erledigt.