Holsterhausen. Der Brüsseler Markt in Holsterhausen ist der einzige inhabergeführte Pralinenladen mit loser Ware in Essen. Auch das Ambiente zeichnet ihn aus.

Hinter der auffälligen gelben Markise an der Gemarkenstraße startet die Zeitreise. Beim Betreten des Ladenlokals bimmelt ein Glöckchen. Hereinspaziert in das zwölf Quadratmeter kleine Paradies für Liebhaber hochwertiger Süßigkeiten. Der Brüsseler Markt in Holsterhausen ist das nach eigenen Angaben letzte inhabergeführte Pralinengeschäft in Essen, in dem es die Waren auch lose, also zum Selbstzusammenstellen, gibt. „Wir sind der einzige Tante-Emma-Pralinenladen der Stadt“, sagt Maggie Ast, die das Geschäft 30 Jahre lang geführt hat. Zuletzt hätten ähnliche Geschäfte in Heisingen und Rüttenscheid für immer dicht gemacht.

Süße Verführungen in der Auslage im Brüsseler Markt in Essen-Holsterhausen. Unter anderem gibt es Nougat- oder Cappuccino-Pralinen.
Süße Verführungen in der Auslage im Brüsseler Markt in Essen-Holsterhausen. Unter anderem gibt es Nougat- oder Cappuccino-Pralinen. © FUNKE Foto Services | Madeleine Hesse

Vor fünf Jahren hatte Ast einen Nachfolger für ihren Herzensladen gesucht – und Evelyn Reiter gefunden, die nun mit einer ähnlichen Leidenschaft zuckersüße Mischungen zusammenstellt, Geschenkverpackungen mit Titeln wie „Meiner netten Haarkünstlerin“ und „Den Engelchen der Praxis“ entwirft oder Blumensträuße mit Pralinendeko bindet. Und, ja, ab und zu probiert sie selbst. „Ein bis zwei Pralinen gönne ich mir am Nachmittag.“

Ein Bilderbuch-Kaufladen in Essen-Holsterhausen

Das alles spielt sich in einer Kulisse ab, die man getrost als Bilderbuch-Kaufladen beschreiben könnte: Kinnhohe Verkaufstresen aus Holz und Glas, dahinter Wandregale, bis zur Decke voll mit fein einsortierten Döschen, Schachteln und Lagen aus losen Pralinen und Schokotrüffeln. Hier wird jeder Zentimeter genutzt. Und über allem liegt ein Duft von frischer Schokolade und Teekräutern, denn die gibt es hier auch zu kaufen.

Maggie Ast, die ehemalige Geschäftsführerin, greift ihrer Nachfolgerin ab und zu unter die Arme. So wie jetzt, in der Weihnachtszeit, wenn es besonders häufig an der Eingangstür zum Brüsseler Markt bimmelt.

Heiligabend wird wieder viel los sein im Pralinengeschäft

„Weihnachten, Ostern, Muttertag und Vatertag sind unsere stärksten Zeiten“, sagt Evelyn Reiter. Lächelnd erzählt sie, was sich Heiligabend wohl wieder abspielen dürfte: „Dann wird einiges los sein, weil viele noch auf den letzten Drücker Geschenke kaufen.“ Hauptsächlich Männer? „Hauptsächlich Männer!“

Büchlein über Kreuzfahrten

Nachdem Maggie Ast die Leitung des „Brüsseler Marktes“ an ihre Nachfolgerin übergeben hat, hat sie sich einem weiteren Herzensprojekt gewidmet. Sie hat ein Buch herausgegeben.

In „Vom Pott auf den Pott“ schildert sie heitere Beobachten von einer Kreuzfahrt. Und sie gibt anderen Kreuzfahrern praktische Tipps. Das alles in einer herrlich ehrlichen Ruhrgebietssprache. Das Büchlein ist in dem Pralinenladen an der Gemarkenstraße 93 erhältlich.

Gerade kauft Annegret Salamann hier ein. Sie ist aus Mülheim nach Holsterhausen gekommen – der Pralinen wegen. Wie so oft. „Ich war erst Ende November hier. Aber jetzt ist schon alles weg und ich hole Nachschub.“ Meistens, erzählt sie, kauft sie süße Geschenke ein. „Das, was ich für den Eigenbedarf mitnehme, nascht mein Mann“, sagt sie augenzwinkernd. Ihr Mann kann gerade nicht widersprechen. Er wartet im Auto.

Alt trifft neu: Bailey’s-Trüffel neben Gin-Pralinen

Bis vor einigen Jahren hat Maggie Ast Filialen im Rhein-Ruhr-Zentrum und in der Mülheimer Innenstadt betrieben. Die hat sie aufgegeben, bevor sie in Holsterhausen an ihre Nachfolgerin übergeben hat. Kleine, inhabergeführte Läden haben es auch in der Schoko-Branche schwer. „Man muss Leidenschaft mitbringen und ein Näschen für Luxus haben“, sagt Evelyn Reiter. Das gelte sowohl für sie als Geschäftsfrau als auch für die Kundschaft. „Durch unsere Randlage im Stadtteil muss man uns schon gezielt anfahren. Die wenigsten entdecken uns zufällig.“ In Rüttenscheid, so Reiter, könnte sie sich das Lädchen wohl nicht leisten. „Wir haben eine sehr entgegenkommende Vermieterin.“

Alle zwei Wochen bekommt sie Nachschub direkt aus dem Pralinenland Belgien. „Einige Sorten wie Bailey’s- oder Rumtrüffel haben wir seit über 20 Jahren im Sortiment.“ Viele Kunden seien Stammkunden. Doch bei aller Tradition geht der Brüsseler Markt auch behutsam Veränderungen an. Mit neuen Sorten wie Gin-Honig-Pralinen mit echten Blütenpollen. Und mit neuen Wegen, um auf sich aufmerksam zu machen: Es gibt jetzt eine eigene Homepage und süße Neuigkeiten über Facebook und Instagram.