Das Welcome-Center Essen hat eine vietnamesische Wissenschaftlerin abgewiesen: Für sie sei das Ausländeramt zuständig. Das könnte sich ändern.
Die Stadt Essen will prüfen, ob das Welcome- und Servicecenter (WSC) für einen größeren Personenkreis geöffnet werden kann. Bisher können nur wenige hochqualifizierte und gut bezahlte Zuwanderer die Anlaufstelle nutzen. Jüngst hatte ein Professor der Uni Duisburg-Essen kritisiert, dass eine vietnamesische Wissenschaftlerin mit „exzellenten Qualifikationen“ vom WSC abgelehnt wurde. Sie musste sich an die Ausländerbehörde wenden, die notorisch schlecht erreichbar ist; wochenlang wartete sie auf einen Termin. Und das ist offenbar kein Einzelfall.
So meldeten sich die China-Beauftragten der Medizinischen Fakultät der Essener Uni und beklagten, dass mit der Ausländerbehörde „eine direkte Kommunikation nicht möglich“ sei. Zwar gebe es Mitarbeiter, die sich hilfsbereit und kompetent um Doktoranden oder Gastwissenschaftler kümmerten, die hohe Mitarbeiter-Fluktuation dort erschwere aber die Zusammenarbeit. Gleichzeitig sei das 2016 eröffnete Welcome- und Servicecenter, das sich ja ausdrücklich um zugezogene Fachleute kümmern soll, leider „nur für einen begrenzten Personenkreis zuständig“.
Willkommenskultur gilt nur für Menschen in hochrangiger Funktion
Dabei sollte das 2016 gegründete Welcome-Center der Stadt einen Standortvorteil im Wettbewerb um die besten Köpfe bringen. So hatten es politische Ideengeber wie der Grüne Burak Copur immer wieder gefordert: Ausländische Fachkräfte sollten sich nicht mit den Sicherheitsschleusen und Warteschlangen in der Ausländerbehörde quälen, sondern an einer Servicestelle alle wichtigen bürokratischen Angelegenheiten erledigen können – sich in Essen willkommen fühlen.
Doch der Zuschnitt der Zielgruppe ist kompliziert und richtet sich nach den Paragrafen des Aufenthaltsgesetzes. Zuständig ist das WSC für Zuwanderer, die unter die Paragrafen 19 bis 21 fallen, also etwa Hochqualifizierte oder Inhaber einer Blauen Karte EU. Die einen müssen eine „hochrangige Funktion“ bekleiden, die anderen ein jährliches Bruttoeinkommen von mindestens 53.600 Euro erzielen.
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Schon wer wie die vietnamesische Wissenschaftlerin in Teilzeit arbeitet und daher diese Gehaltsgrenze unterschreitet, wird ans Ausländeramt verwiesen. So wird die Idee der besonderen Willkommenskultur für Fachleute und Menschen mit Mangelberufen konterkariert.
Eine gesetzliche Vorgabe für diese Aufgabenverteilung zwischen Welcome-Center und Ausländeramt gibt es nicht. Vielmehr habe man sich „weitestgehend an der Ausgestaltung des Hamburger Welcome-Centers orientiert“, erklärt der Leiter der Essener Ausländerbehörde, Mario Helmich. Aber eben nur weitestgehend. „Die Studenten waren zunächst ausgenommen, da die große Nachfrage zum Semesterwechsel nur durch die Ausländerbehörde bewerkstelligt werden konnte“, teilt Helmich weiter mit.
Tatsächlich ist das Ausländeramt eine Mammutbehörde: Die aktuell 127 Mitarbeiter waren im vergangenen Jahr für 105.536 Kunden und Vorgänge zuständig. Darunter sind gut 57.000 persönliche Vorsprachen – das entspricht rund 240 Gesprächen am Tag.
Das erheblich kleinere Welcome-Center betreut laut Stadt mit sechs Mitarbeitern 2262 laufende Vorgänge. Im vergangenen Jahr wurden 1044 Aufenthaltstitel/Niederlassungserlaubnisse und 528 Anmeldungen erteilt. Im Neubürger-Service wurden 1208 Kunden beraten.
Welcome- und Servicecenter könnte neu zugeschnitten werden
Immerhin wird ein Neuzuschnitt beider Stellen jetzt wahrscheinlicher: Anfang 2020 wird das Welcome-Center, das bisher dem Einwohneramt zugeordnet ist, in die Zuständigkeit von Helmich wechseln. Als Stabsstelle soll es in den Räumen im Gildehof bleiben und zunächst wie bisher weiterarbeiten.
Man werde aber, verspricht Helmich, eine Erweiterung des Personenkreises prüfen. So könnten Zuwanderer einbezogen werden, die unter Paragraf 18 des Aufenthaltsgesetzes fallen: Darin geht es um die Erwerbstätigkeit von Ausländern, „die sich an den Erfordernissen des Wirtschaftsstandortes Deutschland unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt“ orientiert. Das träfe auf viele Zuwanderer zu, die jetzt noch ans Ausländeramt verwiesen werden.
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Pro Asyl/Flüchtlingsrat weist derweil darauf hin, dass von den problematischen Zuständen des Ausländeramts „Menschen unabhängig von ihrem Bildungsstand betroffen“ seien. Auch für sie sei es nicht hinnehmbar, „stundenlang in Telefon-Warteschleifen festzuhängen“ oder mehr als ein Jahr auf die Bearbeitung eines Antrags zu warten. Schon 2017 habe man auf die Missstände hingewiesen: „Seitdem hat sich in puncto Wartezeiten und Erreichbarkeit nicht viel getan.“