Essen. Jochen Backes verlässt den Essener Rat und macht so den Weg für den nächsten auf der AfD-Liste frei: den umstrittenen Abgeordneten Stefan Keuter.
Das politische Leben ist reich an ironischen Wendungen, und eine solche steht demnächst im Essener Rat an. Denn dort will Jochen Backes, einst Fraktionschef beim Essener Bürger Bündnis wie bei der Abspaltung „Bürgerliche Mitte“, in Kürze sein Mandat aufgeben. Ein Ratssitz, den er damals auf dem Ticket der „Alternative für Deutschland“ (AfD) gewann, später aber parteilos fortführte, weil ihm der Rechtsruck in der Truppe nicht passte. Genau den löst er jetzt kurioserweise selbst aus.
Denn sein zurückgegebenes Mandat von der Reserveliste der AfD wieder aufgefüllt wird. Und da kommt wer zum Zuge? Der umstrittene AfD-Bundestagsabgeordnete Stefan Keuter.
Nazi-Bildchen per WhatsApp und eine Anzeige wegen Volksverhetzung
Keuter hat sich, wenn man so will, binnen kürzester Zeit einen einschlägigen wiewohl zweifelhaften Ruf in der Politik erworben: mit Nazi-Bildchen, die er über den Kurznachrichten-Dienst WhatsApp verschickte, mit Demo-Auftritten an der Grenze zur Beleidigung, mit Wortmeldungen, die ihm in einer Potsdamer Gedenkstätte eine Anzeige wegen Volksverhetzung einbrachten, mit Anschuldigungen gegen einen Ex-Mitarbeiter, die sich schon bald als haltlos erwiesen.
Sein Wechsel in den Essener Stadtrat auf der Zielgeraden dieser Ratsperiode würde die „Alternative für Deutschland“ unverhofft in eine komfortable Lage bringen: Denn just im letzten halben Jahr der kommunalpolitischen Arbeit könnte die AfD in einer Form auftrumpfen, die sie so bislang noch nie ausspielen konnte.
Das AfD-Trio im Essener Rat zerlegte sich, noch bevor die Arbeit losging
Denn als neue politische Kraft schaffte die AfD zur Kommunalwahl 2014 zwar vom Fleck weg zu dritt den Einzug in den Rat. Doch noch bevor die Arbeit dort richtig in die Gänge kam, zerlegte sich das Trio: Marco Trauten mischt heute bei der Fraktion Tierschutz/SLB mit, Menno Aden blieb „Einzelkämpfer“ im Rat, und Jochen Backes erlebte bei den Bürger-Bündnissen EBB und BME, wie nah kommunalpolitischer Auf- und Abschwung beieinander liegen können. Jetzt wechselt der 42-jährige Bistums-Jurist beruflich nach Bayern.
Und bahnt damit eher unfreiwillig dem Bundestagsabgeordneten Keuter den Weg in den Rat, weil die nächsten beiden Nachrücker auf der AfD-Reserveliste, Rudolf Kuschmierz und Christoph Wilkes, der Partei nicht mehr angehören. Gemeinsam mit Guido Reil, der als SPD-Kandidat einst sein Ratsmandat erlangte und im Stadtparlament deshalb nicht unter AfD-Flagge firmieren darf, wäre die Partei plötzlich mit ihrem Namen präsent, ja, sie könnte sogar Gruppen-Status erlangen.
Guido Reil und Stefan Keuter – zum „Burgfrieden“ im Stadtparlament genötigt?
Das brächte spürbar mehr finanzielle Mittel, die den im Rat eher stillen AfD-Frontmann Reil und den Bundestagsabgeordneten Keuter zu einem „Burgfrieden“ nötigen könnten. Denn ansonsten, so ist zu hören, stimmt die Chemie zwischen beiden nicht sonderlich.
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Ohnehin würde die Zusammenarbeit der beiden AfDler im Rat nur für vier oder fünf Ratssitzungen vonnöten sein. Jochen Backes, der als Jurist und Finanzfachmann genauso viel Lob wie Kritik von seinen Rats-Kollegen einheimste, will das Mandat im Frühjahr aufgeben. Vom Bayerischen aus könne er der Ratsarbeit „nicht mehr so nachkommen, dass dies meinen Ansprüchen genügt“.
Er räumt damit das Feld für einen Ex-Parteifreund, wegen dessen „Schulterschluss mit Rechtsextremisten“ er einst aus der AfD austrat. Ironie des Schicksals: Backes kann, so lässt er durchblicken, selbst nicht drüber lachen.