Rüttenscheid. Mit italienischen Backwaren hat Hermann Welp einst seinen Betrieb gerettet. Jetzt übergibt er seine Rezepte und will nur noch Händler sein.
Als Sprecher der Rüttenscheider Markthändler, Organisator des dortigen samstäglichen Chorgesangs und neuerdings sogar als launiger Buchautor ist Bäckermeister Hermann Welp eine Institution. Das ändert nichts daran, dass kettenfreie Bäcker wie er es zunehmend schwer haben in einer Branche, die ihren Umsatz vor allem durch Masse macht. Welp hat jetzt die Konsequenzen gezogen und gibt seinen eigenen Backbetrieb zum Jahresende nach über 30 Jahren auf. Seine Rezepte leben aber weiter, betont er.
Künftig werden Welps Rezepte im Krayer Bäckereibetrieb Förster zu Backwaren
Möglich macht dies eine Kooperation mit einem anderen Essener Traditionsbetrieb, der sich rühmt, das Backen noch handwerklich zu betreiben: der Bäckerei Förster, die in Kray-Leithe beheimatet ist und einige Filialen im Essener Südosten betreibt. „Wir sind seit vielen Jahren freundschaftlich miteinander verbunden und uns rasch einig geworden“, sagt Hermann Welp.
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Seine italienisch inspirierten Backwaren, vor allem die Amaretti, werden nun in Lizenz bei Förster hergestellt und dann an Welp ausgeliefert, der sie auf den Wochenmärkten und per Großhandel an seine zahlreichen Rüttenscheider Gastronomiekunden vertreibt. Für die Kundschaft ändere sich also nichts. „Ich will zwar kürzertreten und Verantwortung reduzieren, aber noch lange nicht aufhören“, sagt der 65-Jährige. Und auch bei Förster ist man erfreut. „Wir sind froh, dass wir seine Backwaren bei uns haben“, sagt Firmenchefin Christa Förster. Auch hier gelte: Es läuft recht gut, aber Stillstand ist bei der knallharten Konkurrenz in der Branche keine Option.
In den 1970er Jahren hatte Essen noch 430 backende Betriebe
Als Hermann Welp mit 15 seine Lehre begann, waren die Zeiten noch andere. „In den 1970er Jahren hatten wir mal 430 backende Betriebe, allein in Essen.“ Ketten gab es noch keine, in jedem Stadtteil konnten mehrere Bäcker mit eigener Backstube existieren. „Jetzt gibt es vielleicht noch 25 Betriebe“, sagt Welp.
Neben den großen Ketten wie Döbbe und Peter, halten sich in Essen eine Reihe von Betrieben mit maximal fünf Filialen wie Förster oder Holtkamp - letztere kann sich rühmen, Essens älteste Bäckerei zu sein und in sechster Generation das Handwerk auszuüben. Und dann halten noch eine Handvoll Einzelkämpfer die Stellung.
Eine Handvoll eigensinniger Kleinbäcker hält bis heute die Stellung
Einer davon ist Hermann Welp. Als Bäcker in der dritten Generation kann er auch einiges an Tradition in die Waagschale werfen, vor allem aber er gehört er zu jenem kleiner werdenden Kreis von eigensinnigen Kleinbäckern, die in der Zunft immer seltener werden. Wer die Konzentrationsprozesse der letzten Jahrzehnte überlebte, hat meist eine Marktlücke gesucht und gefunden.
Der Holsterhausen Bäcker Stephan Ahlf etwa, der täglich nur mit einigen Lehrlingen als Hilfen in der Backstube steht, hat sich durch die Liebe zu alten Brotsorten eine treue Stammkundschaft erarbeitet. Hermann Welp wiederum nutzte den Trend zur „Italianita“, zur Italien-Leidenschaft vieler Kunden. Auf Sizilien bildete er sich fort, lernte Amaretto-Plätzchen und Ciabatta backen, als dies noch etwas sehr Besonderes war.
Nachwuchs- und Fachkräftemangel zwang auch Welp zur Aufgabe
Welp war über Jahrzehnte ein Arbeitstier: Eigene Backstube, zeitweilig bis zu drei Filialen, Gastronomie-Belieferung, Präsenz auf mehreren Wochenmärkten - manchmal konnte man ihm ansehen, dass so ein Pensum einen Preis hat. Zur Aufgabe der eigenen Backstube und seines letzten Ladens an der Rellinghauser Straße sah er sich aber auch aus einem Grund gezwungen, der viele Betriebe plagt: Nachwuchs- und Fachkräftemangel. Eine seiner fünf Töchter steigt zwar mit bei Förster ein, die Übernahme der Welp-Familienbäckerei habe aber auch sie dankend abgelehnt.
Buch über die Firmengeschichte
Hermann Welp hat sein Leben als Bäcker und Markthändler sogar schon in Buchform gegossen: „Mein Papa ist Bäcker und Erfinder“, heißt das Werk, das im Mai 2019 erschienen ist und auf humorvolle Weise die immerhin 108-jährige Firmengeschichte Revue passieren lässt.
Das Cover gestaltete die Rüttenscheider Designerin und Illustratorin Doro Ostgathe. Weitere Informationen gibt es unter Tel.: 0201 250438 oder per E-Mail an welpino@online.de.