Essen. Die Stadt Essen will mehr für ihren Ökostrom zahlen und so den Bau von Photovoltaikanlagen finanzieren. Das Beispiel soll Schule machen.

Es soll Leute geben, für die kommt der Strom einfach aus der Steckdose. Andere sind umweltbewusster und legen Wert darauf, dass Energie aus Wind-, Wasser- oder Sonnenkraft gewonnen wird. Ja, für viele Bürger ist der Klimaschutz sogar das wichtigste Thema überhaupt. Das passt es in die Zeit, dass die Stadt Essen sich aktiv am Ausbau erneuerbarer Energien im Stadtgebiet beteiligen will.

Eben erst hat der Rat der Stadt beschlossen, die Verwaltung möge ein Kataster über sämtliche städtische Immobilien anlegen, die für die Installation von Photovoltaikanlagen in Frage kommen. Nun legt die Verwaltung mit folgendem Vorschlag nach: Die Stadt Essen soll nicht nur zu 100 Prozent Ökostrom beziehen, sondern zusätzliches Geld in den Bau von Photovoltaikanlagen stecken, vorrangig auf städtischen Immobilien – pro verbrauchter Kilowattstunde geht es um 0,2 Cent. Laut Kalkulation der Verwaltung kämen pro Jahr 194.000 Euro für den gewünschten Zweck zusammen.

Der Stromliefervertrag den die Stadt mit ihrer Holding, der Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (EVV), zur Deckung des Eigenbedarfes geschlossen hat, soll dafür vorzeitig bis zum 31. Dezember 2031 verlängert werden. Der Vertrag läuft Ende kommenden Jahres aus. Der Bau- und Verkehrsausschuss des Stadtrates hat bereits zugestimmt, der Rat entscheidet, wenn er am 11. Dezember zum letzten Mal in diesem Jahr zusammenkommt.

100 Prozent Ökostrom lässt das Budget der Stadt Essen nicht zu

Sollte auch der Rat dem Ausbau erneuerbarer Energien seinen Segen geben, wovon man ausgehen darf, würde die Versorgung städtischer Einrichtungen mit Ökostrom eine neue Qualität gewinnen. Zur Erinnerung: Bereits 2008 hatte der Rat der Stadt beschlossen, die EVV mit der Stromversorgung zu betrauen, nachdem über Jahrzehnte der in Essen beheimatete Stromriese RWE eine Art natürlicher Partner der Stadt Essen war.

Festgelegt wurde seinerzeit ein Ökostrom-Anteil von 25 Prozent, der nach und nach ansteigen sollte. Seit 2013 deckt die Stadt ihren Bedarf zu 100 Prozent durch Ökostrom. Bereits zwei Jahre zuvor hatte der Rat dafür ein jährliches Budget von rund 133.000 Euro genehmigt – plus eine Preissteigerung von maximal zehn Prozent pro Jahr. Mehr ließ die finanzielle Lage der Stadt seinerzeit nicht zu, erinnert sich der damalige Stadtkämmerer und heutige Vorstand der Stadtwerke Essen, Lars Martin Klieve.

Das Budget blieb seitdem unverändert. Angesichts steigender Strompreise sei es nicht möglich, den Bedarf zu 100 Prozent aus Ökostrom zu decken, sofern dieser nicht in Jahrzehnte alten Wasserkraftwerken produziert wird, sondern in modernen Anlagen, heißt es. Nur dann wäre es ein Beitrag zur Energiewende. 2018 lag der Verbrauch übrigens bei 81,6 Millionen Kilowattstunden.

Die Stadt Essen würde pro 1300 Quadratmeter Dachfläche benötigen

Der Zuschuss von 0,2 Cent pro Kilowattstunde soll jedoch nicht zum Einkauf an der Strombörse in Leipzig verwendet werden, sondern für den Ausbau der Photovoltaiktechnik. Die Investition von rund 200.000 Euro würde es der EVV nach Rechnung der Verwaltung erlauben, jedes Jahr Photovoltaikanlagen mit einer Spitzenleistung von 160 Kilowatt zu errichten. Benötigt würden dafür 1300 Quadratmeter Dachfläche. Pro Jahr könnten so 136.000 Kilowattstunden Ökostrom produziert werden, was einer Einsparung von 65 Tonnen CO2 entspräche. Und noch ein Vorteil aus Sicht der Stadt: Der Strom könnte ohne Umwege genutzt werden, ohne dass dafür Netzgebühren fällig würden.

Gütesiegel und Mieterstrom

Bereits 2011 wurde die Stadt für ihr Energie- und Klimakonzept mit dem European Energy Award ausgezeichnet. Das europäische Gütesiegel verpflichtet die Stadt ihre CO2-Emissionen dauerhaft zu reduzieren. Der Bau von Photovoltaik-Anlagen soll dazu einen Beitrag leisten.

Bewegung in den Markt für erneuerbare Energien kommt womöglich durch den sogenannten Mieterstrom. Die Bundesregierung will es Mietern erleichtern, Photovoltaiktechnik zu nutzen. Bislang scheitert dies daran, dass Wohnungsgesellschaften Steuerprivilegien verlieren würden, sollten sie ihren Mietern auch Strom verkaufen.

Nutzen will die EVV vorrangig Dächer kommunaler Gebäude. Die Stadt erhielte dafür eine Pacht von 1300 Euro pro Jahr. Sollte es so kommen, setzt Stadtwerke-Vorstand Lars Martin Klieve darauf, dass das Beispiel Schule macht und mehr private Haushalte Interesse an Photovoltaiktechnik zeigen. Klieve denkt bereits laut über Finanzierungsmodelle über die Stadtwerke Essen nach, vergleichbar mit Bürgeranleihen sogenannter Solargenossenschaften.