Essen. Im Jobcenter Essen herrscht nach dem Urteil zu Hartz-IV-Sanktionen große Unsicherheit. Deshalb kürzt die Behörde vorerst keine Leistung.

Das Jobcenter Essen wartet nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes dringend auf neue Weisungen des Landes, wie es künftig mit den Sanktionen bei Hartz-IV-Empfängern umgehen soll. „Die Richter haben wichtige Fragen unbeantwortet gelassen“, teilte eine Sprecherin des Jobcenters auf Anfrage mit.

Momentan hat das Jobcenter Essen deshalb seine Sanktionspraxis ganz ausgesetzt und kürzt keinerlei Geld. Die Entscheidung sei gefallen, um in dieser Zeit der Rechtsunsicherheit „keine Klagen und Widersprüche zu provozieren“.

Hartz IV: Jobcenter Essen will vorerst keine Sanktionen kürzen

Nach Auffassung des obersten Gerichtes in Karlsruhe ist es verfassungswidrig, wenn Jobcenter die Leistungen eines Hartz-IV-Empfängers um mehr als 30 Prozent streichen. Bei schwereren Verstößen gegen die Mitwirkungspflicht konnten Jobcenter bislang das Hartz-IV-Geld für eine bestimmte Zeit um 60, bei unter 25-Jährigen gar bis zu 100 Prozent kürzen. Aufgrund des Urteils muss es nun Gesetzesänderungen geben. Bis diese wirksam werden, sind die Jobcenter auf Weisungen ihrer übergeordneten Dienstgeber angewiesen. Sie seien für Ende November angekündigt worden, heißt es, nun aber verzögert sich dies.

Zurzeit verhängt das Jobcenter Essen nach eigener Darstellung auch keine neuen Sanktionen bei Meldeversäumnissen (-10 Prozent) und bei unter 25-jährigen Personen, obwohl sich das Urteil auf diese Fälle nicht explizit bezog. Diese Praxis gelte bis zum Erhalt neuer Weisungen vom Land, so die Sprecherin, die aber gleichzeitig deutlich machte: „Mögliche Sanktionen sind damit aufgeschoben, nicht aufgehoben.“ Eine Sanktion könne auch noch bis zu sechs Monate danach verhängt werden.

Jobcenter sieht noch viele offene Fragen zur Sanktionspraxis

Bei Hartz-IV-Empfängern, deren Geld schon vor dem Urteil am 6. November um mehr als 30 Prozent gekürzt wurde, hat die Behörde die Bescheide ab diesem Tag zurückgenommen und die einbehaltenen Beträge ausgezahlt. Sanktionsbescheide, die noch nicht gültig waren, wurden aufgehoben, heißt es. Allerdings bleiben bereits verhängte Sanktionen, die die 30 Prozent nicht überschreiten, wirksam.

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Aus Sicht des Jobcenters haben die Karlsruher Richter wichtige Fragen mit ihrem Urteil nicht beantwortet: So besteht Unklarheit darüber, wie künftig mit unter 25-Jährigen zu verfahren ist. Auch ist offen, wie die Jobcenter mit den Zehn-Prozent-Sanktionen umgehen, die wegen versäumter Termine beim Jobcenter verhängt werden. Schließlich herrscht Unsicherheit darüber, ob verschiedene Sanktionen addiert werden können und wie zu verfahren ist, wenn diese dann zusammen die 30 Prozent überschreiten.

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In Essen verhängte das Jobcenter im vergangenen Jahr 11.682 Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher. Bei den allermeisten - nämlich in 10.056 Fällen - war ein Meldeversäumnis der Grund. In nur 469 Fällen weigerten sich die Betroffenen, eine Arbeit oder Weiterbildung anzunehmen.