Was eine vietnamesische Wissenschaftlerin im Ausländeramt erlebte, darf nicht Schule machen. Welcome-Center muss sich für mehr Zuwanderer öffnen.
Die Zustände an der Essener Ausländerbehörde sind spätestens bekannt, seit die Stadt im Jahr 2015 eine zuvor nicht gekannte Zahl von Flüchtlingen aufnehmen musste. Doch während man den Problemen angesichts der damaligen Ausnahmesituation lange mit einem gewissen Verständnis begegnete, fällt das zunehmend schwer. Schließlich geht es für die Klienten der Ausländerbehörde oft um existenzielle Entscheidungen oder zumindest um Weichenstellungen für ihre Integration: um das Aufwachsen ihrer Kinder, den Nachzug von Familienangehörigen oder die Aufnahme einer Arbeit.
Für die Menschen, die der Stadt zugewiesen worden sind, ist das eine belastende Situation. Völlig unverständlich ist es, dass die Stadt dies auch jenen zumutet, deren Zuzug ausdrücklich gewünscht ist. Wenn sich die Uni bemüht, Forscher aus dem Ausland ins Ruhrgebiet zu locken, wenn Firmen Fachkräfte von anderen Kontinenten anwerben, sollte man diesen vor Ort den sprichwörtlichen roten Teppich ausrollen – und ihnen keine Steine in den Weg legen.
Die Strahlkraft von Essen auf Fachkräfte ist noch ausbaufähig
Aus dieser Erkenntnis heraus hat die Stadt – nach einem langen Anlauf – das Welcome- und Servicecenter gegründet, das das Willkommen bereits im Namen trägt. Wer sich hier anmelden darf, kann viele bürokratische Angelegenheiten an einer Stelle erledigen, betreut von mehrsprachigen Sachbearbeitern. In der Praxis aber bleibt diese Anmeldestelle erster Klasse auch vielen verschlossen, die zu den begehrten Fachkräften zählen, aber vielleicht nicht gut genug verdienen.
Ein kluger Neuzuschnitt von Ausländeramt und Welcome-Center könnte helfen, dass eine Stadt wie Essen, deren Strahlkraft gewiss ausbaufähig ist, im Wettbewerb um die besten Köpfe weiter mitspielen kann. Topkräfte, die ins Revier ziehen, müssten nicht länger auf einen Termin in einer hoffnungslos überlasteten Behörde warten. Und: Im besten Fall ergäbe sich dabei auch eine Entlastung für das Ausländeramt.